P.M. Magazin

GRENZBEREICHE | GESETZE

Rechte auch für WELLEN

I n Linhares gelten die Meereswellen als Lebewesen, zumindest rechtlich. Im Au- gust 2024 verabschiedete die Kommunal- regierung der Gemeinde an der brasilia- nischen Atlantikküste ein Gesetz, das die lang gezogenen, bis zu zwei Meter hohen Wogen zu Rechtspersonen erklärt. Damit bekommen die Wellen ein Recht auf Unversehrtheit und Regeneration. Ein Existenzrecht, das sich ver- treten, verteidigen und einklagen lässt. Was für manchen wie ein Spaß klingen mag, ist durchaus ernst gemeint. Das neue Gesetz ist Aus- druck einer großen Bewegung, die sich inzwischen über den ganzen Planeten erstreckt. In vielen Ländern kämpfen Initiativen dafür, dass Lebens- räume nicht nur vor dem Zugriff des Menschen geschützt werden, sondern ein Anrecht erhalten auf ein gutes, unversehrtes Dasein. Wälder, Flüsse oder Berge – und nun eben auch Wellen. Geschrieben steht im Gemeindegesetz von Linhares, es sei die Aufgabe von Verwaltung und Bevölkerung, »die Integrität und Identität der Wellen zu respektieren, zu schützen und zu be- wahren«. Das Gesetz gilt aber nicht nur für die Wellen, sondern auch für den Fluss, den Rio Doce, an dessen Mündung sich die Brecher formen, wie auch für den kleinen Abschnitt des Atlantischen Ozeans, dessen Meeresboden direkt auf die Wellen- bildung einwirkt. So sieht es zumindest Vanessa Hasson de Oliveira. Sie war es, die mit der von ihr gegründeten Nichtregierungsorganisation Mapas die Gesetzes- initiative 2018 in Gang gebracht hatte. »Wer die Wellen in Linhares schützen will, muss auch den Fluss schützen«, sagt sie, »und zwar von der Mün- dung bis zur Quelle.«

In Brasilien gelten Wellen jetzt als juristische Personen. Was ungewöhnlich klingt, ist Teil einer weltweiten Bewegung, die Natur nicht nur schützt, sondern ihr eigene Rechte zuspricht

TEXT: FRANK ODENTHAL

08/2025 P.M. 67

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