Ausgerechnet Jülich. Es gäbe vermutlich Hunderte hellere Standorte für eine Solar- fabrik in der Bundesrepublik als die Stadt im Rheinischen. Mit rund 1600 Sonnenstunden pro Jahr erreicht der Ort nicht ein- mal deutsches Durchschnitts- niveau. Trotzdem herrschen hier, im Reaktor der Anlage mit dem Namen Dawn, stets Tempe- raturen um die 1000 Grad Cel- sius. Selbst während der Nacht lässt die Hitze nicht nach. Der Reaktor erstreckt sich von der 20 Meter hohen Turm- spitze über die oberen Ebenen der Solarfabrik. Er bildet das Herzstück für die Herstellung von Treibstoff durch die Energie der Sonne. In seinem Inneren strömt Biogas aus der Landwirt- schaft an Katalysatoren vorbei. Die hohen Temperaturen bre- chen die chemischen Bindungen im Gasgemisch und ordnen sie neu. So wird das Biogas in einen Rohstoff für synthetische Kraft- stoffe umgewandelt. Die Hitze, die dafür nötig ist, stammt voll- ständig von der Sonne. So entste- hen Solartreibstoffe. Sie sind klimafreundlich, weil sie keine fossilen Ressourcen nutzen, son- dern die Energie des Sonnen- lichts im Kraftstoff speichern. Dawn ist die weltweit erste industrielle Anlage, die Treib- stoffe mithilfe der Sonnenwär- me produziert. Die Schweizer Firma Synhelion hat für die
Konstruktion ihr eigenes Know- how mit bekannten Technolo- gien kombiniert. Besonders auf- fällig: die 218 sechseckigen Spiegel auf der nördlichen Seite des Geländes. Diese sogenann- ten Heliostate folgen im Fünf-Se- kunden-Takt dem Lauf der Son- ne und bündeln deren Licht präzise in einem 40 Zentimeter breiten Brennfleck an der Spitze des Turms. Die warmen Strahlen heizen einen flüssigen Wärme- träger auf und erzeugen damit 1200 Grad heißen Wasserdampf. D ie Anlage nimmt dabei viel mehr Hitze auf, als der Reaktor für die Um- wandlung des Biogases benötigt. Etwa zwei Drittel der Energie werden deshalb in einen Wär- mespeicher geführt, der den Reaktor in sonnenfreien Zeiten versorgen kann. Denn Dawn ar- beitet im 24-Stunden-Betrieb, fünf oder sieben Tage die Woche. Da muss der Reaktor heiß blei- ben, auch nachts oder wenn das Wetter schlecht ist. Derzeit füllt Synhelion nur wenige Fässer mit seinem Solar- sprit. »Dawn ist noch kein voll- wertiger Produktionsstandort, wir nutzen es derzeit als indus- trielle Demonstrationsanlage«, sagt Philipp Furler. Der Schwei- zer Ingenieur ist Mitgründer von Synhelion und ein Pionier in die- sem Technologiesektor. Er hat schon 2019 mit einem Team an
218 Spiegel, so- genannte Heliostate, reflektieren das Sonnenlicht in der Jülicher Solarfabrik auf einen Reaktorturm und
führen ihm so die nötige Energie zu
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