IDEEN | SOLARTECHNIK
Die ehrgeizigen Schweizer wollen die Erkenntnisse aus dem Testbetrieb möglichst schnell für eine Riesenfabrik nutzen, die dann im industriellen Maßstab produzieren soll. Die Entwick- lungsstrategie spiegelt sich in den englischen Namen der Pro- jekte wider. Auf die erste Testan- lage Dawn, die Dämmerung, folgt Rise, der Sonnenaufgang, und dann Shine, die strahlende Sonne. Shine wird vermutlich in Marokko gebaut und soll von 2030 an hunderttausend Tonnen nachhaltiges Kerosin und ande- re Treibstoffe liefern. Der Zeitplan von Synhelion ist eng getaktet. Das Unterneh- men produziert für einen Markt, der durch internationale staat- liche Vorgaben von Jahr zu Jahr größer wird. Durch den fort- schreitenden Klimawandel wächst der Druck auf Reedereien und Fluggesellschaften, sich von fossilen Treibstoffen zu verab-
schieden. Der Flugbetrieb und die Schifffahrt erzeugen gemein- sam weltweit etwa sechs Prozent des klimaschädlichen Kohlen- dioxids. Seit 2025 verlangen die Klimaschutzvorgaben, dass Flugzeuge, die in Europa starten, zu mindestens zwei Prozent mit Treibstoff aus nachhaltigen Quellen betankt werden müs- sen. 2030 steigt die Quote schon auf fünf Prozent. In diesem Bedarf an SAF (Sustainable Aviation Fuel) liegt eine gewaltige Chance für Syn- helion. Ein Rechenbeispiel: Im Jahr 2023 haben die Fluggesell- schaften weltweit etwa 350 Mil- lionen Tonnen Kerosin ver- brannt. Wenn fünf Prozent davon nachhaltig produziert sein sol- len, werden die Airlines 17,5 Mil- lionen Tonnen SAF ordern. »Ab 2030 braucht es fortschrittliche Technologien wie unsere, um die zusätzliche Nachfrage nach nachhaltigem Flugzeugbenzin
zu befriedigen«, sagt Furler. Der Solarkraftstoff made in Jülich kann ohne technische Änderun- gen an den Motoren verwendet werden. Hinzu kommt der Sprit- bedarf der Schiffsflotten, der auf mehr als 200 Millionen Tonnen geschätzt wird, wobei hier ein Teil aber auch durch Flüssiggas ersetzt werden wird. V on der steigenden Nach- frage profitieren derzeit noch Hersteller mit klas- sischer Raffinerietechnik. Der finnische Marktführer Neste kann etwa 1,5 Million Tonnen Flugzeugsprit aus nicht fossilen Quellen liefern. Neste kauft da- für weltweit Fettabfälle und ge- brauchte pflanzliche Öle, trans- portiert diese zu seinen Raffinerien in Finnland, Singa- pur und Rotterdam und wandelt die Abfälle in Kerosin um. Diese erdölfreien Recylingprodukte sind als SAF anerkannt, aber sie können die Solartreibstoffe nicht ausbremsen. »Die Ressourcen, die Neste und andere Konkur- renten einkaufen können, sind begrenzt«, erklärt Furler. Er rechnet damit, dass von 2030 an keine Produktionssteigerung im Recyclingbereich mehr möglich sein wird, weil das Aufkommen an Fettabfällen dann vollständig verwertet werde. »Spätestens dann kommt die Stunde der Solarfabriken.« · In Jülich wird erstmals Treibstoff mithilfe von Sonnenwärme industriell hergestellt. · Dabei wird Synthesegas zu Erdöl umgewandelt und raffiniert. · Die Solarkraftstoffe sind zum Beispiel für den Einsatz in Schif- fen und Flugzeugen geeignet.
DAWN PRODUZIERT BEREITS SO VIEL SYNTHESEGAS, DASS DARAUS ETWA 150 000 LITER TREIBSTOFF PRO JAHR HER- GESTELLT WERDEN KÖNNTEN
Der Forscher und Unternehmer Philipp Furler hat die Solar- fabrik maßgeblich mitententwickelt
Rainer Kurlemann ist Chemiker und freut sich, wenn Ingenieure mutige Ziele haben und neue Technologien wie in Jülich bis zur gro- ßen Fabrik entwickeln.
08/2025 P.M. 77
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