destärken: Zwei Gespanne von jeweils acht Pferden schafften es bei diesem animalischen Tauziehen nicht, die durch den äußeren Luftdruck festge- pappten Halbkugeln zu kappen. Auch 20 und mehr PS konnten die Hälften nicht trennen. Sobald Meister Guericke jedoch Luft durch ein Ventil in die Kugel ließ, ploppten sie auseinander. Er wies damit gleich dreierlei nach: eine Art Vakuum, die giganti- sche Kraft des Luftdrucks und – indem er die Kugel mal luftgefüllt, mal leer gepumpt wog – auch das Gewicht von Luft. EXPERIMENT 41 Otto von Guericke war ein Pionier des Nichts, ande- re verfeinerten seine Erkenntnisse mit teils verstö- renden Testreihen. Der irische Adlige und Physiker Robert Boyle (1627–1691) etwa entwickelte von Gue- rickes Vakuumpumpe und experimentierte mit Glasgefäßen und lebenden Tieren – darunter Mäuse und Vögel, denen er die Luft nahm. Über sein »Ex- periment 41« mit einer Lerche hielt Boyle beinahe amüsiert fest: »Der Vogel schien eine Zeit lang mun- ter zu sein, aber bald darauf bekam er heftige und unregelmäßige Konvulsionen, wie man sie bei Ge- flügel zu beobachten pflegt, wenn man ihnen den Kopf abreißt …« Diese Versuche kamen in Britan- nien oft und vor vielen Schaulustigen zur Auffüh- rung; die Schriftstellerin Mary Shelley ließ später sogar ihren Doktor Viktor Frankenstein darüber rä- sonieren: »Mein größtes Erstaunen galt einigen Ex- perimenten mit einer Luftpumpe, die ich bei einem Herrn, den wir zu besuchen pflegten, in Betrieb sah.« Allen noch so obskuren Tests, Experimenten und Versuchsanordnungen aber wohnte und wohnt
Für die Zuschauer des 17. Jahrhunderts wirk- te dieses Experiment wie Magie: Kein Pferdegespann ver- mochte die von Luft- druck zusammenge- haltenen Kugelhälften auseinanderzuziehen. Eine mit Wachs und Terpentin getränkte Lederdichtung sorgte dafür, dass das Vakuum möglichst perfekt war. Dieses Schauspiel läutete einen Paradigmen- wechsel in der Physik ein – und ist seither fester Bestandteil des Physikunterrichts
eine Gemeinsamkeit inne: Die Suche nach dem Nichts verläuft insofern stets ins Leere, weil es die reine Leere nicht gibt. Überall ist Materie. Mal mehr. Mal weniger. Wir können heute bestimmen, dass sich auf der Erde in einem Kubikzentimeter Luft bis zu 10 hoch 20 Teilchen tummeln. Wobei Teilchen in der Physik alles Mögliche umfasst: Atome, Moleküle, Neutro- nen, Photonen, Lichtquanten – ein knallbunter Partikel-Mix. Selbst im Weltall, das Aristoteles mit Äther gefüllt wähnte, finden sich minimale Materie-Mengen. Die mittlere Dichte im Univer- sum beträgt ein Teilchen pro Kubikmeter. Fast Vakuum, aber eben nur fast. Denn dank der Quan- tenmechanik und dank Werner Heisenbergs legendärer Unschärferelation von Energie und Zeit dürfen wir annehmen, dass alles im Schwung ist und wabert und nichts, wirklich nichts den Wert null erreichen kann. Womit obendrein bewiesen wäre, dass der Aphorismus »Von nichts kommt nichts« zwar schön, aber leider falsch ist. Nichts für ungut.
08/2025 P.M. 93
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