Europas größtes Monatsmagazin für Geschichte
02/2024 Deutschland 6,90 €
MYTHOS UND WAHRHEIT DIE SCHWEIZ Von EIDGENOSSEN, SCHLACHTEN und GIPFELSTÜRMERN
GLAMOUR Mit der Eröffnung des KaDeWe im Jahr 1907 kommt der Luxus nach Berlin – das Haus schreibt Geschichte
GEFANGEN Lange verschifft
GEHEIM Harriet Tubman hilft im 19. Jahrhundert flüchtenden Skla- ven und setzt ihr Leben aufs Spiel
Frankreich Menschen in Strafkolonien – ein Journalist geht 1923 dagegen vor
www.pm-wissen.com
Österreich 7,60 €, Schweiz 11 sFr, Benelux 7,90 €, Italien 9 €, Spanien 9 €
Spitzmarke I DIE WELT ERKUNDEN, WISSEN VERTIEFEN
JANUAR 2024
SPÄTE MÜTTER Die Medizin öffnet neue Fens ter
LOB DES SPIELS Was Kinder Erwachsene l ehren
HANDY UND STEINZEIT Wie ein Amazonas- Stamm Technik und Tradition zum Überleben nutzt
DER ZUG DER MONARCH- FALTER
DIE EPOCHALE WANDERUNG DER SCHMETTERLINGE — UND WARUM IHR ERHALT FÜR DEN ARTENSCHUTZ SO WICHTIG IST
NG_0124_u1_u1.indd Alle Seiten
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P.M. HISTORY – FEBRUAR 2024
Editorial
Die bewegte Geschichte der Eidgenossen
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
die Schweiz ist in vieler Hinsicht einzigartig in Europa: Vier Amts sprachen werden in der Alpenrepublik gesprochen, seit gut 175 Jahren herrscht Frieden, die Wirtschaft ist stabil, die demokratische Beteili gung der Bürger unmittelbar. Um viele Eigenschaften ihrer Heimat werden Schweizer im Ausland beneidet: seien es die pünktlichen Eisenbahnen, die niedrigen Steuern oder die spektakuläre Natur. Von der Geschichte dieses besonderen Lands berichtet die aktuelle Ausgabe von P.M. HISTORY. Sie erzählt, wie das Jahrhunderte wäh rende Ringen mit benachbarten Fürstenhäusern im Alpenstaat der frühen Neuzeit eine Kriegermentalität entstehen lässt, die auf dem Kontinent ihresgleichen sucht – und die Eidgenossen von einem Platz unter den Großmächten Europas träumen lässt. Sie berichtet von der Verstrickung Schweizer Geschäftsleute in den Skla venhandel und von der liberalen Politik des frühen Nationalstaats ge genüber politisch Verfolgten. Und sie erzählt von der Erstbesteigung des Matterhorns im Jahr 1865, die mehrere Abenteurer das Leben kostet – und zur Initialzündung für den alpinen Tourismus wird. Wilhelm Tell dagegen hat nur einen Kurzauftritt: Historiker sind sich einig, dass die Hauptfigur des eidgenössischen Nationalmythos wohl nie gelebt hat, sondern im 15. Jahrhundert erfunden wurde.
Tilman Botzenhardt Redaktion P.M. HISTORY
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DANKE UND VIEL GLÜCK!
2. Februar 2024 Der Rechtsweg ist ausgeschlossen
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P.M. HISTORY – FEBRUAR 2024
3 Editorial 6 Arena Kurz, bunt, lehrreich: vermischte Geschichten und Neuigkeiten aus der Forschung 16 Wegbereiterin der Freiheit Harriet Tubmans Kampf gegen die Sklaverei 22 Meisterwerk: Die „Qingming-Rolle“ Um 1100 malt Zhang Zeduan Chinas Alltag Die Schweiz 24 Mythos und Wahrheit Der lange Weg zur Alpenrepublik 30 Die Schlacht von Marignano Wie die Schweiz beinahe zur Großmacht wurde 38 Stadt der Profiteure Basels Bürger und der Sklavenhandel 44 Helfer in der Not Henry Dunant gründet das spätere Rote Kreuz 46 Wettlauf zum Gipfel Die tragische Erstbesteigung des Matterhorns 54 Ihre Welt sind die Berge Johanna Spyri, Autorin von „Heidi“ 56 Die Willkommenen Als die Schweiz Verfolgten und Deserteuren half 66 Den Frauen eine Stimme Marthe Gosteli kämpft für das Wahlrecht für alle 68 Buchtipps zum Titelthema 70 Tagebuch: „Den Tod vor Augen“ Ein Holländer erlebt das Kriegsende in Bayern 72 Die Inseln der Verdammten So brutal ging es in Frankreichs Strafkolonien zu 80 Interview: Geschichte aktuell Das Vermächtnis des Kolonialismus 82 Palast der Träume Das „KaDeWe“ verdreht den Berlinern den Kopf 92 Anschauen, lesen, erleben TV-, Museums- und Buchtipps 94 Rätselhaft Kreuzwort- und Bilderrätsel 96 Leserbriefe & Vorschau; Impressum 98 Sprengsatz Inhalt 02/24
30 ENTSCHEIDUNG Als sie 1515 gegen die Franzosen um Teile Norditaliens kämpfen, gelten die Eidge- nossen als die besten Soldaten ihrer Zeit. Doch es 16
USA Die „Under- ground Railroad“, ein Netzwerk zur Befreiung von Skla- ven, verhilft im 19. Jahrhundert vielen Menschen aus dem Süden der USA zur Flucht. Geprägt wird das Netzwerk von Harriet Tubman
Chronologie
Um 1100 Zhang Zeduan malt die „Qingming-Rolle“ Seite 22
1515 Frankreich besiegt die Schweizer bei Marignano Seite 30
1865 Erstbesteigung des Matterhorns Seite 46
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38 PROFITEURE Die Schweiz besaß zwar nie Kolonien, doch viele ihrer Kaufleute verdienten am internationalen Menschenhandel
wird ihr letzter großer Krieg sein – anschließend entscheiden sie sich für die Neutralität und geben den kurzzeitigen Versuch, selbst zur Großmacht zu werden, wieder auf
82 KONSUM Mit der Eröffnung des „KaDeWe“ kamen Luxus, Glamour und Modernität nach Berlin. Die Geschichte des Warenhauses ist eng mit der Geschichte der Hauptstadt verflochten
72 GEFANGEN
Bis ins 20. Jahrhundert hinein schob Frankreich Kriminelle in Strafkolonien ab – dann führt eine Reportage zum Ende der Straflager
1907 In Berlin eröffnet das „Kaufhaus des Westens“ Seite 82
1924 Paris beschließt das Ende seiner Strafkolonien Seite 72
1971 Die Schweiz führt das Frauenwahlrecht ein Seite 66
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JEMEN
SCHAUPLATZ Thula
Thula
BIS ZU FÜNF STOCKWERKE HOCH erheben sich Hunderte historische Stein- häuser der mittelalterlichen Kleinstadt im Jemen. Sie wurden ohne Mörtel aus behauenen Felssteinen erbaut, viele sind mit kunstvollen Ornamenten an Türen und Wänden geschmückt. Von der früheren Bedeutung des nahe der Hauptstadt Sanaa in 2400 Meter Höhe gelegenen Ortes zeugen auch eine Stadtmauer mit 26 Türmen und die auf einem Felsen über der Stadt thronende Festung aus dem 16. Jahrhundert. Einst ein aufstrebendes Touristenziel, bedroht heute der Bürger- krieg die lange als Kandidat für das Unesco-Weltkulturerbe gehandelte Stadt.
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EIN FOTO UND SEINE GESCHICHTE
Sie nannten ihn den „Vogelmann“: In selbst entworfenen Flügel-Anzügen sprang der junge Amerikaner Clem Sohn in den 1930er-Jahren aus Flugzeugen ab – und wurde als ei- ner der ersten „Wingsuit“-Springer berühmt. Zehntausende kamen zu den Flugfeldern, um zu sehen, wie er in großen Höhen die Flügel seines Anzugs ausbreitete, Kurven und Kreise flog und erst im allerletzten Moment den Fallschirm öffnete. Angst zeigte er dabei nie, auch hier in Hanworth nicht, wo er 1936 kurz vor seinem Absprung vor 70000 Menschen sein Flugzeug und sein Equipment präsentiert. Ein Jahr später, am 25. April 1937 in Frankreich, werden es sogar 100000 sein, die zusehen wollen, wie er sich aus dem Flugzeug stürzt. Doch dann wird sich Sohns Fall- schirm nicht öffnen. Und auch nicht der Ersatzfallschirm, dessen Reißleine er noch verzweifelt zu ziehen versucht. Clem Sohn wird nur 26 Jahre alt. Amerikanischer Ikarus
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Ewig aktuell: „Die Gedanken sind frei“
DIE IDEE IST ECHT ANTIK und der Satz „Frei sind unsere Gedanken“ schon vom römischen Philosophen Cicero aus dem Jahr 52 v. Chr. über liefert. Walther von der Vogelweide sang um 1200 „Joch sint iedoch gedan ke frî“, also: „Sind doch Gedanken frei“. Und bei seinem Zeitgenossen Freidank, einem süddeutschen Verfasser von Sinnsprüchen, heißt es, in heutiges Deutsch übertragen: „Das Band kann niemand finden, das meine Gedanken bindet.“ Wer schließlich den Text von „Die Gedanken sind frei“ dichtete, ist un bekannt. Er tauchte zwischen 1780 und 1800 anonym in sogenannten Lied flugschriften auf, als Kind seiner Zeit: „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“, heißt es etwa gegenüber dem absolutistischen König Philipp von Spanien
WAS WÄRE, WENN…
…die Azteken Cortés sofort ange- griffen hätten?
WAS IST WIRKLICH PASSIERT?
Als Hernán Cortés am 21. April 1519 mit seiner Flotte nahe dem heutigen Vera Cruz in Mexiko landet, wird er friedlich empfangen. Der Azteken- herrscher Montezuma II. schickt Gesandte mit Geschenken. Bald darauf erreicht Cortés, unterstützt von Soldaten indigener Feinde der Azteken, die Hauptstadt Tenochtitlan und nimmt Montezuma gefangen.
WARUM IST DAS WICHTIG?
Mit Cortés Sieg über den Aztekenkö- nig beginnt die grausame Eroberung Mittel- und Südamerikas vor allem durch spanische Konquistadoren. Auf ihrer Suche nach neuen Reichtümern gehen die Eroberer rücksichtslos vor, im 16. Jahrhundert sterben viele Millionen Indigene in Kriegen, an Hungersnöten, in Zwangsarbeit und an eingeschleppten Seuchen.
FREIE DENKER Die Burschenschaftler sangen das Lied 1832 auf dem Hambacher Fest, Hoffmann von Fallerleben (l.) nahm es in eine Liedersammlung auf
1787 in Friedrich Schillers „Don Carlos“. Ein ebenfalls unbekannter Komponist vertonte „Die Gedanken sind frei“ dann zwischen 1810 und 1820, und das Lied machte Karriere: Deutsche Burschenschaften sangen es 1832 auf dem Hambacher Fest. Es fand Einzug in die Sammlung „Lieder der Brienzer Mädchen“ in Bern, 1842 nahmen es Hoffmann von Fallers leben und Ernst Richter in ihre „Schlesischen Volkslieder“ auf. Sophie Scholl spielte es im August 1942 abends vor dem Ulmer Gefängnis für ihren inhaftierten Vater auf der Blockflöte. Kurioserweise stand „Die Gedanken sind frei“ sogar in den Liederbüchern der Deutschen Wehrmacht und des Arbeitsdienstes. Auch diverse DDR-Liederbücher verzeichneten es. Am 9. November 1948 stimmten 300 000 Menschen das Lied vor der Ruine des Berliner Reichstags an, nachdem Bürgermeister Ernst Reuter seine berühmte Rede („Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!“) gehalten hatte. Das Lied ist aktuell geblieben, denn noch immer verbieten autoritäre Herrscher den Menschen, ihre Gedanken frei zu äußern. Thomas Röbke
WAS WÄRE WENN?
Dem Angriff eines großen Heeres hätten Cortés Männer unmittelbar nach der Landung nicht standhalten können. Womöglich hätte ein Sieg Montezuma motiviert, sich besser gegen weitere Eroberungsversuche zu rüsten. Gefallen wäre sein Reich wohl trotzdem: Die Azteken waren bei vielen indigenen Völkern so verhasst, dass auch spätere Invasoren vermut- lich Verbündete gefunden hätten.
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AUSGEGRABEN
A uf einem Friedhof eines mittelalterlichen Klosters im heutigen Sudan entdeckten die Bioarchäologen Robert Stark von der Universität Warschau und Kari Guilbault von der US-amerikanischen Purdue University bei einem der Toten eine besondere Tätowierung: ein als Christogramm bekanntes Symbol sowie zwei griechische Buchstaben. Vermutlich wollte der Tote seine Religiosität ausdrücken: Zu seinen Lebzeiten zwischen 667 und 774 n. Chr. war das Leben am oberen Nil vom Christentum geprägt. Herr Dr. Stark, wie hat Ihr Team das mit bloßem Auge kaum erkennbare Tattoo aufgespürt? Meine Kollegin Kari Anne Guilbault von der Purdue Univer- sity hat das Tattoo entdeckt, als sie die Toten aus Ghazali untersuchte. Sie arbeitet als Anthropologin bei dem Projekt. Kari verfügt glücklicherweise über fundierte Kenntnisse in der Tattoo-Forschung und Fotografie, insbesondere ist sie auf natürlich erhaltene antike nubische Tätowierungen spezialisiert. So fiel ihr an einem der Toten eine Hautstelle auf, an der sie eine Tätowierung vermutete. Der betreffende Bereich wurde dann mit Vollspektrumfotografie fotografiert und nachbearbeitet, um den idealen Kontrast für das Bild zu erzielen. Dabei zeigte sich deutlich, dass an der Stelle – dem rechten Fuß – tatsächlich eine Tätowierung vorhanden war. Jesus unter der Haut
BEKENNTNIS Der Tote mit dem frühen Christus-Tattoo (l.) wurde nahe den Ruinen des Ghazali-Klosters im Sudan entdeckt
Mit welcher Technik wurde das Tattoo gestochen? Das ist noch unklar. Die Person lebte im Mittelalter im heuti- gen Sudan, und es gibt leider noch keinen Nachweis, wie Tätowierungen zu dieser Zeit angefertigt wurden. Wir könn- ten zwar über wahrscheinliche Ansätze spekulieren, aber noch nichts mit Sicherheit sagen. Was bedeutet das Symbol? Die Tätowierung besteht aus einem Kombinationssymbol der griechischen Buchstaben „Chi“ und „Rho“ sowie den eigen- ständigen griechischen Buchstaben „Alpha“ und „Omega“. Das kombinierte „Chi-Rho“ ist ein klassisches christliches Symbol, das als „Christogramm“ bekannt ist. „Chi“ und „Rho“ sind die ersten beiden griechischen Buchstaben des
DER ERSTE SCHOKORIEGEL der Welt lief 1847 in Bristol vom Band, als in einer Fabrik der Firma J. S. Fry & Sons (r.) erstmals flüssige Schokolade in eine Blockform gegossen wurde. KANDIERTE VEILCHENBLÜTEN sollen die Lieblingsnascherei von Kai- serin Sisi gewesen sein. Laut Legende gab es dafür sogar einen Geheimgang vom Hofzuckerbäcker Demel in die Hofburg in Wien. MARZIPAN durfte in Europa anfangs nur in Apotheken hergestellt und KURIOS XXL
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Zum Forscher Der Bioarchäologe Robert Stark arbeitet am „Polish Centre of Mediterranean Archaeology“ der Universität Warschau.
beispielsweise auch ein großes Kloster. Es war rund 600 Jah- re lang bewohnt und ein zentraler religiöser Ort. Obwohl es sich bei dem Toten mit der Tätowierung offensichtlich nicht um einen Mönch des Klosters handelte, wurde er doch auf ei- nem Friedhof in der Nähe des Klosters begraben. Möglicher- weise war der für Bestattungen von Personen, die in der Nähe heiliger Stätten wie dem Ghazali-Kloster begraben werden wollten, reserviert. Solche Bestattungen werden „ad sanctos“ genannt, „bei oder in der Nähe von etwas Heiligem“. Gibt es vergleichbare zeitgenössische Tattoos aus dem Mittelalter oder welche mit anderen Motiven? Die in Ghazali identifizierte Tätowierung ist erst die zweite mittelalterliche Tätowierung aus der Region des heutigen Sudan. Das andere Beispiel hat ein ähnliches Thema, es ist ein Monogramm des Erzengels Michael. Das Erzengel- Michael-Tattoo trug eine etwa 20 bis 35 Jahre alte Frau, die nach ihrem Tod auf natürliche Art mumifizierte, auf der In- nenseite ihres Oberschenkels. Sie wurde 2005 in der Region des vierten Nil-Katarakts entdeckt und mit der Radiokarbon- methode auf 655–775 nach Christus datiert. Wir wissen also noch nicht besonders viel über Motive aus dem Mittelalter in dieser Region. Aber Tätowierungen haben im Niltal eine lange Geschichte. Von verschiedenen Orten kennen wir zahl- reiche Beispiele aus früheren Zeiten, insbesondere aus dem pharaonischen Ägypten. Interview: Angelika Franz
Namens „Christus“. „Alpha“ und „Omega“ werden als christ- liches Symbol ebenfalls oft miteinander verbunden. Sie sind die ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alpha- bets und werden verwendet, um Christus als Anfang und Ende zu symbolisieren. So steht es im Buch der Offenbarung, Christus sagt: „Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“. Wie passt die Tätowierung zu dem, was wir über das christliche Leben in Ghazali wissen? Diese Tätowierung passt hervorragend zu einer Person, die im Mittelalter im heutigen Sudan lebte. Dort war damals das Christentum die vorherrschende Religion und auch die vor- herrschende soziale Identität. Zur Stätte von Ghazali gehörte
SÜSSIGKEITEN
Logo. Der Spanier Eric Bernat brachte den Bonbon mit Stiel (um klebrigen Kinderhänden vorzubeugen) 1958 unter dem Namen „Gol“ auf den Markt. 1963 wurde der neue Name eingeführt, abgeleitet von „chupar“ („lutschen“). Das Logo entstand, als Bernat den befreundeten Surrealisten 1969 um eine Idee bat und dieser kurzerhand ein Blümchen auf ein Stück Papier zeichnete. Süße Idee! PFEFFERKUCHEN sind dasselbe wie Lebkuchen. „Pfeffer“ war einst ein Sammelbegriff für Gewürze.
wurden hohe Zölle auf Kolonialwaren wie Kakao erhoben. In Turin streck- ten findige Konditoren daraufhin ihre Schokolade mit gerösteten und gemahlenen Haselnüssen. DIE „CHUPA CHUPS“-LUTSCHER sind weltweit das einzige Produkt mit einem von Salvador Dalí entworfenen
verkauft werden. Es galt als Arznei gegen Verstopfung und Blähungen, als Kräftigungs- und Potenzmittel. ALS „TANZBÄREN“ kamen die ersten Gummibärchen 1922 auf den Markt. Das Produkt des Unternehmers Hans Riegel aus Bonn (Haribo) war allerdings etwas größer und weicher: Statt Gelatine wurde noch Gum- miarabikum verwendet. DER DUNKLE NOUGAT wurde aus steuerlichen Gründen in Turin erfunden: Während der Kontinentalsperre (1806–1814)
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Bikini
Mode wiederholt sich, manchmal dau- ert es nur etwas länger: Schon aus der Antike sind Darstellungen von Frauen in sportlichen Zweiteilern überliefert. Und Anfang des 20. Jahrhunderts erfreute sich die „Palm-Beach-Combination“ aus den USA auch in Deutschland einiger Beliebtheit, die TENNISRÖCKCHEN UND BH zusammenbrachte. Der preußische „Zwickelerlass“ von 1932 verbot das öffentliche Tragen von Zweiteilern, galt aber nicht für alle: Von Eva Braun existieren Aufnahmen in ei- nem Kleidungsstück, das ganz ähnlich
Zigarettenspitze Verrucht und elegant zugleich: So wollten die Charleston-Tänzerinnen in den 1920er-Jahren wirken. Durch sie wurde die Zigarettenspitze populär und salonfähig. Ihr Image konnte sie bis in die 1960er-Jahre bewahren. Ikonisch: Audrey Hepburn (Foto), die damit als Partygirl Holly Golightly durch den Film „Frühstück bei Tiffany“ tänzelte. Der praktische Nutzen von Zigarettenspitzen, egal ob aus Metall oder aus Kunststoff, ist überschaubar: Die Finger sind weniger Gelbfärbung und Geruch durch Nikotin ausgesetzt, die Zigarette bleibt entfernt vom Gesicht. Selbst Hepburns Söhne fanden die Mutter damit nicht spitze und untersagten 2001 der Bundespost, eine Briefmarke herauszugeben, die Audrey mit dem Utensil zeigte. Die wenigen Probedrucke gelten als wertvollste moderne Marken der Welt.
ab dem 5. Juli 1946 als „Bikini“ Furore machen sollte. An diesem Tag präsen- tierte in Paris die Revuetänzerin Miche- line Bernardini der Öffentlichkeit den von Louis Réard kreierten Zweiteiler. Am 18. Juli ließ der Maschinenbauinge- nieur ihn als Gebrauchsmuster schüt- zen. Den Namen Bikini wählte er in An- lehnung an die Atombombentests über dem Bikini-Atoll in der Südsee, die am 1. Juli begonnen hatten. Makaber? Aus heutiger Sicht ganz sicher, doch damals wurden mit „Atom“ positive Begriffe wie „fortschrittlich“, „durchschlagend“, „aufregend“ assoziiert.
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Zu Unrecht vergessen
FRAGEN AN DIE GESCHICHTE
„Wann erschien die erste Kontaktanzeige?“ O b regional oder landesweit, ob im Internet, der
Ingenieur Nils Bohlin (1920–2002) aus Härnösand, Schweden
Bereits im Kutschenzeitalter Ende des 19. Jahrhunderts ersannen Ingenieure Sitzgurte, um Insassen bei Unfällen zu schützen. Wirklich sicher waren die Beckengurte und später die Diagonalgurte, die im Auto quer über die Schulter zur Hüfte führten, aber nicht. Das än- derte der schwedische Ingenieur Nils Bohlin: Ende der 1930er-Jahre arbeitete er an Schleudersitzen für Flugzeuge und wechselte schließlich zum Autohersteller Volvo. 1959 erfand er den heuti- gen Dreipunktgurt: Dieser hält bei einem Aufprall sowohl die Hüften als auch den Oberkörper im Sitz – und lässt sich mit einer Hand bedienen. Allein: Die meisten Au- tofahrer waren wenig überzeugt, klagten über zerknitterte Kleidung, fühlten sich beengt. Erst die Ein- führung der Gurtpflicht 1976 und die Einführung eines Bußgeldes ab 1984 brachten den Durchbruch.
Tageszeitung oder der Wochenzeitung: Die Liebe des Lebens wird überall gesucht. Er will sie finden, sie ihn, er ihn, sie sie. Was heute normal erscheint, war im 17. Jahrhundert etwas völlig Neues. Vor-
wiegend wurden Ehen damals von den Eltern angebahnt. Sie verhan- delten über ihre Kinder wie über Handelswaren. Das änderte sich am 19. Juli 1695. In der von John Houghton herausgegebenen Wochenzeitung „A Collection for Improvement of Husbandry and Trade“ („Sammlung für den Fortschritt in Landwirtschaft und Han- del“) erschien die weltweit erste Heiratsannonce (oben). Der Text der Kontaktanzeige lautet übersetzt: „Ein Herr von etwa 30 Jahren mit ansehnlichem Besitz sucht eine junge Dame mit einem Vermögen von circa 3000 Pfund.“ Dass jemand eine Frau suchte, war schon damals nicht ungewöhnlich. Dies öffentlich in einer Zeitung zu wagen schon. Heute hingegen erschiene es eher abschreckend, materielle Anforderungen zu stellen. Auch wenn viele gegen ein kleines zuflie- ßendes Vermögen wohl nichts einzuwenden hätten.
Schlagartig sank die Zahl der Unfalltoten, weltweit hat Bohlins Gurt wohl Millio- nen Menschen das Leben gerettet.
FRAGEN SIE UNS , was Sie schon immer über ein geschicht- liches Thema oder Phänomen wissen wollten! Schicken Sie einfach eine Mail an HISTORY@PM-MAGAZIN.DE
SYMBOLISCH: VIOLINSCHLÜSSEL
Von den fünf gebräuchlichsten Noten- schlüsseln ist er der bekannteste. Die Schleife an seinem Bauch zeigt die Position des „g’“ auf der zweiten Linie an, daraus ergeben sich die Positio- nen aller anderen Töne. Seine Gestal- tung ist an ein handschriftliches G angelehnt. Erfunden wurde das auch G-Schlüssel genannte, vor allem für die Notation von Violinstimmen ver- wendete Zeichen um das Jahr 1200. Von wem und wo, ist nicht bekannt.
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PLAKATIV
H ände vor Kälte zu schützen ist, handschuhhisto risch betrachtet, nur eine profane Allerweltsfunk tion. Das Gleiche gilt für die Schutzwirkung des rustikalen Arbeitshandschuhs. Denn schon die Pharaonen im Alten Ägypten trugen Handschuhe als Statussymbol, im Grab des Tutanchamun fanden sich gleich 27 Paar aus Leder. Wenn Könige, Kaiser oder kirchliche Würdenträger jemandem einen Handschuh überreichten oder zusenden ließen, war dies eine hohe Form der Gunstbezeugung. Ein vor die Füße geschmissener Fehdehandschuh war hingegen eine Aufforderung zum Duell. Modisch war es ein langer Weg von den ersten eher sackartigen Exemplaren über den Fausthandschuh bis zu den Fingerhandschuhen oder gar den eleganten, aufwen dig gearbeiteten Exemplaren der Pariser Modehäuser. Das Plakat rechts mag zynisch wirken, doch Hunde leder galt spätestens seit dem Mittelalter als perfekt für die Handschuhherstellung geeignet, und streunende Hunde landeten entsprechend schnell beim Abdecker. Laut Tierschutzorganisation Peta werden noch heute vor allem im asiatischen Raum Hunde für ihre Haut und für ihr Fell getötet. Für Käufer ist Hundeleder nicht zu erkennen. Handschuhe
HUND AN DER HAND Die traurigen Augen der Möpse rühren die Dame keineswegs: Freudig streift sie sich auf diesem Plakat um 1900 Handschuhe aus Hundeleder über, die einen hervorragenden Ruf genossen
ANMUTIGES STAUNEN Die Hand schuhmarke Crescendoe bewirbt in den 1950er-Jahren ihre aktuelle Kollektion und verspricht den Käuferinnen ihres Produkts schlanke Hände, die ihren „Anmut und Liebreiz“ zur Geltung bringen
FÜR DEN ELEGANTEN
AUFTRITT Auch wenn
die bekannte französische Kaufhauskette „Printemps“ heißt, also Frühling: Diese Dame steht für die neue Herbst-Winter- Mode 1919
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VON PHARAONEN UND PYRAMIDEN
Eine unglaubliche Sammlung von Artefakten und Geschichten über das faszinierende Volk am Nil.
Sechs legendäre Herrscherinnen Ägyptens und ihre Geschichte: Von Nofretete bis Kleopatra
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Fluchthilfe
Wegbereiterin
GERETTET Harriet Tubman (2. v. rechts) im Kreise einiger Menschen, die dank ihrer Hilfe fliehen konnten
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n der Freiheit
Die Underground Railroad verhilft im 19. Jahrhun- dert vielen Sklaven zur Flucht aus dem Süden der USA. Geprägt wird das Netz- werk von einer Frau: Harriet Tubman
Von Peter-Matthias Gaede
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E s war um den 200. Geburts- tag der Harriet Tubman, als die US-Notenpresse fast zu ei- ner von Millionen Menschen erwarteten Tat geschritten wäre. Es war geplant, erstmals in der Geschichte der USA das Antlitz einer schwarzen Frau auf einen Geldschein zu drucken. Auf die Vorderseite einer 20-Dollar-Note. Zum dritten Mal über- haupt erst das Gesicht einer Frau. Doch dann kam Donald Trump. Und fand, so etwas sei ihm nicht zuzumu- ten; er mochte „das nicht sehen“. Harriet Tubman, geboren als Ara- minta „Minty“ Ross, wird es demnächst trotzdem auf die 20-Dollar-Note schaf- fen, auf Beschluss des Trump-Nachfol- gers Biden. Und damit wird vielleicht noch einmal die Geschichte einer Frau in Erinnerung gerufen, wie es keine zweite gegeben hat im Kampf gegen die Sklaverei in den Südstaaten der USA. Keine zweite im Amerikanischen Bür- gerkrieg. Keine zweite, die, obwohl zeit- lebens weder des Lesens noch Schrei- bens mächtig, für das Aufbegehren und Selbstbewusstsein von Menschen stand, die gehandelt wurden wie Vieh. Minty war das fünfte von neun Kin- dern eines Sklavenpaars im Dorchester County, Maryland. Kam sie 1820 zur Welt, 1822, 1825? Dass sich dies nie ganz klären ließ, gehört zur Biografie
Dann ein Ereignis, das Araminta Ross’ Leben für immer verändern wird. Ein kiloschweres Messgewicht, mit dem ein Aufseher nach einem jungen Sklaven wirft, trifft sie am Kopf. Blu- tend und ohnmächtig wird sie in ein Haus getragen, dort, weil es kein Bett gibt, zwei Tage lang auf die Bank eines Webstuhls gelegt. Ein Arzt wird nicht gerufen. Noch blutend wird sie wieder zur Feldarbeit geschickt. Mediziner,
jener Menschen, deren Eltern weder Kalender noch Uhren besaßen und an denen das Wichtigste aus Sicht ih- rer Besitzer ihre Arbeitskraft war. Ein kleiner Vermerk über den Einsatz einer Hebamme lässt vermuten, dass es sehr wahrscheinlich das Jahr 1822 war, als Minty in eine fensterlose Hütte in dem von Sumpflandschaften und Wäldern durchzogenen Land östlich der Chesa- peake Bay hineingeboren wurde.
Tubman geht es nicht nur um Selbstbefreiung. Sie will möglichst viele Sklaven nach Norden holen
Die „Einfuhr“ neuer Sklaven aus Afrika und der Karibik ist da seit einem Kongressbeschluss von 1808 verboten, und auch in Maryland gibt es bereits aus der Sklaverei entlassene Schwar- ze, Alte zumeist, zu schwach für harte körperliche Arbeit. Doch Minty erfährt schon als kleines Mädchen, was es be- deutet, eine Ware auf dem Arbeitsmarkt zu sein. Schuhe hat sie nicht, Kleidung über einem Hemdchen bekommt sie erst, als sie etwa sieben Jahre alt ist. Die Familie wird getrennt, Eltern und Geschwister werden an verschiede- ne Sklavenhalter ausgeliehen. Minty selbst muss das Baby einer Familie hü- ten, wird geschlagen. Sie ist vermutlich noch keine zehn Jahre alt, als sie mit härteren Arbeiten beauf- tragt wird. In den eisigen Wassern des Marschlands muss sie Fallen für Bisam- ratten kontrollieren, erkrankt an Masern, darf eine Zeit lang zu ihrer Mutter zurückkehren,
hätten sie sich denn um das Mädchen gekümmert und hätte es die Diagnostik damals schon gegeben, hätten als Folge der schweren Schädelverletzung ver- mutlich eine Temporallappen-Epilepsie entdeckt. Menschen, die Minty begeg- nen, merken nur, dass sie fortan An- fälle plötzlicher Bewusstlosigkeit hat. Und sie selbst erzählt immer häufiger von Träumen und Halluzinationen, von Zwiegesprächen mit Gott. Es ist auch eine immer tiefer werdende
Religiosität, die am Beginn ihrer ganz persönlichen Rebellion gegen die Ver-
PROMINENT Als dieses Porträt von
Tubman um 1868 entsteht, ist sie im Land längst eine bekannte Größe in der Befrei- ungsbewegung der Schwarzen
wird dann an eine nächste Familie als Hausmädchen verliehen. Dort wird Min- ty nicht nur geschlagen, dort wird sie nach ei- nem Fluchtversuch,
bei dem sie sich fünf Tage in einem Schwei- nekoben versteckt, ausgepeitscht.
VERFOLGT Der „Fugitive Slave Act“ gestattet es Weißen, geflüchtete Sklaven wieder in Besitz zu nehmen
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Fluchthilfe
hältnisse steht – und die sie, wie späte- re Biografen schreiben werden, zu ei- ner „schwarzen Jeanne d’Arc“ machen wird, zu einem „Moses of her people“. Und es ist keine friedliche Religio- sität. Lesen die weißen Herren aus der Bibel vor allem die Pflicht der Sklaven zur Gehorsamkeit, betet Minty um Vergeltung. Und Befreiung. Und betet nicht nur, sondern handelt. Wird fähig, zu kämpfen. Wird die Leitfigur eines Fluchtsystems, das als „underground railroad“ bekannt werden wird. Die imaginäre „Untergrund-Bahn“ ist ein Netz aus verborgenen Wegen durch dichte Wälder, entlang entlegener Was- serläufe und zu den heimlichen Adres- sen von auch weißen Gegnern des Skla- vensystems, darunter den tiefreligiösen Anhängern der Quäker-Gemeinde. Araminta Ross hat 1844 den freien Schwarzen John Tubman geheiratet und ihren Vornamen in Harriet geän- dert. Sklavin bleibt sie trotzdem, als Holzfällerin und hinter Ochsengespan- nen schuftet sie, schleppt Getreidesäcke und Fässer, ist stark geworden. Und an einem Septembertag 1849 wagt sie die Flucht. Auslöser ist eine angekündigte Auktion, bei der womöglich auch sie einmal mehr verkauft werden soll. D er erste Versuch, gemeinsam mit zwei Brüdern nach Norden zu gelangen, scheitert. Doch schon Anfang Oktober stiehlt sich Harriet Tubman erneut davon, diesmal allein. Sie marschiert nachts, findet die Adres- se einer Helferin, wird weitervermittelt und schafft es schließlich über die Gren- ze nach Pennsylvania, jene 1787 fest gelegte „Mason-Dixon-Linie“ zwischen sklavenhaltenden und „freien“ Staaten. In Philadelphia, etwa 220 Kilometer Luftlinie von ihrem Kindheitsland ent- fernt, findet Tubman Arbeit als Köchin. Doch nur um Selbstbefreiung geht es ihr nicht. Sie will Familie, Freunde, möglichst viele Versklavte nach Norden holen – und so wird sie in den folgen- den Jahren noch mehr als ein Dutzend Mal den gefährlichen Weg zurück nach Maryland antreten. Meist nutzt Tubman dafür den Win- ter, wenn die Nächte länger sind. Und
an den Kopf. „Bruder, du gehst jetzt weiter, oder du stirbst“, sagt sie ihm im Wissen darum, was eingefangenen Sklaven droht. M it einer ihrer letzten Geheim- missionen bringt Tubman schließlich, 1857, auch ihre Eltern in Sicherheit. Sie führt sie bis nach Kanada, denn in den an die Süd- staaten angrenzenden Bundesstaaten gilt seit 1850 der „Fugitive Slave Act“, der sie dazu verpflichtet, entkommene Sklaven bei Entdeckung an ihre Her- kunftsstaaten auszuliefern. Tubmans Befreiungsaktionen sind um diese Zeit bereits bekannt geworden. Sie hat wei- ße Freunde und Bewunderer von Penn- sylvania bis nach New York, hat erste öffentliche Auftritte vor politischen Zirkeln, die für die Abschaffung der Sklaverei eintreten; erste Zeitungen schreiben über die kleine, körperlich behinderte, analphabetische Frau. Und ein Mann gewinnt ihr Vertrauen, John Brown, der den offenen Krieg gegen die Sklavenhalter-Gesellschaften im Süden plant. Brown scheitert, wird im Dezember 1859 gehängt. Doch für Tubman ist er ein Märtyrer. „Er hat durch seinen Tod mehr bewirkt als hundert andere durch ihr Leben“, sagt sie. Es ist ihr Einstieg in
meist an einem Samstag bricht sie mit Fluchtgruppen auf, weil es dann zwei Tage dauert, bis Fahndungsaufrufe in einer Zeitung erscheinen können. Treffpunkt ist oft ein Friedhof, als Ver- stecke am Tag dienen Abzugsgräben von Entwässerungsanlagen, nicht mehr benutzte Scheunen, Gruben für Winter- gemüse. Am Ende werden es mehr als 70 Frauen, Männer und Kinder sein, die Tubman so in die Freiheit führt. Nach ihr, als „kastanienbraun, gut aussehend, etwa 27 Jahre alt und etwa ein Meter groß“ beschrieben, hat die Sklavenhalter-Familie Brodess in der „Delaware Gazette“ schon 1849 gefahn- det. 100 Dollar sind auf ihre Ergreifung außerhalb Marylands ausgesetzt. 50 Dollar, sollte sie in der Nähe gefasst werden. Doch dass Tubman zu einer so regelmäßig agierenden Fluchthelferin wird, traut ihr niemand zu. Es wird ein Mann hinter der Bewegung vermutet, während Tubman, die sich später als „Schaffnerin“ der Underground Rail- road bezeichnet, stolz darauf ist, „nie- mals einen meiner Passagiere verloren“ zu haben. Dabei ist sie mitunter rabiat. Schreiende Babys lässt sie mit Opium betäuben, wenn Gefahr besteht, dass Sklavenjäger in der Nähe sein könn- ten. Einem Umkehrwilligen, der die ganze Gruppe gefährden könnte, hält sie einen Revolver
BEFREIT Ex-Leibeigene feiern 1863 die Aufhe- bung der Sklaverei
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len Kundschafterin für einen Angriff erklärt, den Colonel James Montgomery am 2. Juni 1863 von Port Royal aus auf dem Combahee River in South Caroli- na unternimmt. Tubman steht auf dem Führungsboot der Expedition, die es weniger zum Ziel hat, gegen Soldaten zu kämpfen, als das erreichte Land zu plündern und zu verbrennen und die Sklavenhalter zu vertreiben. Und möglichst viele der herbeigeeilten Skla- ven auf die Schiffe zu retten. 730 Men- schen sind es insgesamt – „die Kinder Israels, aus Ägypten kommend“, wie Tubman später sagen wird. Und was eine Zeitung als ihren ganz eigenen Er- folg feiern wird, als das Ergebnis ihrer „Kühnheit“ und ihres „Scharfsinns“. Im „Boston Commonwealth“ erscheint eine erste Biografie von ihr, verbunden mit einem Spendenaufruf für sie. Blutiger wird es bald in Charleston Harbor, ebenfalls South Carolina. Auch dorthin begleitet Tubman die Truppen der Unionisten – und dort erlebt sie alle Grauen des Krieges. „Blitze“ sieht sie da, und „es waren die Gewehre“. Gewitter hört sie da, „und es waren die Kanonen“. Und Regen hört sie da fallen, „und es waren die Blutstropfen“. Und als sie „die Ernte“ sah, erinnert sie sich, „war es der Tod“. Tubman versucht, die Fliegen von den Sterbenden zu verscheuchen, schuf- tet als Krankenschwester und Köchin. Er-
die Militanz. Auch wenn sie zunächst noch zwei friedlichere Jahre vor sich haben wird. Einem Sklaverei-Gegner und US-Senator verdankt sie ein klei- nes Grundstück und ein Holzhaus in Auburn, Bundesstaat New York. Sie muss ihm das Heim, in dem sie fortan immer mehr Verwandte, aber auch entflohene Sklaven zumindest auf Zeit aufnimmt, in Raten abbezahlen. 1860 unternimmt Tubman einen letz- ten Versuch, eine dort noch verbliebene Schwester und deren zwei Kinder aus Maryland in den Norden zu holen. Doch die Schwester ist verstorben, die Kinder sind bereits verkauft. Geld, um sie aus- zulösen, hat Tubman nicht. Und so kehrt sie ebenso erfolglos zurück wie bei ih- rem Versuch, ihren Ehemann nachzu- holen. Er hat sich von ihr abgewandt. D er zweite große Kampf der Harri- et Tubman beginnt 1861 mit dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs. Er wird Tubman den Beinamen General einbringen. Dabei betreut sie zunächst nur als Kranken- schwester in South Carolina Flüchtlinge aus der Umgebung. Und wird zur glü- henden Anhängerin des Generals David Hunter, der den Kampf der „Unionisten“ gegen die Konföderierten im Süden zum Kampf gegen die Sklaverei erklärt. Ei- nem Zweifler an der bevorstehenden Be-
GEPRÄGT In diesem Jahr wird die US-Notenbank eine Dollarmünze mit Tubmans Konterfei herausbringen
freiung der Sklaven sagt sie: „Sie werden es sehen. Und Sie werden es bald sehen.“ Bald laufen tatsächlich Tausende Sklaven von den Plantagen in Maryland weg, hinter die Linien der Unionisten, die darangehen, schwarze Regimenter zu bilden. Tubman hilft dabei. Noch hat sie es mit kranken und sterbenden Sol- daten zu tun, mit Typhus und Malaria, mit fehlender Hygiene, mit Hunger und Siechtum jenseits der Schlachtfelder. Dann aber wird sie zur Speerspitze einer militärischen Operation. Wird aufgrund ihrer Kenntnisse in den Was- serlandschaften des Südens zur offiziel
WEHRHAFT Während des Bürger- kriegs in Amerika stellen die Nord- staaten Regimenter auf, die nur aus schwarzen Soldaten bestehen
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Fluchthilfe
neut aber wird sie an die Front entsandt, diesmal nach Florida: das Sklavenkind, das höchste Militärkreise für unersetz- lich an ihrer Seite halten. Zeugen ihrer Arbeit staunen über die ihnen fast unbe- greifliche Freundlichkeit und Zähigkeit, mit der sich die zierliche Frau noch je- dem Mitglied „ihrer Rasse“ widmet. Mehr als 600000 Soldaten sind am Ende des Bürgerkriegs nach der Kapitu-
Im März 1869 heiratet Tubman ein zweites Mal. Sie arbeitet in einer Zie- gelei und wieder als Hausmädchen. Als 1872 erstmals eine Dokumentation der Underground Railroad erscheint, erhält Tubman eine einzige Seite darin. Die elaborierte Mittelklasse-Frauen bewegung New Yorks beginnt, die kleine Schwarze mit den schwieligen Händen an den Rand zu schieben; alte Verbün-
Beifall bekommt sie mitunter noch, diese „schwarze, alte und faltige“ Frau in „billigen Kleidern“, wie ein Reporter schreibt. Aber sie wird schwächer. Im Oktober 1888 stirbt Harriet Tubmans zweiter Mann. Acht Dollar Witwenrente im Monat erhält sie da- nach. Und weil das schon als reichlich empfunden wird, scheitert der Versuch eines ihr wohlgesinnten Kongressab- geordneten, sie für ihre Dienste in der United States Army mit einer Monats- rente von 25 Dollar auszustatten. Zwölf Dollar werden es schließlich. So muss Tubman eine angeschaffte Kuh verkau- fen, um die Reise zu einer Versamm- lung in Boston bezahlen zu können. Während ihre Lebensleistung weit weg von den USA, jenseits des Atlantiks, sogar das britische Königshaus dazu veranlasst, ihr 1897 eine Medaille zu verleihen. Tapferkeit verschreibt sich Harriet Tubman bis zu ihrem Lebensende. Sie kämpft weiter für ihre Idee, ein Haus für alte und bedürftige Schwarze be- treiben zu können, was schließlich 1908 eröffnet wird. Ab 1910 sitzt Tub- man im Rollstuhl, 1913 stirbt sie an ei- ner Lungenentzündung. Ein Buch über die Freiheitskämpfe- rin, etwa drei Jahrzehnte später, wird von diversen Verlagen abgelehnt. Eine Begründung lautet, es sei ein „freak project“. Eine andere, das Leben dieser Sklavin, die einst aufbrach, sich ge- gen ihr Schicksal zu wehren, sei „a bit strong meat for us“, übersetzt vielleicht: ein bisschen zu heftig für die sensible Seele des Publikums. Nun wird Harriet Tubman bald von einer 20-Dollar-Note blicken. Menschen werden sie aus ihrem Portemonnaie ho- len, die sagen: Yes, black lives matter, schwarze Leben zählen. Und solche, die bis heute das Gegenteil glauben. Das Mädchen Minty hat einst geholfen, Amerika zu verändern. Gewonnen hat es noch nicht.
Diverse Verlage lehnen es ab, ein Buch über die berühmte Frei- heitskämpferin zu veröffentlichen
lation der Südstaaten im April 1865 auf den Schlachtfeldern gestorben; wobei die Todesrate unter den Schwarzen in den Hospitälern jene der Weißen um das Zweieinhalbfache übertroffen hat. Der Kongress beschließt das Verbot der Sklaverei für die gesamten USA. Doch der Rassismus lebt weiter, auf der Stra- ße, in Schulen, in Geschäften. Tubman, die bis fast an ihr Lebensen- de dafür kämpfen wird, eine angemes- sene Bezahlung für ihre Dienste für die Union zu erhalten, darf immerhin zu ei- nem ermäßigten Tarif die Eisenbahn be- nutzen. Auf einer Fahrt nach New York aber bescheinigt ihr ein Schaffner, die Bahn transportiere „keine Nigger zum halben Preis“. Zwei Männer brechen Tub- man den Arm, als sie sich weigert, das Abteil zu verlassen. Sie hält das aus, wie sie es aushält, mühsam nach Geldquellen zu suchen, mit denen sie wenigstens ihre Familie und andere Verarmte ernähren kann. Sie hält es aus wie die Nachricht von der Ermordung ihres ersten Ehe- manns. Wie die Erfahrung, dass auch in der wachsenden Frauenbewegung, deren einer Teil ihr zugewandt ist, im anderen Teil die Verachtung für eine vermeintlich primitive Schwarze blüht.
dete sterben – und Amerika will eine neue Erzählung. Die Geschichte einer Vereinigung im Frieden, die Verklärung auch des „alten Südens“, der nun schön sein soll, nicht mehr Ort unglaublicher Verbrechen. Es soll vergessen werden, was die Schwarzen erlitten haben. W enn all das, was Frauen wie sie getan hätten, sie nicht endlich den Männern gleich- stellten: was dann? Das fragt „Mother Tubman“, die „große schwarze Befrei- erin“, wie ihre Verehrer sie nennen, im- mer wieder bei Versammlungen. Und
UNBEUGSAM Bis zum Ende ihres Lebens, zuletzt an den Rollstuhl gefesselt, streitet Harriet Tubman für die Rechte der Schwarzen in den USA
Peter-Matthias Gaede hat in einer Reihe von Porträts großer Frauen für P.M HISTORY unter anderem bereits Gerda Taro und Bertha von Suttner beschrieben.
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Die „Qingming-Rolle“
VERKEHRSMITTEL Die Wohlhabenden Chinas reisen damals in Sänften, die, wie hier, von Männern mithilfe von Stangen getra- gen werden. Die geraden Linien malt Zhang Zeduan mit einem Lineal, die Technik wird im Kolophon der Rolle daher als „Linealmalerei“ bezeichnet
HANDELSPLATZ Dieses kunstvolle Bau- werk trägt eine Flagge mit Schriftzeichen, die es als Weinhandlung ausweist. Es ist eines von Tausenden Geschäften der damaligen Hauptstadt Bianliang
E s ist ein Meisterwerk voller filigraner Details. Doch noch beeindruckender ist seine Größe: 5,25 Meter lang und dabei nur 25 Zenti- meter hoch ist die sogenannte Qingming-Rolle – ein Artefakt aus fein gewebter Seide, bestückt mit Tausenden Tusche- und Farbzeichnun- gen. Das Kunstwerk zeigt Eindrücke aus dem chinesischen Alltagsleben in der Zeit um 1100 nach Christus. Vom Betrachter sollte es einst in der Hand gehalten und von rechts beginnend abschnittweise ausgerollt werden. Es folgt dabei dem Tagesverlauf, beginnt am rechten Ende mit einer morgendlichen Szene auf dem Land und
endet schließlich links im Trubel einer geschäf- tigen Großstadt am Abend. Den Mittelpunkt der Rolle bildet die breite Bogenbrücke über dem Fluss. Einheimische, Händler mit ihren Ständen und mit Lasten bepackte Tiere drängen sich auf dem präch- tigen Bauwerk. Die meisten stehen gestiku- lierend am hölzernen Geländer der Fluss- überführung, denn unmittelbar unter ihnen
DENKMAL Im „Millennium City Park“ in Kaifeng (China) ehrt eine Statue den Künstler Zhang Zeduan
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Meisterwerk
Zhang Zeduan, um 1100
KOLLISIONSKURS Die Gesten der Bootsleute des treibenden Bootes vermitteln Dramatik. Auf dem Dach des Schiffes schauen eine Frau und ein Kind (vermutlich die Familie des Kapitäns) dabei zu, wie sich die Männer mühen, den Mast zu senken
nisch fortschrittlichste Zivilisation der Welt. Und so handelt es sich bei der Stadt wohl um die Kapitale der nördlichen Song-Dynastie, Bianliang (heute Kaifeng) am Fluss Bian. Der Name „Qingming“ wiederum bezieht sich laut einer Theorie auf ein Fest, bei dem die Chinesen ihrer Toten gedenken und das auch in Bianliang Tausen- de Menschen auf die Straßen treibt. Die komplexen Darstellungen der „Qingming-Rolle“ sind so außergewöhnlich, dass Kopisten sie über die Jahrhunderte etliche Male nachahmen – zum Teil ohne das Kunstwerk je selbst gesehen zu haben. Heute ist das Gemälde besonders in Asien berühmt, und wird von manchen sogar als Chinas „Mona Lisa“ gefeiert. (kms)
spielt sich eine dramatische Szene ab: Auf dem Wasser versuchen Schiffer, die Kontrolle über ein großes Boot wiederzuerlangen. Es hat ein gerissenes Schlepptau, treibt nun mit der Strömung auf die Brücke zu. Einige der Männer sind dabei, den Mast umzulegen, ob sie die Kollision noch verhindern können, bleibt ungewiss. Und auch sonst gibt das Kunstwerk Rätsel auf: Über den Künstler, Zhang Zeduan, ist wenig bekannt, sei- ne Auftraggeber sind nicht überliefert. Lediglich das Kolophon, die Schlussschrift am linken Ende der Rolle, lässt vermuten, dass der Maler Szenen aus der Zeit der Song-Dynastie in China einfangen wollte – um 1000 nach Christus die wohlhabendste, kulturell und tech-
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Schweiz
Wiege im Bergland Schroffe Gipfel, tiefe Schluchten, grüne Hänge und klare Seen: Das Gemälde von Alexandre Calame (1810 bis 1864) zeigt die dramatische Landschaft am Süd- ende des Vierwaldstättersees, in dessen Umgebung die Geschichte der späteren Schweiz ihren Ausgang nimmt. Auf dem Gebiet, in dem sich die Eidgenossen- schaft ausbilden wird, siedeln schon seit Jahrtausenden Menschen – darunter der keltische Stamm der Helvetier, auf den der lateinische Name der Schweiz verweist: Confoederatio Helvetica (CH).
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Mythos Schweiz
In der rauen Natur der Alpen verbünden sich wehrhafte Bauern, um ihre Freiheit gegen äuße- re Mächte zu wahren: So erzählt die Legende die Geschichte der Alpenrepublik. Tatsächlich bedarf es Jahrhunderte voll äußerer und innerer Kon- flikte, um aus einer Vielzahl regionaler Mächte die heutige Schweiz zu formen: einen einzigartig vielfältigen Staat im Herzen Europas Von Tilman Botzenhardt
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BILDNACHWEIS: UNIVERSAL IMAGES GROUP/GETTY IMAGES
Schweiz
Kein Feind ist zu stark
In der Schlacht von Sempach bringen die Eidgenossen im Jahr 1386, nun auch im Bund mit der Stadt Luzern, den Habsburgern eine vernichten- de Niederlage bei. Deren Herzog Leopold III. war mit einem Ritterheer angerückt, um seine Rechte gegen die aufsässigen Kantone durchzuset- zen – und verliert bei den Kämpfen sein Leben (Gemälde eines anonymen Künstlers, um 1830). Die Schlacht festigt das Bündnis der Eidgenossen und trägt zu ihrem Ruf als tapfere Kämpfer bei.
Heiliger Bund Der Schwur auf dem „Rütli“, einer Bergwiese über dem Urnersee, begründet dem Nationalmythos zufolge die Eidgenossenschaft: Hier geloben sich Vertreter der Kantone Schwyz, Uri und Unterwalden im Herbst 1307 gegenseitige Hilfe, um sich aus der Herrschaft der Habs- burger zu befreien. Die Schwurszene selbst (hier ein Gemälde des Künstlers Johann Heinrich Füssli von 1780) hat so wohl nie stattgefunden, ein Bündnis der Kantone um das Jahr 1300 herum aber ist historisch belegt.
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Ein erdachter Nationalheld Der Landvogt der Habsburger soll Wilhelm Tell einst gezwungen haben, dem eigenen Sohn einen Apfel vom Kopf zu schießen. Später ermordet Tell den Tyrannen und leitet den Aufstand der Eidgenossen ein. So be- richtet es um 1470 das „Weiße Buch“ von Sarnen, eine frühe Chronik der Eidgenossenschaft. Schon 1760 wird die Wahrheit der Geschichte bezwei- felt. Heute halten Historiker sie für gezielt erfunden: Der Mythos sollte die Expansionspolitik der Eidgenos- sen gegen Habsburg rechtfertigen.
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BILDNACHWEIS: AKG-IMAGES (2), PICTURE ALLIANCE/FINE ART IMAGES/HERITAGE-IMAGES
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