P.M. History

Agatha Christie

hut. Eine zufällig anwesende Passantin wird Trauzeugin. Beide nehmen die un- gewöhnliche Trauung mit Humor. Zwei Tage später muss Archie wie- der an die Front, seine Frau meldet sich in Torquay freiwillig als Kranken- schwester und pflegt die verletzten Sol- daten. Als eine Stelle in der Kranken- hausapotheke frei wird, fängt sie dort an und lernt viel über Medikamente, Gifte wie Arsen, Strychnin, Cyanid, Digitalis und ihre Wirkung auf den Körper. Dieses Wissen wird ihr schrift- stellerisches Werk enorm prägen und Vergiften in ihren Krimis die häufigste Mordmethode werden. Gift steckt bei den literarischen Verbrechen in Mar- melade, Tee, Milch, Sandwiches und Kuchen. Der Tod lauert in den harmlo- sesten Speisen. Durch andere Varianten wie Erstechen, Erschießen oder Erwür- gen kommen die Opfer in ihren Werken deutlich seltener ums Leben. Weltberühmter Belgier 1916 beginnt sie, ihren ersten Kriminal- roman zu schreiben, tippt ihn auf einer Remington Portable No. 2. Viele der Ver- wundeten auf ihrer Krankenhausstation kommen aus Belgien, einige sind vor der deutschen Besatzung geflohen. Diese Begegnungen inspirieren sie zur Krea- tion ihrer berühmtesten Detektivfigur, des belgischen pensionierten Kommis- sars Hercule Poirot. Ein kleiner, älterer Herr mit eleganter Kleidung und mar- kant geschwungenem Schnurrbart. Er ermittelt erstmals in dem Roman „Das fehlende Glied in der Kette“, und bereits hier sind alle typischen Elemen- te von Christies Krimis vorhanden: Es gibt einen Mord, einen besonderen Ort, verschiedene Verdächtige, ihre verdeck- ten Motive, einen scharfsinnigen Er- mittler, der alles treffsicher analysiert, und eine unerwartete Wendung (plot twist) , als dieser schließlich den Täter überführt. Der Leser erhält in ihren Romanen dieselben Hinweise und In- dizien wie die ermittelnde Hauptfigur, doch er kommt nicht auf den Mörder, auch, weil sie falsche Fährten (red her- rings) legt, und ist dann von der Auf- lösung des Falls überrascht. Christie

und Agatha „will schrecklich gerne“ seine Frau werden. Aber durch seinen Militärdienst und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verzögert sich die Hochzeit. Am 24. De- zember 1914 ist es so weit: Als Archie für die Weihnachtstage plötzlich Hei- maturlaub bekommt und nach Hause fährt, heiraten sie spontan. Agatha hat nicht einmal Zeit, sich „die Hände oder das Gesicht zu waschen“ und ein weißes Kleid zu kaufen, sondern ehelicht ihn in einfacher Jacke, Rock, violettem Samt-

bringt das klassische „Whodunit“ zur Perfektion, dieses Katz-und-Maus-Spiel wird zu ihrem Erfolgsrezept, das die Leser lieben. Ihre zweite ikonische Hauptfigur, Miss Jane Marple, die 1930 in „Mord im Pfarrhaus“ ihr Debüt hat, ist so ziem- lich das Gegenteil von Poirot. Die ältere Dame aus dem fiktiven Dorf St. Mary Mead in England ist eine Amateurdetek- tivin ohne kriminalistische Ausbildung. Während Poirot die Verbrechen mithil- fe seiner „kleinen grauen Zellen“, Logik und Deduktion aufklärt, löst Marple die Fälle vor allem durch Beobachtung, All- tagswissen und ihren Scharfsinn. Her- cule ist der eitle, intellektuelle Snob, der oft in gehobenen kosmopolitischen Um- gebungen wie etwa dem Orient-Express ermittelt, Jane die humorvoll-kluge, un- terschätzte Seniorin, die Kriminelle in ländlichen Gegenden überführt. Das Krimigenre ist schon damals sehr beliebt, man spricht gar von einem „Golden Age of Detective Fiction“. Sher- lock Holmes ist seit seinem erstmaligen Erscheinen 1887 zur kulturellen Ikone aufgestiegen und Arthur Conan Doyles

ERSTER WELTKRIEG Agatha Christie als Krankenschwester beim Britischen Roten Kreuz um 1914

20 P.M. HISTORY – OKTOBER 2025

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