P.M. History

DER ZWEITE Ehemann Max Mallowan ist Archäologe und eine Quelle der Inspiration für Christies Orientgeschichten

IN SYRIEN Die Autorin besucht eine Grabung in Chagar Basar in EFOFS+BISFO4JFVOUFSTU¸U[UJISFO.BOOBVDIţOBO[JFMM

ger Mann, sehr still, aber sehr einfühl- sam“, zeigt ihr nun die Ausgrabungs- stätten und macht Exkursionen mit ihr. Zunächst ist es ihr unangenehm, dass dieser 25-jährige Max Mallowan sozusagen den Touristen-Guide für die 14 Jahre ältere Frau, „die nichts von Ar- chäologie verstand“, geben muss. Doch bald wird klar, dass er das gerne macht, sehr gerne sogar. Denn er empfindet Agatha Christie „vom ersten Moment an als äußerst liebenswürdig“ – die beiden verstehen sich prächtig. Zu zweit im Orient Als sie bei einer Wüstenexpedition mit einem Wagen im Sand stecken bleiben, mehrere Stunden in der Hitze aus- harren müssen, verliert Agatha nicht die Nerven, beschwert sich nicht, son- dern sucht sich stattdessen ein schat- tiges Plätzchen und ruht sich aus. Eine coole Frau. In diesem Moment springt bei Max endgültig der Funke über, wird er später erzählen, und er hält kurz da- rauf um ihre Hand an. Ihr macht allerdings der Altersun- terschied – er ist 26 und sie 40 – so sehr

zu schaffen, dass sie zuerst zögert und nach der Heirat am 11. September 1930 in manchen Dokumenten ein falsches Alter angibt und sich neun Jahre jünger macht. Das ist aber auch schon der ein- zige Störfaktor. Agatha Christie blüht nach der Hochzeit regelrecht auf und beginnt sogar, Liebesromane zu schrei- ben – allerdings unter dem Pseudonym Mary Westmacott; schließlich möchte sie nicht ihren Ruf als angesehene Kri- minalschriftstellerin verwässern. Sie begleitet Max nun regelmäßig auf seinen archäologischen Expeditio- nen in den Irak und nach Syrien. Vier bis sechs Monate pro Jahr verbringen die beiden im Orient. Dabei sammelt Agatha auch reichlich Inspirationen und Informationen für weitere Krimi- nalromane. Und ist engagiert bei den Ausgrabungen dabei, macht Fotos und Filmaufnahmen davon und reinigt Fundstücke schon mal mit ihrer Ge- sichtscreme und Wattebäuschen. „Kein Mensch kann jemals verste- hen, wie viel wir einander bedeuten“, schreibt Max seiner Frau liebevoll zum sechsten Hochzeitstag. Und sie schwärmt: „Ein Archäologe ist der bes-

Nach dem Nervenzusammenbruch und ihrer Flucht vor der Realität er- holt sie sich jedoch relativ schnell von den Schicksalsschlägen. Sie ist nun al- lein für sich und ihre Tochter verant- wortlich, aber überzeugt, dass sie das hinbekommen wird. 1928 erscheint ihr nächster Krimi, „Der blaue Express“, und als sie auf einer Party hört, dass Mesopotamien sehr interessant sein solle, steigt sie kurz darauf als frisch Ge- schiedene in der Victoria Station in den Orient-Express (auf die Tochter passt zu Hause die Tante auf), fährt 3300 Kilo- meter nach Istanbul und dann weiter mit dem Taurus-Express nach Bagdad. Ihr Ziel ist der irakische Ort Ur, wo der bekannte Archäologe Leonard Woolley mit seinem Team die Ausgra- bungen der frühdynastischen Königs- häuser durchführt. Eine Frau, die allein reist, zumal in den Orient, ist Ende der 1920er-Jahre ein Bruch mit den Kon- ventionen. Aber das schert Christie überhaupt nicht. Sie findet die archäolo- gischen Arbeiten so interessant, dass sie 1930 Woolley und seine Frau Katherine erneut im Nahen Osten besucht. Deren Assistent, „ein schlanker, dunkler jun-

22 P.M. HISTORY – OKTOBER 2025

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