P.M. History

Vergessene Großreiche

zurückzuführen ist. Zugleich aber ent- decken Forscher Hinweise, die auf eine Expansion der Indus-Kultur in dieser Zeit hindeuten. Dazu gehört neben der bereits erwähnten Neugründung Ka- linbangans die Gründung der Hafen- stadt Lothal im Süden, die ein wichtiger Handelsstandort wird. Und nicht zu- letzt vermuten Archäologen, dass viele der zahlreichen in den vergangenen Jahrzehnten entdeckten Städte genau in dieser Zeit gegründet worden sind. Die Entwicklung Kalinbangans – erst Aufgabe, dann Neuaufbau und Erwei- terung – könnte auf ein wechselndes Kriegsglück hindeuten. Nun stellt sich die Frage, wer eigent- lich gegen wen kämpft. Da am Ende dieser Phase die Bildung eines Groß- reichs steht, dürfte es sich um eine Art Bürgerkrieg innerhalb der Indus-Kul- tur gehandelt haben, der zu einem Zu- sammenschluss und einer Vereinheitli- chung führt. Das Zentrum dieses neuen

Reiches scheint wiederum Mohenjo- Daro zu sein – das kann darauf hindeu- ten, dass sich der südliche Teil, dessen Hauptort die Stadt ja bereits war, gegen die anderen militärisch durchgesetzt hat. Wir dürfen uns dieses neue Groß- reich allerdings nicht als einen festen Verbund vorstellen. Vermutlich war es ein loser Zusammenschluss, und es ist auch unklar, wie lange dieser hielt. Darauf weist die Existenz mächtiger befestigter Städte hin, die sich sicher nicht vollständig einer zentralen Macht unterworfen haben. Viele Erkenntnisse Allerdings geht das alles letztlich nicht über Mutmaßungen und Hypothesen hinaus, und das wird auch so lange so bleiben, bis es den Wissenschaftlern gelingt, die Schrift der Indus-Kultur zu entziffern. An dieser Aufgabe beißen sie sich bis heute die Zähne aus. Und ob

es dazu jemals kommen wird, steht in den Sternen. Doch über das Leben, die Wirtschaft, den Handel und die Kunst kann uns auch die moderne Archäo- logie viele Erkenntnisse vermitteln, und es steht zu hoffen, dass in Zukunft weitere hinzukommen. Was wissen oder zumindest ahnen wir mit einer gewissen Berechtigung? Klar ist, dass die Landwirtschaft wäh- rend der Phase der Harappa-Kultur, also zwischen 2600 und 800 v. Chr., in einem für damalige Verhältnisse hohen Maß entwickelt sein muss. Denn anders ist es gar nicht zu erklären, dass das Hinterland die Bewohner der Städte ernähren kann, die selbst ja kaum zur Erzeugung von Lebensmitteln beitra- gen. Gesichert ist die Erkenntnis, dass die Bauern den fruchtbaren Schlamm des Indus für den landwirtschaftlichen Anbau nutzen – wie es die Ägypter mit dem Nil machen. Sie arbeiten mit Pflü- gen, die möglicherweise von domesti-

Die Stadt des Wassers Dholavira im indischen Bundesstaat Gujarat gehört zu den bedeutendsten Städten der Harappa-Kultur. Sie ist vor allem wegen ihrer künstlich angelegten Wasserreservoirs bekannt, die die Bewässerung der Äcker erleichtern und die Stadt während der Monsunzeit vor Überschwemmungen schützen

,˜/45-*$)&#&$,&/ Das Wasser stammt aus den umliegenden Bächen und wird für die Landwirtschaft eingesetzt

(3044&31-"5; Ort für Versammlun- gen, Feste, religiöse Rituale und vielleicht auch für Märkte und Sportereignisse

/&6#"67*&35&- Weil die Bevölkerung stetig wächst, wird eine zweite Wohnge- gend gebaut

4$)65; Bei Über- TDIXFNNVOHFOŤJF›U das Wasser erst in die künstlichen Becken

80)/)€64&3 Die Gebäude sind an ein Entwässerungs- und Abwassersystem angeschlossen

"/'˜)3&3 Die Wohnhäu- ser der Elite sind nur über die Zitadelle zugänglich

;*5"%&--& Das politi- sche Zentrum der Stadt ist das älteste und wichtigste Gebäude der Stadt. Daher thront die Zitadelle auch über allen Gebäuden

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