Vergessene Großreiche
immer mehr Gebiete zur Gewinnung von Brennholz entwaldet. Ebenso kann der ständig wachsende Viehbestand zu einer Überbeanspruchung des Weide- landes geführt haben. Jedenfalls kommt es seit dem 18. Jahrhundert v. Chr. zu einem starken Rückgang der Nieder- schläge. Erst um 1000 v. Chr. steigen sie wieder an. Aber das ist viel zu spät für den Erhalt der Indus-Kultur. Viele Geheimnisse Diese Entwicklung hat nämlich eine dramatische Folge: Die Landwirtschaft kann die Menschen in den Städten nicht mehr ernähren, und da der Aus- tausch zwischen Städten und Hinter- land kaum noch funktioniert, sind die Landbewohner auch immer weniger bereit, den Städtern ihre Produkte zu liefern. So sehen sich im Laufe weniger Jahrzehnte viele der Stadtbewohner ge- nötigt, die Städte zu verlassen und auf das Land zu ziehen. In der Folge sterben die Städte nach und nach aus, und man- che werden vollständig aufgegeben. Zuerst – und besonders stark – sind ge- rade die beiden wichtigsten Großstädte
So ist also für die späte Harappa- Kultur ein rapider Verfall des städti- schen Lebens, geprägt von Knappheit an Lebensmitteln, Stadtflucht und einem Rückgang des inneren und äu- ßeren Handels, festzustellen. Diese Entwicklung ist schließlich nicht mehr aufzuhalten. Schon im 17. Jahrhundert v. Chr. sind die meisten Städte verfal- len oder haben sich zu kleinen Dörfern zurückentwickelt. Der Boden ist nun bereitet für eine weitere Kultur, die über den Hindu- kusch nach Nordwestindien einwan- dert: die Arya. Doch das ist eine andere Geschichte. Was bleibt, ist die Erkennt- nis, dass die Indus- oder Harappa-Kultur eine faszinierende, bis vor 100 Jahren unbekannte, gut entwickelte Hoch- kultur ist, die noch viele Geheimnisse birgt – darunter ihre Schrift. Es gibt also noch viel zu tun für Archäologen und Historiker.
6/(&-45 Bisher ist es noch nicht gelungen, die Schrift der Harappa-Kultur zu entschlüsseln
Mohenjo-Daro und Harappa davon be- troffen. Man kennt auch aus anderen Epochen und Regionen den Tatbestand, dass Großstädte ohne ausreichende Erträge ihres Hinterlandes nicht mehr lebensfähig sind. Die Städte des Industals verlieren nun außerdem untereinander mehr und mehr die Verbindung, konzentrie- ren sich stärker auf die eigenen Belan- ge und entwickeln sich fortan immer eigenständiger, was zu einer gegen- seitigen Entfremdung führt. Und nicht zuletzt geht auch der so wichtige Au- ßenhandel mit anderen Regionen in dieser Zeit stark zurück.
"SNJO'VISFS lebt und arbeitet als Historiker, Buchautor und freier Journalist in Berlin. Sein Schwerpunkt liegt auf der jün- geren deutschen Geschichte.
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P.M. HISTORY – OKTOBER 2025 41
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