Schweiz
Doch dann erreicht ihn die Nachricht, die britische Marine habe das Schiff beschlagnahmt. Die Briten haben den Sklavenhandel bereits 1807 verboten und verfolgen seither all jene Seefahrer, die dieses Verbot missachten. Der Kaufmann glaubt sich ruiniert und verfällt in Depression. In einem Brief an die Familie bezeichnet er sich als „boshaften Menschen“, der zu wenig Zeit auf Philosophie und Literatur ver- wendet habe. Über das Schicksal der Sklaven schreibt er nichts. Im Oktober 1815 nimmt er sich das Leben. D ie Burckhardts ziehen sich wie andere Schweizer Familien all- mählich aus dem Geschäft mit Kolonialwaren und Menschen zurück. Ihr Geld investieren sie nun vor allem in die heimische Industrie. Aus Basels Ma- nufakturen werden Großbetriebe, die
ren aus religiösen Gründen. Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution 1789 kommen die Geschäfte vorüberge- hend zum Erliegen. Christophe Bourcard gibt die Hoff- nung dennoch nicht auf. Er rechnet mit einer Wiederaufnahme des Drei- eckshandels nach der Revolution. Tat- sächlich hebt Frankreichs Machthaber Napoleon 1802 das Verbot der Sklaverei wieder auf. Doch Christophe Bourcards Geschäfte geraten immer wieder zu schweren Fehlschlägen. Nach dem Tod seines Vaters 1812 hilft ihm das Erbe eine Zeit lang, seinen Lebensstil auf- rechtzuerhalten. Dann aber benötigt er dringend einen finanziellen Erfolg. 1814 stechen die Sklavenschiffe wieder in See. Bourcard beteiligt sich mit 5000 Francs an einer Fahrt der „Le Cultivateur“, eines Seglers, der 450 Ver- schleppte in die Karibik bringen soll.
Textilien, Tabak- und Chemieprodukte produzieren. Die Verstrickung der Schweizer in Sklavenhandel, Sklaverei und Kolonia- lismus wird totgeschwiegen und gerät mit der Zeit in Vergessenheit. Obwohl bereits 1932 eine Studie Licht auf dieses Kapitel der eidgenössischen Geschichte wirft, wird es weitgehend ignoriert. Bis die Familie Burckhardt ab 1971 das Jahrzehnte zuvor bei Abrissarbei- ten ihres Geschäftssitzes nahe dem Rheinufer aufgefundene Firmenarchiv für die Forschung freigibt – und damit detaillierte Einblicke in das blutige Erbe der Eidgenossenschaft ermöglicht.
Dominik Bardow schrieb zuletzt in P.M. History 10/2022 über den Aufstieg und Fall von Johann Struensee im Dänemark des 18. Jahrhunderts.
WOHLSTAND Am Münsterplatz zeigen die führenden Familien Basels ihren Reichtum. Dort lassen sie sich prachtvolle Residenzen errichten
P.M. HISTORY – FEBRUAR 2024 43
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