P.M. History

Mittelmeer

Nildelta

wesen zum Vorschein. Wir geben dieser Region ihre Identität und ihre Geschich- te zurück. Es ist nicht vermessen zu sagen: Das Reich von Kusch muss sich nicht verstecken, nicht hinter Ägypten und nicht hinter sonstigen vermeintlich „großen“ Reichen und Zivilisationen. Es kann als ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen gelten. Die ausgegrabenen Schätze und Keramiken Nubiens lassen sich teils auf 8000 v. Chr. datieren. Und sind damit weit älter als die Artefakte aus Ägyp- ten. Statt Abhängigkeit zu behaupten, zeichnen die Archäologen heute das Bild einer eigenständigen kuschiti- schen Kultur und erkennen die origi- näre Bedeutung des Reiches als Mittler zwischen dem Mittelmeerraum und dem Inneren Afrikas an. Im Schatten Ägyptens Auch dank Bonnets Ausgrabungen lässt sich heute das Reich von Kusch relativ sicher periodisieren. Man weiß jetzt, dass es mit einer gewissen Staat- lichkeit und Kerma als Regierungssitz schon ab etwa 2500 v. Chr. bestanden haben muss. Und dass seine Rivalitä- ten mit Ägypten immer wieder in lan- gen und blutigen Kriegen gipfeln. Um 1550/1450 v. Chr. greifen die Ägypter an und unterwerfen den Nachbarn für Jahrhunderte. Ab 750 v. Chr. drehen die Nubier den Spieß um und erobern Ägypten. Das wiederum wollen die Ägypter nicht hinnehmen und schlagen rund 100 Jahre später zurück. Das Reich von Kusch hört nicht mit einem großen Knall auf, sondern zer- fällt nach und nach gegen Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. Es währt also nahezu drei Jahrtausende und damit länger als das Reich der ägyptischen Rivalen im Norden, das nach Cäsar und mit Augustus schon um 30 v. Chr. zur römischen Provinz herabsinkt. Kusch hingegen ist resilienter, kann sich ab- seits der mediterranen Zentren länger halten, auch weil es klimatisch im Ver- gleich zu heute begünstigt ist. Eine afrikanische Hochkultur ne- ben den Ägyptern? Das halten die dün- kelhaften Europäer des 19. Jahrhun-

Sais

Heliopolis

Memphis

Sinai

Unterägypten

Henen-Nesut

Arabische Halbinsel

Chemenu

Oberägypten

Tjeny

Karnak

Rotes Meer

Theben

Assuan

1. Katarakt

L i b y s c h e Wü s t e

Abu Simbel

Qasr Ibrim

Unternubien

2. Katarakt

Semna

Sai

Sedeinga

Nu b i s c h e Wü s t e

3. Katarakt

Kawa Kerma

4. Katarakt

Napata

Nuri

5. Katarakt

GROSSREICH Auf dem Höhe- QVOLUTFJOFS Macht reicht EBT3FJDIWPO ,VTDIWPO0CFS - OVCJFOJN4¸EFO CJT[VN.JUUFM - NFFSJN/PSEFO

El Kurru

Obernubien

KUSCH- REICH

Meroe

6. Katarakt

Naga

Kerngebiet des Kusch-Reichs Größte Ausdehnung des Kusch-Reichs

0 km

200

derts für unvorstellbar. Denn Bonnet, der aufgeklärte Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, ist nicht der erste Neuzeitmensch, der im heutigen Sudan graben lässt. Lange vor ihm, schon Mit- te der 1830er-Jahre, legt der Italiener Giuseppe Ferlini Hand an die nubischen Stätten und das noch weiter im Süden des Landes, in Meroe, südlich noch des

fünften Katarakts, jener aus Felsen be- stehenden Flussschwellen im Nil zwi- schen Assuan und Khartum. Allein auf Gold aus, lässt Ferlini die Pyramide der Königin Amanishakheto abtragen, um schließlich herauszufinden, dass die Kuschiten-Herrscherinnen und -Herr- scher nicht in ihren Pyramiden bestat- tet liegen, sondern darunter.

53 P.M. HISTORY – OKTOBER 2025

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