P.M. History

Vergessene Großreiche

RÄTSELHAFT Im 3. Jahrhun- EFSUW$ISFOUXJDLFMOEJF,V - TDIJUFOEJFNFSPJUJTDIF4DISJGU - U

viel steiler und kleiner als die Vorbilder aus dem Norden und längst nicht nur den Königen vorbe- halten. Auch finden sich keine Hinweise mehr auf Mumifizierungen. Wirt- au

Gliedmaßen, schlagen ihre Nasen und königliche Abzeichen ab. Die Ägypter empfinden es als Schmach, zum ersten Mal in ihrer Ge- schichte von Eroberern regiert zu wer- den. Psammetich nutzt die Gelegenheit, um alte Rechnungen mit den Kuschiten zu begleichen: Die „frechen Nubier“ haben sich erdreistet, auf dem Pharao- nenthron Platz zu nehmen. Jetzt sollen sie dafür bezahlen. Es ist die Eskala- tion einer 3000-jährigen Rivalität zwi- schen Ägypten im Norden und seinem schwarzafrikanischen Nachbarn im Sü- den, die sich lange angestaut hat. Durch fremde Augen Damit geht eine eigentlich gewinnbrin- gende und sich gegenseitig befruchten- de Phase nach nicht langer Zeit zu Ende. Denn gerade unter den „schwarzen Pharaonen“ erlebt Ägypten eine kultu- relle Renaissance, an die Zeiten des al- ten Reichs anknüpfend, also ungefähr an 2700 bis 2200 v. Chr., in der auch die Pyramiden von Gizeh entstehen. Der Gebel Barkal, der „reine Berg“, eines der höchsten Heiligtümer der Ägypter, liegt in Nubien. Dort nimmt auch Amun, der ägyptische Hauptgott, sei- ne Widdergestalt an, vermutlich nach dem Vorbild einer vergessenen altnu- bischen Gottheit. Umgekehrt verehren

die Kuschiten jetzt ägyptische Götter. Trotz der Nieder- lage ist das Reich von Kusch noch lan- ge nicht am Ende. Vielmehr kann es er- - h - . er- t

schaftlich blüht der Handel auf, der über das Rote Meer bis nach Indien und China reicht. Die in Meroe vielfach aus- gegrabenen Schmelzöfen sind Zeugnis der dortigen Metallindustrie. Später, in Anlehnung an die industrielle Revolu- tion in Europa, wird man die Stadt auch das „Birmingham von Afrika“ nennen. Die Fixierung auf den ägyptischen Ri- valen nimmt ab. Die Kuschiten können sich jetzt sogar in den Austausch mit Rom begeben. Neue Invasoren Der Einfluss der Frauen steigt, gerade mit den Kandaken, den Königinnen des Reiches. Eine solche Kandake ist Ama- nirenas. Sie regiert mit ihrem Mann Te- riteqas, als die Römer sich zu den neuen Herren in Ägypten emporschwingen und unter Augustus das Land militä- risch besetzen. Amanirenas mobilisiert gegen die Invasoren, dringt ihrerseits in Ägypten ein und nimmt als sym- bolträchtige Beute sogar einen bronze- nen Augustus-Kopf mit nach Hause. Und obwohl römische Quellen vom Sieg berichten, gar von der Eroberung Napatas, kommt es zu Friedensver- handlungen. Diese besiegeln, dass Rom etwa 100 Kilometer Niltal abtreten muss. Welche Schmach für die eitlen Invasoren, gegen ein „Weib“ wie Ama- nirenas zu verlieren. Für die Römer ist die nubische Streitmacht nur ein „Heer von Wilden“. Dabei sind die Nubier schon eine Hochkultur, lange bevor Rom 753 v. Chr. gegründet wird. Erneut vergleichsweise viel über die Kuschiten wissen wir, nachdem diese mit einer auf Schriftlichkeit fixierten Großmacht wie Rom in Berührung kommen. Danach aber verliert sich die Spur wieder. So ist über die letzte Phase des Reichs von Kusch, also die ersten Jahrhunderte n. Chr., nur wenig bekannt. Kriegerische Auseinanderset-

neut knapp 1000 weitere Jahre beste- hen, zunächst mit der Stadt Napata als Zentrum. Noch weiter nach Süden zu- rückgezogen, verlagern die Kuschiten den Regierungssitz dann etwa ab 250 v. Chr. nach Meroe und erleben aber- mals eine Blütezeit. Über Jahrtausende ist ihnen das ei- gene Image eher unwichtig. Die münd- liche Überlieferung hat Vorrang vor der schriftlichen. Einzigartig für Hoch- kulturen ist das Fehlen einer eigenen Schrift. Erst jetzt, in Meroe, entwickeln sie diese. Sie ersetzen die 800 ägyp- tischen Hieroglyphen durch 23 Kur- sivbuchstaben. Doch die meroitische Schrift ist bis heute erst in Ansätzen entziffert. Sie ist zwar lesbar, aber nicht übersetzbar. Deshalb stammt das meis- te Wissen über die damaligen Verhält- nisse von den Ägyptern, Assyrern und Griechen. Das Nubier-Image ist so meist nur ein Spiegelbild fremder Augen. In der Meroe-Phase ist die Abgren- zung gegenüber Ägypten größer denn je. Zwar entstehen auch in dieser Zeit zahlreiche Pyramiden. Doch sie sind

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56 P.M. HISTORY – OKTOBER 2025

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