1898 wurden beim Bau der Uganda-Bahn am Fluss Tsavo im heutigen Kenia immer wieder die zerfetzten Überreste von Arbei- tern gefunden. Die Tä- ter waren schnell iden- tifiziert: Zwei Löwen machten in der Region Jagd auf Menschen
E s ist eine Szene wie aus einem Horrorfilm: „Der Boden war überall mit Blut, Fleischfet- zen und Knochen bedeckt, aber der Kopf des unglückli- chen Jemadar war […] intakt geblieben und lag ein kleines Stück von den ande- ren Überresten entfernt, mit weit auf- gerissenen Augen, die einen erschro- ckenen, entsetzten Blick zeigten. […] Es war der schauerlichste Anblick, den ich je gesehen hatte.“ Der Verfasser dieser Zeilen war der britische Offizier John Henry Patterson. Als Soldat und Jäger in Südafrika und Indien hatte er schon viel erlebt. Aber was sich von März bis Dezember 1898 am Fluss Tsavo im heutigen Kenia ab-
spielte, brachte sogar den erfahrenen Abenteurer fast um den Verstand. In einem Camp der Uganda-Bahn, wo Pat- terson als Ingenieur tätig war, sorgten zwei Löwen für Angst und Schrecken. Je nach Schätzung töteten und fraßen die Raubtiere mehr als 130 Arbeiter und Eingeborene. Heute sind sie als die „Menschenfresser von Tsavo“ bekannt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die europäischen Mächte mitten im „Wettlauf um Afrika“, wie die Hoch- phase der Kolonialisierung des afrika- nischen Kontinents von 1880 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 auch genannt wird. Auf der Berliner Kon- ferenz teilten sich die Länder Europas 1884 Afrika untereinander auf – ohne
Von Martin Arnold
AUF MENSCHEN Ŵ JAGD
74 P.M. HISTORY – OKTOBER 2025
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