P.M. History

Tote“ beschreibt Londres jene, die ihm hier vorgeführt werden: „Zwanzig Tage im Monat verbringen sie in einem völ- lig dunklen Verlies und dann zehn Tage – weil sie sonst erblinden würden – in einem halbdunklen Kerker. Ihre Kost: zwei Tage nur trocken Brot, am dritten Tag gibt’s eine normale Ration.“ D ie Nacht verbringen die Insas- sen in Ketten, auf dem Rücken ausgestreckt auf einer Planke, um sich herum totale Stille. Allein mit ihren Gedanken. Und in der ständigen Ahnung, hier nicht lebend herauszu- kommen, also „im Hai zu enden“. Wer auf den „Inseln des Heils“ stirbt, wird nämlich nicht begraben, sondern be- kommt eine „Seebestattung“, wie es offiziell heißt. Tatsächlich tummelt sich an der Stelle, wo die Leichen dem Meer übergeben werden, ständig eine große Anzahl von Haien an der Wasserober- fläche. Diese Welt des Grauens hat ihre ei- genen Stars. Unter ihnen Männer wie der Anarchist Paul Roussenq, Sträfling

Späte Gerechtigkeit Fast fünf Jahre, von 1895 bis 1899, verbrachte der wegen angeblichen Hochverrats

offenen Brief veröffentlicht. Darin bewies der Autor nicht nur Dreyfus’ Unschuld, er nannte sogar den Namen des wahren Verräters und deckte zudem eine Verschwörung konservativer Politiker und der durch reaktio­ nären Korpsgeist geprägten Armeeführung zur Vertuschung des Justizirrtums auf. Die „Affäre Dreyfus“ teilte Frankreich in zwei Lager und machte sichtbar, wie verbreitet der Anti- semitismus auch in der als liberal geltenden III. Republik war.

verurteilte Armee-Hauptmann Alfred Dreyfus auf der Teufels­ insel. Dort war ihm sogar das Sprechen untersagt, außer mit sich selbst. Seine Rehabilitierung und Rückkehr nach Frankreich verdankte der elsässische Jude ebenfalls einer Enthüllungs- recherche. Der Schriftsteller Émile Zola hatte in der Tageszei- tung „L’Aurore“ unter dem Titel „J’accuse“ („Ich klage an“) einen

TRUGBILD Aus der Ferne mag die Insel Royale idyllisch wirken – für die hier Gefangenen wurde sie zu einem Ort des Grauens

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