Die Löwen von Tsavo
Hals gepackt und verschleppt, wie Zeu- gen berichteten. Am Morgen folgte Patterson der Blutspur und fand die zerfetzte Leiche. Die Spuren neben den Überresten ließen keinen Zweifel: Löwen hatten den Aufseher gefressen. „Ich schwor an Ort und Stelle, dass ich keine Mühen scheuen würde, um die Gegend von den Bestien zu befreien“, schrieb Patterson später. Die Jagd beginnt Noch am selben Tag richtete er sich auf einem Baum in der Nähe ein, um nachts Wache zu halten und die Löwen zu er- legen. Doch die Raubtiere hatten eine effektive Taktik entwickelt: Sie schlu- gen jedes Mal an einem anderen Ort zu. Und da die Lager der Bahnarbeiter über eine Strecke von 13 Kilometern verteilt waren, war es fast unmöglich, den Ort des nächsten Angriffs vorherzusagen.
bei gutem Wetter der Gipfel des Kili- mandscharo-Massivs hervor. Doch die schöne Landschaft trügt … Bereits wenige Tage nach seiner An- kunft hörte Patterson zum ersten Mal von den Menschenfressern. In den letz- ten Monaten seien immer wieder Kulis von Löwen nachts aus deren Zelten ver- schleppt und gefressen worden, wie ei- nige der Arbeiter berichteten. Patterson glaubte die Geschichten zunächst nicht. Schließlich kommt es sehr selten vor, dass Löwen Menschen jagen und fres- sen. Kurz darauf verschwanden dann zwei Kulis. Doch Patterson war sich sicher, dass die beiden wegen ihres an- gesparten Lohns von anderen Arbeitern getötet worden waren. Drei Wochen später konnte Patter- son die Anwesenheit der Löwen jedoch nicht mehr leugnen. Eines Nachts hat- te eines der Raubtiere einen indischen Jemadar (Aufseher) in dessen Zelt beim
Also hatten die Menschenfresser auch in dieser Nacht Erfolg. Die Löwen tagsüber aufzuspüren, hätte keinen Sinn gemacht. Dafür war das Dickicht um das Camp viel zu dicht. Ehe Patterson die Raubkatzen gesehen hätte, hätten sie ihn schon längst ange- griffen und getötet. Zumal schleppten die Löwen ihre Opfer oft zum Fluss oder auf felsiges Gebiet, von wo man deren Spuren nicht weiterverfolgen konnte. Anfangs waren die Raubtiere noch vorsichtig, mit der Zeit und Erfah- rung wurden sie aber immer dreister. „Schüsse, Schreie und Feuerbrände wurden von ihnen gleichermaßen ver- höhnt“, berichtete Patterson. Und auch sogenannte Bomas, meterhohe Dor- nenzäune, die um die Lager angelegt wurden, hielten die Löwen nicht auf. Sie sprangen über die Zäune hinweg oder durchbrachen sie. Oft hingen am Morgen nach einem Überfall noch Fet-
KNOCHENJOB Der Bau der Bahn war eine sehr beschwer- liche Aufgabe für die afrikanischen und indischen Arbeiter
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