Sprengsatz
Die Jugend war niemals
frecher!
Thomas Barnes (1571–1630)
D ieser Vorwurf begleitet die Menschheit seit der Antike. Je- de Generation glaubt, dass die ihr nachfolgende unterlegen und verdorben, faul und korrumpiert ist. Schon Sokrates (469–399 v. Chr.) klag- te in Platons Dialogen, junge Menschen missachteten alte Werte und verhielten sich ungebührlich. Auch im Römischen Reich war die Angst vor dem morali- schen Verfall der Jugend verbreitet: Der Dichter Juvenal schrieb um 100 n. Chr. in seinen Satiren spöttisch über die „Verwöhnung“ und den Verfall der jungen Römer. Im Mittelalter wandten sich Geist- liche gegen das „lüsterne“ Tanzen bei Volksfesten, das sie als Zeichen von Sittenverfall werteten, und die Franzö- sische Revolution brachte eine Jugend hervor, welche die alten Hierarchien radikal infrage stellte und von Älteren als „gefährlich“ empfunden wurde. Im 20. Jahrhundert dann wurden Rock-’n’-Roll-Tänze und später das rebellische Verhalten bei Punk- oder Hip-Hop-Konzerten als „Jugendver- derbnis“ verteufelt. Oft standen neue Technologien im Zentrum der Sorgen um die Jugend: Romanen, Radio, Fernsehen, Internet und den sozialen Medien hatte man eine zersetzende Wirkung zugespro- chen. Was davon berechtigte Anteil- nahme und was Ausdruck der Angst vor Wandel und Generationenkonflikt ist – die Geschichte wird es zeigen.
„Der grenzenlose Mutwille der Jugend ist ein Zeichen, dass der Weltuntergang nah bevorsteht.“ nach Melanchton, um 1530 „Noch nie war die Jugend so großen Gefahren von Perversion und Stillstand ausgesetzt [...]: durch urbane Versuchungen [...] und eine abnehmen- de Sinnesbindung G¸S1ŤJDIUVOE Disziplin.“ Granville Stanley Hall, „Die Psychologie der Jugend“, 1904 „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“ Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v. Chr.
„Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter steht wider die Mutter, die Schwieger- tochter wider die Schwiegermutter.“ Micha 7, Altes Testament, um 725 v. Chr. „Die Kinder lieben Luxus; sie haben schlechte Manieren, Verachtung vor Autoritäten, zeigen Respektlosigkeit gegenüber den Alten und schwätzen lieber, als sich zu bewegen.“ Sokrates (5./4. Jahrhundert v. Chr.) „Fehlende Disziplin, mangelnde Leistungs- bereitschaft, geringe Belastbarkeit – die Azubis machen unseren Unter- nehmen Sorgen.“ DIHK-Chef Hans Heinrich Driftmann, 2011
P.M. HISTORY – OKTOBER 2025 98
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