SERVE AND MULTIPLY 3/2020 l focus
A M S g l o b a l l
INHALT Frauen im Einsatz
...ganp zersönlich:
EDITORIAL
Wichtige Themen – zu wenig besprochen
Als wir diesen Focus Anfang Jahr planten, war die Corona-Pandemie praktisch noch kein The- ma. Als wir imMärz die ersten Texte von unseren Mitarbeitenden erhielten, ging es gerade los – und auf einmal stand gefühlt die ganze Welt still. Zuerst schnellten die Zahlen der Infizierten in Europa in die Höhe, diverse Gesundheits- systeme waren überlastet. Dann erreichte das Vi- rus unsere Einsatzländer – und damit Länder mit sehr fragilen Gesundheitssystemen und oftmals katastrophalen hygienischen Zuständen. Unsere Arbeit vor Ort veränderte sich innerhalb weniger Tage komplett. Plötzlich standen Sensibilisie- rung und Nothilfe im Zentrum, die Versorgung von Menschen, die wegen der Ausgangssperre keinen Verdienst und kein Essen mehr hatten. Einige Mitarbeitende mussten nach Hause kom- men, Projekte vorübergehend unterbrochen werden. Das Thema «Frauen» bleibt relevant Es war höchst ungewiss, wie sich die Lage entwi- ckeln würde – sowohl in Europa als auch in un- seren Einsatzländern. Wir fragten uns: Können wir in einer solchen Ausnahmesituation über- haupt einen Focus zu einem ganz anderen The- ma produzieren? Schnell waren wir uns einig: Ja, denn unsere Arbeit vor Ort bleibt wichtig und geht weiter, wenn auch vorübergehend etwas anders. Und: Ja, denn das Thema «Frauen» ist und bleibt aktuell und relevant. Eine Momentaufnahme Gleichzeitig entschieden wir uns, auf den nächsten Seiten ein paar Einblicke zu geben, was das Coronavirus in unseren Einsatzlän- dern auslöste und was das für unsere Arbeit bedeutete. Die Berichte in diesem Focus sind eine Momentaufnahme – derzeit verändert sich die Lage in Europa und weltweit von Tag zu Tag. Was für ein Vorrecht, zu wissen, dass Gott in all dieser Unsicherheit mit uns unter- wegs ist – und wir sind enorm dankbar, dass Sie diese Zeit mit uns durchstehen und mit uns weiterhin einen Unterschied vor Ort machen!
Während unseres dreimonatigen Einsatzes im Lighthouse merkte ich, dass die Mädchen in Kambodscha oft nicht darüber aufgeklärt werden, was mit ihnen in der Pubertät geschieht. Sie schämen sich, wenn sie das erste Mal ihre Tage bekommen, und nicht selten erschrecken sie, weil sie gar nicht darauf vorbereitet sind. Es war mir ein Anlie- gen, die Jugendlichen im Lighthouse zu informieren und Klartext zu reden. Zusammen mit anderen Volontärinnen sowie Somaly, der Frau von Lukas Bernhardt, der das Pro- jekt leitet, machte ich mich an die Vorbereitungen. Es war uns wichtig, dass wir mit Somaly eine Kambodschanerin dazugewinnen konnten, die genau wusste, wie wir ein so sensibles Thema in einer Schamkultur angehen können. Darüber reden und einen guten Umgang finden Mit Erklärungen, was biologisch im Körper während der Pubertät vorgeht, bereiteten wir die Studentinnen auf das Thema vor. Ein lebhaftes Theater sorgte für herzhaf- te Lacher: Eine Volontärin stellte ein Mädchen dar, das ihre Tage bekommt und nicht weiss, was zu tun ist. Wir gaben ihr mit Augenzwinkern gutgemeinte Ratschläge: viel Grünzeug essen, Maxi-Windeln anziehen, oder viel- leicht doch lieber einen Handstand machen? Leider half ihr dies nicht weiter und sie verzweifelte immer mehr. Wir sprachen dann mit den jungen Frauen darüber und auch über die Möglichkeiten, die Regelschmerzen mit- tels Wärmebeutel oder Tees zu lindern. Zudem themati- sierten wir die Hygieneartikel. Wir stellten fest, dass trotz der Verfügbarkeit von modernen Hygieneartikeln doch einige Studentinnen auf Stofffetzen zurückgreifen, da die in der Schweiz bekannten Artikel verhältnismässig teuer sind – für viele zu teuer. Wir konzentrierten uns daher vorerst auf die grundlegenden Hygienemassnah- men wie Händewaschen, das Verwenden sauberer Tü- cher und so weiter. Dadurch ergab sich ein entspannter und offener Austausch über Themen, die alle Frauen auf der Welt betreffen. Mir wurde auch bewusst, dass wir Schweizer oft das Gefühl haben, wir hätten die ideale Lösung für alle parat. Doch letztlich kam in mir doch der leise Zweifel auf, ob sie nicht besser mit ihren eigenen Mitteln bedient sind – denn bei vielen unserer Artikel ist die richtige Hygiene letzten Endes das A und O, was in Kambodscha leider nicht immer gewährleistet werden kann.
Sarah Brühwiler, Co-Leiterin Kommunikation
Xenia Krähenbühl war als Kurzzeiterin im Lighthouse Battambang, Kambodscha
PS: Aktuelle Informationen und Geschichten fin- den Sie jederzeit unter www.sam-global.org/blog
3/2020
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Als Corona
bei uns ankam
kehren. Wir wollen vorsichtig sein und uns und andere schützen – aber wir haben keine Angst vor der Krankheit. Wir führten Gespräche mit der Kirche, mit den Nachbarn, den Freunden und dem Personal im Spital CHRS. Es wur- den Informationsmaterialien erstellt, verteilt und erklärt. Des Weiteren haben wir Hände- waschstationen im Hof aufgestellt. Diese haben auch signalisierende Wirkung, denn die Einwohner in und um Macenta kennen diese Stationen nur zu gut: Während der Ebola-Epide- mie 2014 waren diese überall verteilt. Da Macenta als Epizentrum von Ebola galt, haben die Leute hier teilweise Er- fahrung mit einer Epidemie und sind entsprechend sensibilisiert. Einerseits hilft das jetzt, denn viele, auch unser Team, haben Ebola damals miterlebt und wissen, wie entscheidend es ist, sich an Anweisungen zu halten. An- dererseits ist es nun umso aufwän- diger, dass sie verstehen, dass sich Corona ganz anders verhält als Ebola: Die Übertragung ist einfacher und schneller, die Symptome sind, wie auch der gesamte Krankheitsverlauf, anders. Im Spital CHRS haben wir angefan- gen, zusätzliche Wartebänke und Händewaschstationen aufzustellen, haben «Spuckschutzscheiben» an Kasse und Apotheke installiert. Die Patienten werden auf Aufenthaltsor- te und Symptome befragt. Aber all das kostet uns nicht nur zusätzlichen Aufwand, es gibt auch Mehrkosten. Und: Woher erhalten wir die ohne-
Für uns stand vor allem die Frage im Zentrum: Wie können wir dazu beitragen, die Menschen vor die- semVirus zu schützen? Die Leute informieren und ihnen auf- zeigen, wie sie sich schützen können, ist grundsätzlich möglich. Doch wie kann man Social Distancing einhal- ten, wenn man für die Aufklärung mit dem Taxi in die Dörfer fahren muss, wo die Menschen einen zuerst herz- lichst umarmen und dann das Essen mit einem teilen? Auch darf man die Kultur in Westafrika nicht unterschät- zen. Hier kann es als sehr grosse Be- leidigung angesehen werden, wenn man beispielsweise bei einem Krank- heitsfall nicht sofort den Kranken und dessen Familie besucht, um seine Genesungswünsche per Handschlag oder Umarmung auszudrücken. Und: Ist es nicht menschlich, dass man sich in einem solchen Fall erst einmal «nur» Gedanken macht und keine der Anregungen direkt in die Tat umsetzt, bis man die Auswirkungen und Ge- fahren des Virus sieht? In der Hoffnung, die Phase der Wis- sensaufnahme bis zur Umsetzung zu beschleunigen, haben wir als Team bereits Mitte März erste Massnahmen getroffen. Wir wollten den Leuten zei- gen, wie man mit der Situation leben kann und dass wir nur helfen wollen – um eventuell Leben zu retten. Das war auch, wie bereits bei Ebola 2014, einer der Hauptgründe, wes- halb wir uns entschieden, als gesam- tes Team vor Ort zu bleiben und nicht vorzeitig in die Schweiz zurück zu
im gleichen Hof überhaupt Social Dis- tancing einhalten? Wie kann man die Kinder von anderen Personen fern- halten? Und bringt die nun angeord- nete Maskenpflicht überhaupt etwas und müsste man die unangenehmen Masken hier nicht sogar rund um die Uhr tragen? Das Leben spielt sich in Afrika auf der Strasse ab. Das oft viel zu kleine Haus wird meist nur zum Schlafen genutzt. Gekocht und gegessen wird draussen, und auch das «Badezim- mer» befindet sich ausserhalb – und wird meist von mehreren Haushalten gemeinsam genutzt. Wie soll man das eingrenzen? Händewaschen und Desinfizieren ist nur möglich, wenn man Zugang zu sauberem Wasser, Seife und Desinfektionsmittel hat. Und was ist eigentlich mit der Le- bensmittelversorgung? Die Märkte sind derzeit noch offen, aber eine Schliessung ist nicht ausgeschlos- sen. Das wäre verheerend, denn die meisten Einwohner können wegen des geringen Einkommens nur von Tag zu Tag leben. «Hamstern» ist hier kaum möglich, aber dennoch ei- gentlich nötig, denn: Stellt der Staat wirklich im Ernstfall eine Grundver- sorgung sicher, nachdem jetzt schon der Import gestoppt wurde? Bei einer Schliessung würden auch all «unsere Marché-Frauen» ihre Arbeit und da- mit ihre Lebensgrundlage verlieren. Doch wie bleibt man auf einem viel zu engen, dreckigen und überfüllten Markt auf Distanz?
hin schon knappen, medizinischen Schutzmasken für die Tuberkulose- Behandlungen? Wir verzeichnen bereits jetzt einen erheblichen Rückgang bei den Pa- tienten , denn viele meiden derzeit Spitäler. Dadurch gibt es Patienten, die nun ihre oft überlebenswichtige Behandlung (zum Beispiel HIV) unter- brechen oder eine eventuell tödliche Malaria nicht testen lassen, aus Angst, es sei Corona. Gerade in ländlichen Gebieten wiegt die Angst grösser als das Bewusstsein für die eigene Ge- sundheit. Derzeit gibt es ein Gesundheitszent- rum ausserhalb von Macenta, dass für die Aufnahme von Corona-Verdachts- fällen zuständig ist. Getestet werden kann jedoch nur im 800 Kilometer entfernten Conakry. Aber bei allen getroffenen Vorberei- tungen und Massnahmen – schluss- endlich ist die Ausbreitung, der Hö- hepunkt und das Ende der Pandemie in einem Land wie Guinea unbere- chenbar … Wir beten und hoffen, dass es einigermassen glimpflich für alle ausgeht. Die Auswirkungen wird man hier, ebenso wie im Rest der Welt, wahrscheinlich noch lange Zeit spüren.
Ende März verbreitete sich das Co- ronavirus nach und nach auch auf dem afrikanischen Kontinent – und erreichte Guinea. Christina Amann, Kurzzeiterin im ProESPOIR, berich- tet, wie sie diese erste Zeit erlebt hat: «Die Krankheit der Europäer» – so oder so ähnlich wird Corona hier ge- nannt. «Uns kann das nicht treffen.» «Wir werden nicht krank.» Das wa- ren die ersten Aussagen, als Coro- na-Nachrichten hier ankamen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, sind die Reaktionen sehr ähnlich wie zu Be- ginn in vielen anderen Ländern, auch in Europa. Es ist Mitte April 2020 in Macenta, Guinea. Wir befinden uns noch ganz am Anfang der Pandemie. Auch wir als Team vom ProESPOIR haben uns erst einmal mit dem Virus, den Ge- gebenheiten in Europa, den Vorkeh- rungen und Auswirkungen auseinan- dersetzen müssen – und machen dies jeden Tag aufs Neue. All das, was in Europa schon seit län- gerem umgesetzt wird – Ausgeh- verbot, Ausgangsbeschränkungen, Ladenschliessungen, Gruppenver- meidung – gilt nun auch hier. The- oretisch. Denn ist so etwas in einem Land wie Guinea überhaupt möglich? Kann man hier ohne Internet und ohne Strom Homeoffice machen? Wie überlebt man ohne Einkommen, ohne Reserven und ohne staatliche Unterstützung? Kann man bei Famili- en von teilweise mehr als 40 Personen
Christina Amann, Kurzzeiterin im ProESPOIR
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Coronavirus: So konnten unsere Teams helfen
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Als Frau im Einsatz Daniela: Meine Hauptaufgabe ist das Begleiten einer Pri- mar- und Oberstufenschule. Ich unterstütze den Buchhalter und den Direktor der Schule. Regelmässig erzähle ich bibli- sche Geschichten in den Primarklassen oder begleite den Klassenlehrer dabei. Zu Hause erteile ich einigen Nachbars- kindern Nachhilfeunterricht und spiele und bastle mit ihnen. In der Gemeinde bin ich für die Sonntagschularbeit zustän- dig. In jede meiner Aufgaben bin ich «hineingerutscht» oder «hineingewachsen»: Die Kinder liegen mir am Herzen und so spielte ich zu Beginn einfach mit ihnen – und eines ergab das andere. Wo siehst du Vor-, wo Nachteile als Frau in deinem Einsatzland?
Cornelia
gutes Vorbild sein könnte – das ist manchmal schade. Cornelia: Als verheiratete ältere Frau, die Kinder geboren hat, hat man ei- gentlich nur Vorteile hier. Denn das Alter und das Mutterseinwird in dieser KulturpositivbewertetundsomitspüreichkeineNachteile,eineFrauzusein. Martha: In dieser Kultur ist eine Frau erst eine «ganze Frau», wenn sie «ei- nenMannhat». Obverheiratet oder nicht, spielt eine zweitrangigeRolle. Es muss einfach eine männliche Autorität «über» ihr sein. Diese Frauen wer- den dann respektvoll als «Mama» angesprochen. Es brauchte seine Zeit und meine Initiative, bis man mich auch «Madame» oder «Mama» nannte, nicht nur einfachMartha. So fühle ichmichdazugehörendund respektiert. Daniela: Die meisten Einheimischen denken, dass mein Mann und meine Kinder in der Schweiz leben. Wenn ich ihnen erkläre, dass ich wirklich kei- nen Ehemann habe, können sie das kaum glauben, denn in ihrer Kultur gibt es das eigentlich nicht. Bei allen Organisationen gibt es mehr Frauen, die ohne Familie im Einsatz sind als Männer. Was denkst du – weshalb könnte das so sein? Rahel: Könnte es eine höhere Frustrationstoleranz sein? Oder die Gabe der Frau, als Managerin viele Bereiche im Leben gleichzeitig zu verwal- ten? Unverheiratete Männer gelten in vielen Kulturen auch noch als nicht ernstzunehmende Jungs … und es wird ihnen wenig Respekt entgegen- gebracht, das macht es auch schwieriger. Martha: Dazu habe ich mehr Gegenfragen oder Vermutungen: Statis- tisch gesehen gibt es mehr alleinstehende Frauen als Männer, auch in den Gemeinden. Viele von ihnen können vielleicht ihre Leitungsgaben im Norden, wo oftmals Männer als Leiter eingesetzt werden, nicht voll ausüben und lassen sich von Gott in den Süden berufen. Vielleicht ha- ben Frauen auch eine grössere Leidensbereitschaft als Männer und sind deshalb offener und lenkbarer für einen Einsatz? Ist das Herz der Frauen imAllgemeinen empfänglicher, einfühlsamer, offener für die Nöte der Be- nachteiligten dieserWelt – und entscheiden sich etliche deshalb für ein Ja zum Dienst, wo «Not am Mann» ist? Wie hat die interkulturelle Arbeit dein Frauenbild geprägt? Rahel: Die Tatsache, dass eine Frau in vielen Kulturen in der Rolle als Ehe- frau und Mutter hoch geachtet wird, hat mich geprägt. Manchmal wird dies in Europa zu wenig wertgeschätzt und es wird nur auf die Arbeits- leistung geachtet. Im Muttersein sehen viele «nur» eine Nebenrolle. Das ist schade! Zudem habe ich Respekt vor Frauen, die ihren Dienst für Jesus seit Jahren ohne Ehepartner tun und dafür persönliche Bedürfnisse zu- rückgesteckt haben, ja vielleicht auch «begraben» mussten. Martha: Ich lernte hier in all den Jahren sehr, sehr viele mutige, tapfe- re und gottesfürchtige Frauen kennen. Was die meisten in ihrem Leben durchmachen mussten, können wir uns gar nicht vorstellen. Ich bin überzeugt, dass Frauen nicht das «schwache Geschlecht» sind, aber sie sind auf Schutz, Liebe und Anerkennung im Leben angewiesen, damit sie blühen können, wo sie hingepflanzt sind. Meiner Meinung nach ist dieser Platz letztendlich für uns Frauen bei Gott allein zu finden. Wir sind geliebte Töchter und Ebenbild Gottes und wir dürfen in die Person hin- einwachsen, die er für uns vorgesehen hat.
Über die Hälfte unserer aktuellen Langzeitmitarbeiten- den sind Frauen – und das ist schon seit einer Weile so. Im Interview erzählen vier von ihnen, wie es ist, als Frau im Einsatz zu sein: • Martha Gafafer, 63, ist seit März 1990 im ProESPOIR in Guinea im Einsatz. • Rahel Ringger, 36, war insgesamt 4.5 Jahre in Kamerun im Einsatz und ist jetzt seit Ende 2019 mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Handwerkerschule CCS in Sri Lanka. • Cornelia Flückiger, 53, ist seit Januar 2019 mit ihrem Mann in Guinea in der Hauptstadt Conakry im Einsatz. Im Alter von etwas mehr als 50 Jahren haben sich die beiden entschieden, nochmals durchzustarten. • Daniela Seitz, 53, ist seit 2002 im ActionVIVRE Nord in Guinea im Einsatz. Wie sehen deine Aufgaben im Einsatzland aus, was machst du? Martha: Ich bin in der Lepraarbeit tätig und nach 30 Jahren Einsatz ziehe ich mich mehr und mehr daraus zurück. Herz- stück und Höhepunkt meines Einsatzes waren die intensiven Jahre der Wiedereingliederung von behinderten, ehemaligen Leprabetroffenen. Jetzt übe ich mich im Abgeben von Verant- wortung und im Ermutigen von Mitarbeitenden. Ich versuche sie darauf hinzuweisen, dass unser Tun und Sein dann Sinn macht, wenn wir immer wieder die innige Beziehung zu Jesus suchen – denn das habe ich selber so erlebt. Rahel: Im Moment bin ich hauptsächlich mit dem Home- schooling unserer drei Kinder beschäftigt (2. Klasse, Kinder- garten, Spielgruppe). Ansonsten erledige ich Administratives für uns als Familie, helfe im CCS und kümmere mich um den Haushalt. Eigentlich hätten wir den Unterricht gerne an eine Lernhelferin oder einen Lernhelfer abgegeben, doch da wir bis zur Ausreise niemanden gefunden hatten, übernahm ich die Aufgabe selber. Cornelia: Meine Hauptaufgabe ist die Leitung des Gästehau- ses von SAM global in Conakry, Guinea. Ich sorge dafür, dass alle ein- und ausreisenden Mitarbeitenden, deren Gäste und auch Mitarbeitende von anderen Organisationen eine saube- re und angenehme Unterkunft haben und alles Nötige, was man hier braucht, erhalten. Dazu gehört, dass ich jeden Tag Mittag- und Abendessen organisiere und mehrheitlich auch selber koche und serviere. Neben dem physischenWohl küm- mere ichmich auch umdas psychischeWohl der Gäste, indem wir viele Gespräche bei Tisch führen, Freuden und Leiden teilen. Daneben bleibt noch Zeit übrig, um mich in unserer Nachbarschaft zu engagieren – ich gehe zu den Frauen und Kindern im Quartier, nehme Anteil an ihrem Leben, berate sie in medizinischen Fragen, verbinde Wunden und spiele mit den Kindern. Manchmal sitze ich einfach nur dort und höre zu.
Martha
Rahel: Als Mutter bin ich automatisch näher an anderen Fa- milien dran. In einem Land wie Sri Lanka, in dem der Familien- verbund und die jeweilige Rolle, welche man darin einnimmt, grosse Bedeutung beigemessen wird, geniesse ich als Mutter (Amma) einen gewissen Status. Insgesamt haben Frauen hier aber weniger zu sagen und müssen mehr kämpfen, um sich Gehör zu verschaffen. Cornelia: Da ich schon 53 Jahre alt bin und das Alter in Afri- ka geehrt wird, sehe ich eigentlich keine Nachteile, als Frau hier zu sein. Ich werde meist sehr geehrt und man nennt mich Mamma oder Tanti. Dass man mich meist Madame Pierre nennt (nachmeinemMann) und nicht bei meinem rich- tigen Namen, daran musste ich mich natürlich schon etwas gewöhnen! Es ist wichtig, dass ich mich gerade muslimischen Männern gegenüber kulturell korrekt verhalte, das heisst, ich schaue ihnen nicht in die Augen. Zudem ist es oft nicht ange- messen, die Hand zu schütteln oder überhaupt einen Mann anzusprechen. Manchmal ist es auch ein Vorteil, wenn man den Ehemann vorschieben kann und nicht selber schwierige Entscheidungen treffen muss. Martha: Ich glaube, ob Frau oder Mann: wenn ich genau weiss, dass ich am Platz bin, den Gott mir zugewiesen hat, vergesse ich die Liste der Vor- oder Nachteile. Daniela: In meinem Einsatzland haben oft die Männer das Sagen. Als Frau – erst recht als ledige Frau – muss man sich Respekt und Ansehen erarbeiten. Älter werden ist ein Vorteil – inzwischen kommen regelmässig Kinder und Erwachsene zu mir, weil sie einen Ratschlag oder andere Hilfe brauchen. Welchen Einfluss hat dein Zivilstand darauf, wie du wahrgenommen wirst? Rahel: Verheiratet zu sein ist ein gewisser Schutz. Oftmals wird man von anzüglichen Bemerkungen und Sprüchen ver- schont. Aber als Verheiratete hat man auch weniger Freiheit. Gewisse Dinge «macht man als Verheiratete nicht mehr» – zum Beispiel im Jugendchor mitsingen, auch wenn man ein
Daniela
Rahel
Davon träume ich: «Mein Traum ist es, Lehrerin zu werden, um den Kindern in Kambodscha zu helfen. Vor allem möchte ich die Kinder auf dem Land unterstützen, denn oft gibt es dort nicht sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten. Das ist mein grösster Wunsch!» Minea, 20, Trainee im Lighthouse Battambang, Kambodscha
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Kampf gegen die
Beschneidung in Guinea
96 % aller guineischen Frauen sind beschnitten. Das heisst: Von 100 Frauen entkommen weniger als vier der weibli- chen Genitalverstümmelung! Wir engagieren uns vor Ort, um dieser qualvollen Praxis ein Ende zu setzen. Guinea hat nach Somalia weltweit die zweithöchste Quote an Beschneidungen. Bei der Beschneidung werden die äusseren Geschlechtsorgane einer Frau entfernt. Von der Beschneidung betroffen sind sowohl kleine wie auch jugendliche Mädchen und erwachsene Frauen. Dieser Eingriff kann schwerwiegende Folgen haben: anhaltende Schmerzen, Blutungen, schmerz- hafter Geschlechtsverkehr, Komplikationen bei der Geburt, die häufig zum Tod des Babys und/oder der Mutter führen. «Ich leide immer noch jeden Tag» Odette, eine Guineerin, die sich gemeinsam mit uns im Kampf gegen die Bescheidung engagiert, ist selber auch betroffen: «Ich wurde fünfmal beschnitten, aber ich wusste nicht, dass dies die Ursache meines Leidens war. In meiner Unwissenheit unterzog ich dann andere Mädchen und Frauen den gleichen Verstümmelungen.» Die junge Frau fügt hinzu: «Bei meiner Ent- bindung wurde alles auseinandergerissen. Nach Jahren leide ich immer noch jeden Tag. Mein Mann hat mich verlassen, weil ich den Geschlechtsverkehr mit ihm nicht mehr ertragen konn- te. Jetzt möchte ich alles tun, um gegen diesen Brauch, der so viele Frauen in meinem Land schwer verwundet, zu kämpfen.» Die Kirche, eine treibende Kraft im Kampf gegen die Beschneidung Die Beschneidung ist eine alte Praxis mit tief verwurzelten re- ligiösen, kulturellen und sozialen Ursprüngen. Unsere Partner- kirche EPEG ist ein Vorreiter in der Bekämpfung der Beschnei- dung geworden. Als SAM global unterstützen wir sie dabei seit Jahren praktisch und finanziell. «Über die Beschneidung wird in Guinea nicht gesprochen. Dieses Tabu wollen wir brechen, sagt der Leiter des Departements für Ehe und Familie, Pastor Esaïe Koundouno. «Unser Ziel ist es, dass die Wahrheit über die Beschneidung und ihre Folgen bekannt wird.» Der Beitrag der Kirche ist dabei absolut unerlässlich: Wo viele Initiativen scheitern, weil sie die inneren Überzeugungen nicht ausreichend berücksichtigen, kann die Kirche einen tiefgreifen- den Mentalitätswandel herbeiführen. Es müssen auch die Ur- sachen angegangen werden, die in religiösen, mystischen und animistischen Praktiken und Überzeugungen verwurzelt sind. «Traditionell ist die Beschneidung oft Teil von animistischen Ritualen», sagt Pastor Esaïe. «Die abgeschnittenen Körpertei- le werden für okkulte Hexereipraktiken verwendet.» Es gibt zahlreiche Mythen und falsche Überzeugungen rund um die Beschneidung, so beispielsweise, dass unbeschnittene Frauen keine Kinder haben können oder keine richtigen Frauen sind. Die Lehre der Bibel ist ein sehr wirksames Werkzeug zur Verän-
nach Conakry bringen, wo Mercy Ships für einige Monate stationiert war und rekonstruktive Chirurgie für beschnit- tene Frauen anbot. Zudem wurden mehr als 2000 unbe- schnittene Mädchen durch Treffen und Selbsthilfegruppen ermutigt, dem sozialen Druck und dem Spott, dem sie re- gelmässig ausgesetzt sind, zu widerstehen. Pastor Simon- Pierre Lamah ist sich bewusst, dass es in einer Gesellschaft, in der die Gemeinschaft einen hohen Stellenwert hat, schwierig sein kann, die Beschneidung aufzugeben. «Unser Ziel ist es, den jungen Mädchen zu helfen, sich nicht dafür zu schämen, dass sie nicht beschnitten sind, sondern stolz darauf zu sein!» Es braucht einen langen Atem Der Kampf gegen die Beschneidung braucht viel Ausdauer. Trotz der Grösse der Aufgabe glauben wir, dass es gemein- sam mit unseren Partnern vor Ort und mit der Hilfe Gottes möglich sein wird, dass die Frauen Guineas eines Tages völ- lig frei von Genitalverstümmelungen sein werden. Wir sind dankbar, dass uns die «Stiftung gegenMädchenbe- schneidung» seit vielen Jahren in diesem Kampf finanziell tatkräftig unterstützt! Flucht in letzter Minute Nur in ein Tuch gehüllt gelang es Aminata wenige Minuten vor der Beschneidung, durch das Badezimmerfenster zu entkommen. Sie flüchtete zu einer Frau, die sich im Kampf gegen die Beschneidung engagiert. Später nahm eine Pas- torenfamilie aus einer anderen Stadt sie auf. In der Zwi- schenzeit versucht man die Familie zu sensibilisieren und zu ermutigen, darauf zu verzichten, ihrer Tochter diese Ver- stümmelung anzutun.
derung. Sie erinnert uns daran, dass Männer und Frauen «sehr gut» erschaffen wurden und dass Sexualität von Gott gewollt ist. Esther Kamano, die Frau eines Pastors und eine führende Kraft im Kampf gegen die Beschneidung, ist selber nicht be- schnitten worden. Sie meint: «Mein Vater hat sich imTheologie- studiummit mehreren seiner Kollegen verpflichtet, seine Töch- ter nicht beschneiden zu lassen. Dank seines Glaubens und seines Engagements bin ich – anders als fast alle Mädchen und Frauen – dieser schrecklichen Verstümmelung entgangen!» Ein Kampf an allen Fronten Vielfach sind es die Mütter, die ihre Töchter dieser Gewalt aussetzen. Sie wollen diese Tradition nicht aufgeben, da sie befürchten, dass ihre Töchter sonst keine respektablen Frau- en oder gute Ehefrauen werden können, wenn sie nicht wie sie selbst beschnitten werden. Dazu kommt ein finanzieller Aspekt: «Diese Praktik ist eine bedeutende Einnahmequelle sowohl für traditionelle Beschneiderinnen in den Dörfern als auch für die Beschäftigten im Gesundheitswesen – denn auch medizinisches Personal und Hebammen führen Beschneidun- gen durch», sagt Simon-Pierre Lamah, Pastor und Koordinator des Departements zur Förderung von Kindern unserer Partner- kirche EPEG. Obwohl die Beschneidung in Guinea offiziell verboten ist und trotz zahlreicher Sensibilisierungskampagnen geht der Anteil der beschnittenen Frauen nur sehr langsam zurück. Das Pro- blem ist, dass die Täter nicht bestraft werden. Zudem ist es schwierig, diese Verstümmelungen aufgrund der allgegenwär- tigen Korruption anzuprangern. «Letztes Jahr verurteilte ein Richter mehrere Personen, die Beschneidungen praktizierten. Aber nach einer Woche wurden die Täter von den Behörden wieder freigelassen. Und der mutige Richter erhielt Drohun- gen. Er musste seine Versetzung in eine andere Stadt beantra- gen», sagt Pastor Esaïe Koundouno. Schritt für Schritt Bis heute konnten wir etwa 40 Frauen für die Sensibilisierung ausbilden. Sie sind in fünfzehn Präfekturen und Regionen Guineas aktiv und bilden ihrerseits andere Frauen aus, damit sie sich in lokalen Kirchen, aber auch in Dorfgemeinschaften, Schulen und Gesundheitszentren in diesem Kampf engagieren können. Jedes Jahr werden so etwa 150 Dörfer und Nachbar- schaften aufgeklärt und sensibilisiert. Mit der Unterstützung der örtlichen Gemeinden versuchen die Frauen auch den Op- fern der Beschneidung zu helfen. Letztes Jahr haben dadurch 17 traditionelle Beschneiderinnen ihre Praktiken aufgegeben. Mehrere von ihnen sind jetzt engagierte und effektive Ver- mittler im Kampf gegen die Beschneidung. Im gleichen Jahr konnten wir mehr als 25’000 Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder erreichen. Mehrere Mädchen und Frauen konnten wir
Pastor Esaïe und seine Frau Esther setzen sich leidenschaftlich im Kampf gegen die Genital- verstümmelung in Guinea ein.
Gaëlle und Cédric Chanson engagieren sich zusammen mit ihrer Familie im Projekt ProTIM 2-2-2 in Kissidougou, Guinea, gegen die Mädchenbeschneidung
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Unsere Projekte speziell für Mädchen und Frauen – eine Auswahl
Frauen in unseren Einsatzländern: Worüber man lieber nicht spricht
Guinea Primar- und Oberstufenschule im ActionVIVRE Nord Zielgruppe: Jungen und Mädchen zwi- schen 6 und 16 Jahren Angebot: Die Schule steht Jungen wie Mädchen genau gleich offen. Es ist der Schulleitung ein grosses Anliegen, beide Geschlechter gleich zu behandeln und ihnen die gleichen Ausbildungsmöglich- keiten zu bieten. Auswirkung: Dank der klaren Gleichstel- lung der Geschlechter schafft es die Schu- le, einen Mädchenanteil von knapp 50% zu erreichen – eine Seltenheit in Guinea! Die Eltern sind auf die Wichtigkeit der Schulbildung auch für Mädchen sensibili- siert. Nur wenige Mädchen werden früh- zeitig für Haushaltsarbeiten von der Schu- le genommen oder als Kinder verheiratet. Kambodscha Lighthouse Battambang Zielgruppe: Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren Angebot: Jungen Frauen und Männern aus ländlichen Gebieten wird durch die Wohnmöglichkeit im Lighthouse ermög- licht, die Oberstufe oder das Gymnasium in der Stadt zu besuchen. Studierende, die Leiterschaftspotenzial aufweisen, werden in einemNachwuchsprogramm spezifisch gefördert – momentan befinden sich aus- schliesslich Frauen in diesem Programm. Auswirkung: Dank der guten Ausbildung schaffen junge Frauen die Matura und erhalten eine gute Basis für ein Studium.
Einige davon übernehmen trotz ihres jun- gen Alters Verantwortung in Familie, Kir- che und Gesellschaft.
Ein wichtiges Thema der Sustainable Development Goals (Nachhaltige Ent- wicklungsziele) ist die Gleichstellung von Mann und Frau, zudem sollen alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestim- mung befähigt werden. Für SAM global ist schon lange klar, dass wir Mädchen und Frauen ebenso fördern möchten wie Jungen und Männer – insbeson- dere, da sie in unseren Einsatzländern häufig benachteiligt und diskriminiert werden. In einigen Projekten liegt da- bei ein besonderer Fokus auf ihnen: Kamerun CEFM (Centre Evangélique de Formation Ménagère et Artisanale) Zielgruppe: Junge Frauen zwischen 14 und 20 Jahren, die die Schule nie besucht haben oder früh abbrechen mussten, um zu Hause zu arbeiten. Angebot: Während zwei Jahren vertiefen die jungen Frauen ihre Kenntnisse in Le- sen, Schreiben und Mathematik. Zudem gibt es ein breites Angebot an Zusatzfä- chern wie Gartenbau, Nähen, Informatik- anwendung, Budgetplanung, Hygiene und Ernährung. Auswirkung: Als das CEFM gegründet wurde, war das Ziel, die «Mädchen» auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorzu- bereiten. Heute werden die Frauen zu verantwortungsvollen Vertreterinnen der Gesellschaft und zu ebenbürtigen Partne- rinnen ihrer Männer ausgebildet. Einige holen im CEFM ihren Schulabschluss nach und bilden sich anschliessend in einer technischen Schule fort, andere haben ihr eigenes Nähatelier eröffnet oder einen kleinen Handelsbetrieb aufgebaut.
Nepal ProUDYAMI
Südamerika – Brasilien: Häusliche Gewalt und Femizide
noch immer stark verbreitet. Dabei fällt auf, dass es zwar oftmals gesetzliche Bestimmungen gibt, die solche Praktiken verbieten, diese in der Realität jedoch leider nicht eingehalten und durchgesetzt werden. Die Nichteinhaltung der Gesetze spiegelt sich auch in Angola wieder, wo Polygamie eigent- lich verboten wäre: Kürzlich berichteten die Medi- en von einer Familie, die ein ganzes Dorf füllt: Ein Mann mit 42 Frauen und 166 Kindern. In Angola und im Tschad gehören die Sterblichkeitsraten von Kindern unter fünf Jahren zu den höchsten der Welt. Aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung ist auch die Zahl der Frauen, die wäh- rend den Geburten sterben, extremhoch. Vor allem für alleinstehende Frauen in ländlichen Gebieten zeigen sich weitere Herausforderungen, da kein staatliches Sozialversicherungssystem besteht. In einigen Regionen ist es Frauen beispielsweise auch traditionell untersagt, Land zu besitzen und dieses zu kultivieren. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns Von Gleichberechtigung sind wir in unseren meis- ten Einsatzländern noch weit entfernt und die Stel- lung der Frau in einigen Ländern macht mich sehr betroffen: im Speziellen die Genitalverstümmelung in Guinea, welche zu bis zu 96% noch immer statt- findet. Obwohl es eine gesetzliche Grundlage gibt, haben die Mädchen oftmals keine Chance, sich gegen solche Traditionen zu wehren, geschweige denn aktiven rechtlichen Schutz davor zu erhal- ten. Hier lohnt es sich, dass wir gemeinsam wei- terkämpfen – denn es gibt noch viel zu tun. Es ist aber auch extrem schön zu hören, dass jahrelange Sensibilisierungsmassnahmen nun beginnen, ihre Wirkung zeigen. Das ermutigt mich!
Zielgruppe: Frauen Angebot: ProUDYAMI bildet Frauen be- triebswirtschaftlich und praktisch zu Unternehmerinnen aus. Der Fokus von ProUDYAMI liegt auf den Frauen, da jeden Tag zahlreiche Männer Nepal verlassen, um im Ausland Arbeit zu finden – und die Frauen oft mit ihren Kindern, Eltern und Schwiegereltern alleine zurückbleiben. Da jeweils unsicher ist, ob und wie viel Geld die Ehemänner aus dem Ausland überweisen (können), liegt die Hauptlast für das Einkommen der Familie auf ihnen. Frauen gehen zudem erfahrungsgemäss oft sehr verantwortungsbewusst mit Geld um und setzen es für das Wohl ihrer Fami- lie ein. Auswirkung: Durch das Projekt werden Frauen in ihrer Geschäftstätigkeit ge- stärkt. Sie verfügen über einen fundierten Businessplan, gehen mit ihren Finanzen haushälterisch um, verstehen die wirt- schaftlichen Zusammenhänge und kön- nen damit ihre Familie ernähren. Einige schaffen auch Arbeitsplätze und stärken die lokale Wirtschaft.
Brasilien liegt beim «Global Gender Gap Report» (Bericht über weltweite Gleichstellung) auf Rang 92 – insbesondere in den BereichenWirtschaft und Politik sind Frauen stark benachteiligt. Auch Krimi- nalität und Polizeigewalt, insbesondere gegenüber afro-brasilianischen Favela-Bewohnerinnen, sind ein grosses Problem. Dazu kommt die weit ver- breitete häusliche Gewalt und eine erschreckende Anzahl an Femiziden – Morden an Frauen. 2015 wurde ein «Gesetz gegen den Femizid» verabschie- det, doch inzwischen wird eine Liberalisierung des Waffengesetzes angestrebt, wodurch auch Frauen wieder stärker gefährdet sind. Asien – Nepal, Sri Lanka, Kambodscha, Indien und China: Frauen brauchen Glück, um zu überleben In Asien gibt es bezüglich der Stellung der Frau in der Gesellschaft je nach Land beträchtliche Unter- schiede. Während in Nepal, Kambodscha, Sri Lanka und Indien die Problematiken von Zwangs- und Kinderheirat, Vergewaltigungen, Prostitution und Frauenhandel weit verbreitet sind, gab es in China noch ein weitaus schockierendes Phänomen: die systematische Tötung weiblicher Föten und Babys. Der Männerüberschuss in China lässt sich heute auf 34 Millionen beziffern. Das Ausmass von Tötungen weiblicher Babys zeigt, wie stark der Glaube, Mäd- chen seien weniger wert als Jungen, in der Gesell- schaft noch immer verbreitet ist. Paradoxerweise konnten Mädchen in den Jahrzehnten der Ein- Kind-Politik zwischen 1979 und 2015 – wenn sie das Glück hatten, Geburt und Kindheit zu überleben – stark von einem modernen Erziehungssystem und von einer relativ offenen Marktwirtschaft mit vielen Arbeitsmöglichkeiten für Frauen profitieren. Afrika – Angola, Burkina Faso, Kamerun, Tschad, Guinea: Schreiende Ungerechtigkeiten In afrikanischen Ländern mit überwiegend islami- scher oder animistischer Prägung sind Problema- tiken wie Mädchenbeschneidung, Zwangs- und Kinderheirat sowie Benachteiligung in der Bildung
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortlicher Sahel
Davon träume ich: «Ich träume von einer gesunden Familie – mein Mann ist Diabetiker und hat einige Spitalaufenthalte hinter sich – und dass meine fünf Kinder Jesus nachfolgen, irgendwann selbst eine eigene Familie gründen können und beruflich gut vorwärtskommen. Es ist meinWunsch, dass ich den Menschen inner- und ausserhalb der evangelischen Gemeinde mein Wissen, vor allem was medizinische Aspekte anbelangt, weitergeben kann. Mit Vorträgen und meinemVorbild möchte ich mithelfen, dass in der Gesellschaft Krankheiten, welche verhindert werden können, eingedämmt werden.»
Michelle Pfister, Co-Leiterin Kommunikation SAM global
Quellen: Amnesty International / Gender Gap Report / Wikipedia
Suzana Tiago, 46, aus Angola. Suzana ist die zweite Frau innerhalb unseres Partner-Gemeindebundes IESA, die einen Masterkurs abgeschlossen hat. Sie ist die Verantwortliche des medizinischen Zentrums Mapunda.
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Davon träume ich:
«Wir brauchen dich hier!» – ein Brief mit Folgen
«Meine Kinder sollen Jesus liebhaben und ihm nachfolgen. So wie ich in der Schweiz Jesus kennengelernt habe, so wünsche ich mir, dass viele ihn kennenlernen.»
Fatima, 46, aus Syrien, lebt seit 6 Jahren in der Schweiz und nimmt an einem ProCONNECT-Angebot für Migranten-Schlüsselpersonen teil
Frauen in der «Mission»: ihrer Zeit voraus?!
len immer wieder, förderte die Lehrpersonen und war auch die «Inspektorin». Zuerst machte sie die Besuchsreisen zu den weit verstreuten Schulen zu Fuss und auf Eselsrücken, später mit dem Auto. Nach und nach konnte sie Angolanerinnen und Angolaner in diese Verantwortung einführen, und nach der Unabhängigkeit Angolas wurden die Schulen vom Staat übernommen. Dr. Jean- Pierre Bréchet, ein langjähriger Mitarbeiter, schreibt über Flory: «Die Früchte ihres grossen Einsatzes in Angola sind überall sichtbar. Ihre Lie- be zu Jesus Christus hat viele Jungen und Mäd- chen beeinflusst, die heute wichtige Führungs- aufgaben in ihrer Gemeinde wahrnehmen.»
In meinen 28 Jahren bei SAM global hatte ich das Vorrecht, viele «Frauen nach dem Herzen Gottes» kennenzulernen: Frauen, die Gottes Ruf gehört haben und sich durch nichts davon abbringen liessen, Gottes vorbereitete Werke zu tun – weder durch Entführung noch durch körperliche Ein- schränkungen, weder durch Verlust von Familien- angehörigen noch durch Krankheit oder kriegeri- sche Auseinandersetzungen. Ab und zu erlebten sie Planänderungen – sie liessen sich von Gott an ganz anderen Orten und in ganz anderen Projekten gebrauchen, als ursprünglich geplant war. Sie führ- ten ein hingegebenes, manchmal sehr hartes, aber erfülltes Leben. Einen ganzen SAM-Focus könnten wir füllen mit ihren spannenden Geschichten. Ich habe hier eine ausgewählt von einer Frau, die gan- ze Generationen geprägt hat: Flory Eoll – 1921 bis 2013: Ein Leben, das grosse Segensspuren hinterlassen hat Flory Eoll hatte wahrlich keinen optimalen Start ins Berufsleben. Als 14-Jährige musste sie die Schule mit der Diagnose «Depression» abbre- chen. Flory erholte sich und absolvierte eine Aus- bildung zur Übersetzerin. Ihr Herz brannte aber für die interkulturelle Arbeit. Mit der Perspektive auf einen Einsatz in einem fernen Land liess sie sich deshalb auch noch zur Hebamme und später zur Krankenschwester ausbilden. Für sie war aber bald klar, dass diese Arbeit nicht ihren Fähigkeiten entsprach – die Nöte der Kranken gingen ihr viel zu nahe. Auf Eselsrücken in Angola unterwegs Ein Einladungsbrief aus Angola öffnete ihr dann die Tür für ihren 30-jährigen Einsatz. Zwei Frau- en, Edmée Cottier und Anni Bréchet, die mit SAM global in Angola im Einsatz waren, schrieben ihr, sie hätten eine Aufgabe für sie, für die derzeit nie- mand Zeit hätte: nämlich die Betreuung von Mäd- chen, die das Internat auf der Station besuchten. In Angola gründete Flory dann in einer ganzen Region Schulen für Mädchen und Jungs. Die Lehr- mittel erarbeitete sie selber – vom Staat gab es da- mals noch nichts. Der biblische Unterricht gehörte ebenso zum Programm. Flory besuchte die Schu-
Inner- und ausserhalb der Kirche hat- ten die Frauen in Europa bis vor weni- gen Jahrzehnten oftmals kaum Rech- te und haben sich still den Männern untergeordnet – anders im Ausland: Dort konnten sie vielerorts schon früh selbständig und in Eigenverantwor- tung Aufgaben übernehmen. Im deutschsprachigen Raum entstand ab 1722 die Glaubensbewegung der Herrnhuter Brüdergemeinde, welche nebst Männern auch Frauen entsandte, da sie der Meinung war, dass es beide braucht, um alle Menschen mit der Gu- ten Nachricht erreichen zu können. Der grosse Aufbruch für die Frauen kam mit der Gründung vieler Glaubensmissionen im 19. Jahrhundert: Diese Organisati- onen waren geprägt vom Verständnis, dassMänner und Frauen gleichermassen zum Dienst berufen waren. Es wurden sogar reine Frauenmissionsgesellschaf- ten gegründet, welche ledige Frauen vorbereiteten und aussandten. Diese Frauen bauten Schulen auf, arbeiteten im medizinischen Bereich, in der Alpha- betisierung, als Bibelübersetzerinnen oder als Evangelistinnen. Sehr viele Frau- en leisteten herausfordernde Pionierar- beit. Fredrik Franson: «Weissagende Töchter» Einer der Männer, welcher in der Frauen- frage eine sehr moderne Einstellung hat- te, war Fredrik Franson (1852-1908), der Mitbegründer von SAM global. Franson war der Ansicht, dass Frauen gleichbe- rechtigt waren und auch in der Verkün- digung, Leitung, Lehre und Seelsorge eingesetzt werden sollten, da die Geis- tesgaben unabhängig vom Geschlecht
geschenkt werden. Franson verfasste dazu eine Schrift mit dem Titel «Weissa- gende Töchter», in welcher er seine Ar- gumente biblisch begründete.
Ein klarer Auftrag Mit dem Ausklingen der Erweckungs- bewegung veränderte sich jedoch auch das Verständnis der Rolle der Frau vie- lerorts und es wurde wieder vermehrt in Frage gestellt, ob Frauen eine leitende Rolle in Gemeinden und Mission inneha- ben durften. Heute arbeiten in den meisten Organi- sationen mehr Frauen als Männer, und sie haben oft eine gleichberechtigte Stellung. Die Frage, ob es biblisch-theo- logisch vertretbar ist, dass eine Frau eine Leitungsfunktion innehat oder eine Pre- digt halten darf, stellt sich in vielen Situ- ationen im Ausland gar nicht, weil sonst die Arbeit nicht gemacht werden könn- te. Dabei ist der Auftrag aus der Bibel klar – alle Menschen sollen die Möglichkeit erhalten, die Gute Nachricht verständ- lich zu hören, und dieser Auftrag gilt Männern wie Frauen.
Arrangierte Ehen in der interkulturellen Arbeit
Es gab im deutschsprachigen Raum aber auch andere Ansichten und Praktiken: Ei- nige Organisationen sandten zu Beginn ihrer Geschichte nur ledige Männer aus. Wenn sich die Männer bewährt hatten und heiraten wollten, durften sie nach zwei Jahren im Dienst einen Antrag auf eine «Missionsbraut» stellen. Das Missi- onskomitee suchte dann nach heirats- willigen Frauen, welche bereit waren, ihr Leben ganz in den Dienst der Missi- on zu stellen und einen ihnen oft völlig unbekannten Mann zu heiraten. In der Regel fand die Hochzeit nach einer Ken- nenlernphase von rund zwei Wochen statt. Auch wenn diese Frauen in erster Linie zur Unterstützung eines Mannes ausreisten, leisteten viele von ihnen enorm wertvolle Arbeit. Ein Beispiel ist RosinaWidmann, welche gleich nach der Hochzeit in Ghana eine Mädchenschule eröffnete, innert kürzester Zeit die Spra- che erlernte und das Vertrauen der Be- völkerung gewann. Über ihre erste Be- gegnung mit ihrem zukünftigen Mann schrieb sie: «Wir sahen uns nicht an, als sähen wir uns zum ersten Mal, denn der Herr, der unseren Bund geschlossen, […] verband unsere Herzen noch ehe wir uns kannten, in inniger Liebe!» Welchen Mut muss es gekostet haben, als junge Frau in ein fremdes Land zu reisen, um einen unbekannten Mann zu heiraten und nicht zu wissen, ob sie jemals wieder in die Heimat zurückkehren würde.
Sprachwissenschaftlerin ohne Maturitätsabschluss
Flory hat sich zudem unermüdlich weitergebil- det. Vor allem eignete sie sich in unzähligen Stun- den fundierte Kenntnisse über die angolanische Umbundu-Sprache an. Flory war die Umbundu- Lehrerin aller neuen Langzeit-Mitarbeitenden. Zuerst verwendete sie dazu das Sprachbuch ei- ner amerikanischen Organisation, später verfass- te sie ein Umbundu-Grammatik-Lehrbuch nach einer neueren Methode. Sie war massgeblich an der Übersetzung einiger Bücher der Bibel in die Umbundu-Sprache beteiligt. Das folgende Erleb- nis verdeutlicht, mit wie viel Herzblut Flory bei der Sache war: Anfang der 50er-Jahre machte sie einen Besuch in England und wollte sich in der Bi- bliothek einer Universität vertieft mit den Stam- messprachen auseinandersetzen. Die Erkennt- nisse sollten ihr für ihre Arbeit helfen. Ihr wurde höflich, aber bestimmt mitgeteilt, dass sie ohne Maturitätsabschluss leider keinen Zugang zu diesen Büchern habe. Flory war sehr enttäuscht und brach sogar in Tränen aus. Daraufhin nahm sie der Mann am Empfang beim Arm und führte sie zu den gewünschten Büchern! Gottes Wege und Führungen sindmanches Mal ungewöhnlich, aber spannend und zielführend.
Beatrice Ritzmann, Perso- nalleiterin SAM global
1954 Flory Eoll (links) mit ihrer Kollegin Hanni Sigg
Quellen: Ruth Tucker, Bis an die Enden der Erde. Mis- sionsgeschichte in Biographien, Metzingen: Ernst Franz Verlag, 1996 Hans Ulrich Reifler, Handbuch der Missiolo- gie. Missionarisches Handeln aus biblischer, historischer und sozialwissenschaftlicher Per- spektive, edition afem, mission academics 19, Nürnberg: VTR/VKW, 2009
Albert Zimmerli, Sekretariatsleiter SAM global
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Frauen, die beeindrucken ... Naomi ist Ende 30. Sie hat eine Jüngerschafts- schule von «Jugend mit einer Mission» in Nigeria besucht und dort bereits eine Arbeit über ihre Vision, unter Kindern zu arbeiten, geschrieben. Als sie zurück nach Kamerun kam, arbeitete sie als Sekretärin in der Administration der medi- zinischen Arbeit (Oeuvre Médicale) der Kirche. Nebenbei begann sie, mit unserer ehemaligen Mitarbeiterin Vreni Kohli zu arbeiten und er- zählte ihr von ihrer Vision. Naomi fühlte sich in der Sekretariatsarbeit zunehmend am falschen Ort. Schliesslich kündigte sie, um sich von Kids- Team für die Arbeit unter Kindern ausbilden zu lassen. Als die SAM global-Mitarbeitenden Kamerun verlassen mussten, übernahm sie die neu gegründete Arbeit unter Kindern und hat sie seither weiter ausgebaut. Naomi schult und coacht Sonntagsschulhelferinnen und -helfer von verschiedenen Denominationen und Verant- wortliche von Kinderclubs, organisiert Camps, mobilisiert junge Menschen fürs Gebet, hat einen Teenager-Club begonnen und setzt auch ihr musikalisches Talent immer wieder ein. Ihr Wirken zieht Kreise – Gott allein weiss, wie vie- le Kinder dank ihrer Arbeit Jesus kennenlernen durften und wie viele Kursteilnehmende für die Arbeit mit Kindern begeistert wurden! Ebenfalls bemerkenswert und im kamerunischen Kontext fortschrittlich scheint mir ihre ganzheitliche Sichtweise: Sie ist nicht auf «ihre» Denomination fixiert, sondern investiert ihre Gaben, wo immer ihr eine Tür geöffnet wird. Naomi ist eine Aus- nahmeerscheinung – eine Afrikanerin, die weiss, was sie will und was sie kann. Sie hat eine klare Berufung und lebt diese voll aus.
und für sie da zu sein. Ich kenne diverse Frauen, die bereit wären, auszureisen, aber ihre Männer haben nicht dieselbe Bereitschaft. Schade! Es braucht beide – unbedingt Dabei bräuchte es eigentlich auch Männer in der interkul- turellen Arbeit, denn für die Arbeit mit und unter Männern gibt es für Frauen in vielen Kulturen Einschränkungen (um- gekehrt natürlich auch). Zudem gibt es Bereiche, wo es ohne Männer schwierig wäre. So müssten wir unsere Zentren für duale Berufsausbildung von Maurern, Schreinern, Auto- und Landmaschinenmechanikern und so weiter wohl derzeit schliessen ohne Männer. Darum: Wir brauchen Männer und Frauen, damit wir Män- nern und Frauen dienen und ganzheitlich die Gute Nachricht bringen können!
– und das ohne einen Mann an ihrer Seite! Das war und ist für viele sicher auch nicht nur einfach, aber sie schaffen das. So be- stehen zum Beispiel im medizinischen Bereich in Angola, Gui- nea, Kamerun und Tschad unzählige wertvolle Dienste, die es ohne Frauen gar nie oder nicht lange gegeben hätte. Aber auch im Bereich Ausbildung oder Arbeit unter Kindern wäre vieles, was heute ein wichtiger Teil von SAM global ist, gar nie entstan- den. Wir können und wollen uns gar nicht vorstellen, wie unsere Arbeit heute ohne all diese mutigen Frauen aussehen würde! Ein starkes Herz für Benachteiligte Und Männer? Was ist los mit dem «starken» Geschlecht? Warum sind die Männer, was interkulturelle Arbeit betrifft, eigentlich eher das «schwache» Geschlecht im Vergleich zu Frauen? Einer- seits denke ich, dass es für Männer in verschiedener Beziehung eine grössere Herausforderung ist, alleine zurecht zu kommen. Dazu gehört auch der Bereich der Sexualität. Zudem fassen Männer einen Auslandeinsatz von sich aus grundsätzlich weni- ger ins Auge. Warum wohl? Viele wollen gerne in irgendeiner Form Karriere machen. Frauen haben dagegen oft ein starkes Herz für Benachteiligte und die Bereitschaft, anderen zu dienen
Ohne Frauen geht es nicht! Das sagt auch Gott selber. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass beim Schöpfungsbericht (1. Mose 1,1-31) nach je- dem Tag steht: «Und Gott sah, dass es gut war!» Nur etwas war nicht gut. In 1. Mose 2,18 lesen wir: «Gott, der HERR, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm jemanden zur Seite stellen, der zu ihm passt!» Und dann hat Gott die Frau erschaffen und erst jetzt ist die Schöp- fung perfekt. Gerade in der interkulturellen Arbeit zeigt sich aber, dass Frauen weitaus mehr als eine Ergänzung zumMann sind. Die Arbeit von SAM global ohne Frauen ist undenkbar. Für Männer ohne Frauen ist es nach unserer Erfahrung im interkulturellen Dienst schwierig. Alle unsere Männer, die Jahrzehnte im Einsatz waren, hatten eine Frau zur Seite. Mir ist nur eine Ausnahme in der Geschichte der letzten 30 Jahre von SAM global bekannt, in der ein lediger Mann bis zur Pension durchgehalten hat. Es scheint für Männer besonders schwierig zu sein, auf die Dauer allein im interkulturellen Dienst tätig zu sein. Ohne Frauen ginge es nicht Umgekehrt kann ich eine ganze Reihe bewundernswerter Frauen aufzählen, die mit SAM global Jahrzehnte, ja bis zur Pension im Einsatz waren oder sind, ohne müde zu werden, ohne aufzugeben und ohne die Vision zu verlieren
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortlicher Kamerun 16
Jürg Pfister, Leiter SAM global
Frauen an die Macht –
Frauen, die beeindrucken ... Bintou S. ist 39 Jahre alt und arbeitet seit 2011 als HIV- Beraterin fürs Spital CHRS hier in Macenta, Guinea. Sie ist selbst HIV-positiv – die Ansteckung erfolgte über eine Bluttransfusion nach einer Geburt ... Seit zwölf Jahren ist sie jetzt in Therapie bei uns. Da sie die Therapie konsequent durchführt, ist das Virus mo- mentan nicht nachweisbar, und alle ihre Kinder sind HIV-negativ. Was mich speziell beeindruckt, ist, wie Bintou ihre eigene Krankheitserfahrung bei ihrer Arbeit einsetzt. Trotz dem Stigma, welches in Guinea nach wie vor mit der HIV-Erkrankung verbunden ist, teilt sie vie- len Patienten mit, dass sie HIV-positiv ist und ermutigt sie dadurch, die Krankheit anzunehmen und bei der Be- handlung aktiv mitzumachen.
oder doch an den Herd?
Wieso nicht vom Herd an die Macht? Oder von der Macht an den Herd? Oder am besten noch: Die Macht am Herd? Was sollen eigentlich diese Fra- gen? Wie war das noch mal mit der Gleichberech- tigung? Auf solche Fragen habe ich leider keine Antwort, aber ich habe Gedanken. Gedanken, die hier in Guinea noch viel mehr an Gewicht bekom- men haben. Ich denke, dies sind Gedanken, die wahrscheinlich nicht nur mich beschäftigen. Wir leben in der Schweiz in einer Welt, in der die Gleichberechtigung eher Nebensache ist. Jede Frau darf und kann auch ihren eigenen Weg gehen. Eine Frau darf sowohl privat als auch beruflich erfolgreich sein, eigene Entscheidun- gen treffen, Familie und Beruf gleichzeitig meistern. Ebenso die Männer – sie sind erfolgreich im Beruf, helfen im Haushalt, übernehmen die Kinderbetreu- ung. Und es gibt dann noch die Alleinstehenden – al- leinstehende Frauen, alleinstehende Männer. Jeder geht seinen eigenen, für sich erfüllendenWeg. Fragen wie: «Du machst den Haushalt? Wie, du bist in einer Führungsposition? Du darfst die Kleidung tragen, die du möchtest? Du bist noch nicht verheiratet? Du hast noch keine Kinder? Und das mit fast 30?» wer- den zwar auch in der Schweiz gestellt, aber doch eher selten. Hier, in Guinea, sind sie an der Tagesordnung. Unverheiratete Frauen Mitte 20, Männer, die im Haus- halt helfen, als Frau mit 30 noch keine Kinder – all das ist hier unvorstellbar. Faszinierend und schockierend Für mich ist es immer noch tagtäglich von Neuem faszinierend und schockierend zugleich: Frauen sind da, um die Kinder zu hüten, die Hausarbeit zu erle- digen, die Einkäufe zu machen, arbeiten zu gehen und, vor allem, nicht zu jammern oder gar krank zu werden. Und das sieht auch noch ziemlich anders aus als bei uns in der Schweiz: Hausarbeit mit dem Kind auf dem Rücken. Arbeiten auf dem Feld. Einkäufe auf demMarkt, der 30 Minuten zu Fuss entfernt liegt. Wä- sche waschen von Hand. Wasser aus dem Brunnen schöpfen. Und kochen – stundenlanges Kochen auf dem offenen Feuer für die ganze Familie. Um die Kin- der kümmern sie sich nebenbei. Die kleinen Mädchen müssen bereits vor der Schule schon beim Wäsche-
waschen mit anpacken, die Jungs müssen aufs Feld. Die Männer gehen arbeiten, verdienen den Unterhalt. Inwiefern das hart verdiente Geld auch mit der Fami- lie geteilt wird, ist ein anderes Thema. Es gibt Ausnahmen – aber wenige Doch, es gibt sie. Die Ausnahmen. Die Ausnahmen, die hoffentlich eine Veränderung bewirken und be- reits als gutes Beispiel vorangehen. Wo es ein Mitein- ander und ein gegenseitiges Helfen gibt, in der Bezie- hung, in der Familie, in der Freundschaft und im Beruf. Es gibt Männer, die sich um ihre Kinder sorgen, es gibt Männer, die auch zuhause anpacken. Es gibt Frauen, die ihre Meinung sagen, es gibt Frauen, die ihre hart erarbeitete Bildung auch in einem Beruf anwenden können. Frauen, die sich ihre Kleider selbst aussu- chen und das tragen, was sie möchten. Und dennoch halten sie ihre Tradition und Kultur ein. Leider gibt es noch wenige, die sich trauen, offen ihre Meinung kundzutun. Und leider zu wenige Männer, die ihre Frauen dabei unterstützen. Eine individuelle Antwort All dies zeigt mir wieder einmal, wie privilegiert wir sind. Wie schön, einfach und unabhängig unser Le- ben ist. Und für wie selbstverständlich wir oft unsere Freiheit nehmen. Wie einfach es ist, unser Leben zu gestalten. Da frage ich mich manchmal: Sehen wir alles viel zu selbstverständlich in «unserer» Welt? Wie schwierig uns oft die Entscheidungen fallen, weil wir meist gleich mehrere Optionen haben. Jede Frau, ge- nau wie jeder Mann, sollte das Recht haben, im Leben eigene Entscheidungen zu treffen und eine Meinung sagen zu dürfen – um gemeinsam eine Lösung zu finden. Und es zeigt auch, wie banal die Frage nach dem Herd, der Macht und dem Geschlecht ist. Denn es gibt keine Antwort. Jeder ist auf seine eigene Art und Weise auf seinem ganz individuellen Werdegang erfolgreich – solange er ihn freiwillig gehen kann.
David Leuenberger leitete bis Sommer 2020 das Projekt ProESPOIR in Guinea
Frauen, die beeindrucken... Dona Maria und ihr Mann Raimondo wohnen am Fluss Anapú im Amazonasgebiet – weit abgelegen von der Zivilisation: die Reise mit dem Boot bis zur nächsten Stadt dauert 15 Stunden! Dona Maria ist eine beeindruckende Frau. Vor rund 27 Jahren hat sie von unseren Mitarbeitenden Heiri und Elsbeth Aeberhard eine Bibel bekommen, sich später für Jesus entschieden und danach bei sich zu Hause mit Hausversammlungen begonnen. Ihre Söhne und später ihr Mann kamen ebenfalls zum Glauben, wie auch weitere Leute aus ihrer Umgebung. Sie hat die Laienpastoren-Kurse von ProRIBEIRINHO besucht und leitet seit der Gründung die kleine Gemeinde «Vida Nova». Aus eigener Initiative hat Dona Maria zu- dem begonnen, die Bewohner an einem anderen kleinen Neben- fluss zu besuchen, um ihnen die Gute Nachricht weiterzugeben. Auch auf ihrem Kleinbauern-Betrieb ist sie die treibende Kraft: Sie bepflanzt gemeinsammit ihrer Familie ihre Felder, verarbeitet Maniok und hat eine Hühner- und Bienenzucht. Sie ist eine herz- liche und gastfreundliche Frau, steht den Leuten in ihrem Umfeld auch in manch schwierigen Situationen mit Tat und Rat zur Seite und ist für viele ein grosses Vorbild!
Christina Amann war von 2019 bis 2020 als Kurzzeiterin im ProESPOIR in Macenta
Beatrice Ritzmann, Länderverantwortliche Brasilien
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