03-2020 Frauen im Einsatz

Frauen an die Macht –

Frauen, die beeindrucken ... Bintou S. ist 39 Jahre alt und arbeitet seit 2011 als HIV- Beraterin fürs Spital CHRS hier in Macenta, Guinea. Sie ist selbst HIV-positiv – die Ansteckung erfolgte über eine Bluttransfusion nach einer Geburt ... Seit zwölf Jahren ist sie jetzt in Therapie bei uns. Da sie die Therapie konsequent durchführt, ist das Virus mo- mentan nicht nachweisbar, und alle ihre Kinder sind HIV-negativ. Was mich speziell beeindruckt, ist, wie Bintou ihre eigene Krankheitserfahrung bei ihrer Arbeit einsetzt. Trotz dem Stigma, welches in Guinea nach wie vor mit der HIV-Erkrankung verbunden ist, teilt sie vie- len Patienten mit, dass sie HIV-positiv ist und ermutigt sie dadurch, die Krankheit anzunehmen und bei der Be- handlung aktiv mitzumachen.

oder doch an den Herd?

Wieso nicht vom Herd an die Macht? Oder von der Macht an den Herd? Oder am besten noch: Die Macht am Herd? Was sollen eigentlich diese Fra- gen? Wie war das noch mal mit der Gleichberech- tigung? Auf solche Fragen habe ich leider keine Antwort, aber ich habe Gedanken. Gedanken, die hier in Guinea noch viel mehr an Gewicht bekom- men haben. Ich denke, dies sind Gedanken, die wahrscheinlich nicht nur mich beschäftigen. Wir leben in der Schweiz in einer Welt, in der die Gleichberechtigung eher Nebensache ist. Jede Frau darf und kann auch ihren eigenen Weg gehen. Eine Frau darf sowohl privat als auch beruflich erfolgreich sein, eigene Entscheidun- gen treffen, Familie und Beruf gleichzeitig meistern. Ebenso die Männer – sie sind erfolgreich im Beruf, helfen im Haushalt, übernehmen die Kinderbetreu- ung. Und es gibt dann noch die Alleinstehenden – al- leinstehende Frauen, alleinstehende Männer. Jeder geht seinen eigenen, für sich erfüllendenWeg. Fragen wie: «Du machst den Haushalt? Wie, du bist in einer Führungsposition? Du darfst die Kleidung tragen, die du möchtest? Du bist noch nicht verheiratet? Du hast noch keine Kinder? Und das mit fast 30?» wer- den zwar auch in der Schweiz gestellt, aber doch eher selten. Hier, in Guinea, sind sie an der Tagesordnung. Unverheiratete Frauen Mitte 20, Männer, die im Haus- halt helfen, als Frau mit 30 noch keine Kinder – all das ist hier unvorstellbar. Faszinierend und schockierend Für mich ist es immer noch tagtäglich von Neuem faszinierend und schockierend zugleich: Frauen sind da, um die Kinder zu hüten, die Hausarbeit zu erle- digen, die Einkäufe zu machen, arbeiten zu gehen und, vor allem, nicht zu jammern oder gar krank zu werden. Und das sieht auch noch ziemlich anders aus als bei uns in der Schweiz: Hausarbeit mit dem Kind auf dem Rücken. Arbeiten auf dem Feld. Einkäufe auf demMarkt, der 30 Minuten zu Fuss entfernt liegt. Wä- sche waschen von Hand. Wasser aus dem Brunnen schöpfen. Und kochen – stundenlanges Kochen auf dem offenen Feuer für die ganze Familie. Um die Kin- der kümmern sie sich nebenbei. Die kleinen Mädchen müssen bereits vor der Schule schon beim Wäsche-

waschen mit anpacken, die Jungs müssen aufs Feld. Die Männer gehen arbeiten, verdienen den Unterhalt. Inwiefern das hart verdiente Geld auch mit der Fami- lie geteilt wird, ist ein anderes Thema. Es gibt Ausnahmen – aber wenige Doch, es gibt sie. Die Ausnahmen. Die Ausnahmen, die hoffentlich eine Veränderung bewirken und be- reits als gutes Beispiel vorangehen. Wo es ein Mitein- ander und ein gegenseitiges Helfen gibt, in der Bezie- hung, in der Familie, in der Freundschaft und im Beruf. Es gibt Männer, die sich um ihre Kinder sorgen, es gibt Männer, die auch zuhause anpacken. Es gibt Frauen, die ihre Meinung sagen, es gibt Frauen, die ihre hart erarbeitete Bildung auch in einem Beruf anwenden können. Frauen, die sich ihre Kleider selbst aussu- chen und das tragen, was sie möchten. Und dennoch halten sie ihre Tradition und Kultur ein. Leider gibt es noch wenige, die sich trauen, offen ihre Meinung kundzutun. Und leider zu wenige Männer, die ihre Frauen dabei unterstützen. Eine individuelle Antwort All dies zeigt mir wieder einmal, wie privilegiert wir sind. Wie schön, einfach und unabhängig unser Le- ben ist. Und für wie selbstverständlich wir oft unsere Freiheit nehmen. Wie einfach es ist, unser Leben zu gestalten. Da frage ich mich manchmal: Sehen wir alles viel zu selbstverständlich in «unserer» Welt? Wie schwierig uns oft die Entscheidungen fallen, weil wir meist gleich mehrere Optionen haben. Jede Frau, ge- nau wie jeder Mann, sollte das Recht haben, im Leben eigene Entscheidungen zu treffen und eine Meinung sagen zu dürfen – um gemeinsam eine Lösung zu finden. Und es zeigt auch, wie banal die Frage nach dem Herd, der Macht und dem Geschlecht ist. Denn es gibt keine Antwort. Jeder ist auf seine eigene Art und Weise auf seinem ganz individuellen Werdegang erfolgreich – solange er ihn freiwillig gehen kann.

David Leuenberger leitete bis Sommer 2020 das Projekt ProESPOIR in Guinea

Frauen, die beeindrucken... Dona Maria und ihr Mann Raimondo wohnen am Fluss Anapú im Amazonasgebiet – weit abgelegen von der Zivilisation: die Reise mit dem Boot bis zur nächsten Stadt dauert 15 Stunden! Dona Maria ist eine beeindruckende Frau. Vor rund 27 Jahren hat sie von unseren Mitarbeitenden Heiri und Elsbeth Aeberhard eine Bibel bekommen, sich später für Jesus entschieden und danach bei sich zu Hause mit Hausversammlungen begonnen. Ihre Söhne und später ihr Mann kamen ebenfalls zum Glauben, wie auch weitere Leute aus ihrer Umgebung. Sie hat die Laienpastoren-Kurse von ProRIBEIRINHO besucht und leitet seit der Gründung die kleine Gemeinde «Vida Nova». Aus eigener Initiative hat Dona Maria zu- dem begonnen, die Bewohner an einem anderen kleinen Neben- fluss zu besuchen, um ihnen die Gute Nachricht weiterzugeben. Auch auf ihrem Kleinbauern-Betrieb ist sie die treibende Kraft: Sie bepflanzt gemeinsammit ihrer Familie ihre Felder, verarbeitet Maniok und hat eine Hühner- und Bienenzucht. Sie ist eine herz- liche und gastfreundliche Frau, steht den Leuten in ihrem Umfeld auch in manch schwierigen Situationen mit Tat und Rat zur Seite und ist für viele ein grosses Vorbild!

Christina Amann war von 2019 bis 2020 als Kurzzeiterin im ProESPOIR in Macenta

Beatrice Ritzmann, Länderverantwortliche Brasilien

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