03-2020 Frauen im Einsatz

Als Frau im Einsatz Daniela: Meine Hauptaufgabe ist das Begleiten einer Pri- mar- und Oberstufenschule. Ich unterstütze den Buchhalter und den Direktor der Schule. Regelmässig erzähle ich bibli- sche Geschichten in den Primarklassen oder begleite den Klassenlehrer dabei. Zu Hause erteile ich einigen Nachbars- kindern Nachhilfeunterricht und spiele und bastle mit ihnen. In der Gemeinde bin ich für die Sonntagschularbeit zustän- dig. In jede meiner Aufgaben bin ich «hineingerutscht» oder «hineingewachsen»: Die Kinder liegen mir am Herzen und so spielte ich zu Beginn einfach mit ihnen – und eines ergab das andere. Wo siehst du Vor-, wo Nachteile als Frau in deinem Einsatzland?

Cornelia

gutes Vorbild sein könnte – das ist manchmal schade. Cornelia: Als verheiratete ältere Frau, die Kinder geboren hat, hat man ei- gentlich nur Vorteile hier. Denn das Alter und das Mutterseinwird in dieser KulturpositivbewertetundsomitspüreichkeineNachteile,eineFrauzusein. Martha: In dieser Kultur ist eine Frau erst eine «ganze Frau», wenn sie «ei- nenMannhat». Obverheiratet oder nicht, spielt eine zweitrangigeRolle. Es muss einfach eine männliche Autorität «über» ihr sein. Diese Frauen wer- den dann respektvoll als «Mama» angesprochen. Es brauchte seine Zeit und meine Initiative, bis man mich auch «Madame» oder «Mama» nannte, nicht nur einfachMartha. So fühle ichmichdazugehörendund respektiert. Daniela: Die meisten Einheimischen denken, dass mein Mann und meine Kinder in der Schweiz leben. Wenn ich ihnen erkläre, dass ich wirklich kei- nen Ehemann habe, können sie das kaum glauben, denn in ihrer Kultur gibt es das eigentlich nicht. Bei allen Organisationen gibt es mehr Frauen, die ohne Familie im Einsatz sind als Männer. Was denkst du – weshalb könnte das so sein? Rahel: Könnte es eine höhere Frustrationstoleranz sein? Oder die Gabe der Frau, als Managerin viele Bereiche im Leben gleichzeitig zu verwal- ten? Unverheiratete Männer gelten in vielen Kulturen auch noch als nicht ernstzunehmende Jungs … und es wird ihnen wenig Respekt entgegen- gebracht, das macht es auch schwieriger. Martha: Dazu habe ich mehr Gegenfragen oder Vermutungen: Statis- tisch gesehen gibt es mehr alleinstehende Frauen als Männer, auch in den Gemeinden. Viele von ihnen können vielleicht ihre Leitungsgaben im Norden, wo oftmals Männer als Leiter eingesetzt werden, nicht voll ausüben und lassen sich von Gott in den Süden berufen. Vielleicht ha- ben Frauen auch eine grössere Leidensbereitschaft als Männer und sind deshalb offener und lenkbarer für einen Einsatz? Ist das Herz der Frauen imAllgemeinen empfänglicher, einfühlsamer, offener für die Nöte der Be- nachteiligten dieserWelt – und entscheiden sich etliche deshalb für ein Ja zum Dienst, wo «Not am Mann» ist? Wie hat die interkulturelle Arbeit dein Frauenbild geprägt? Rahel: Die Tatsache, dass eine Frau in vielen Kulturen in der Rolle als Ehe- frau und Mutter hoch geachtet wird, hat mich geprägt. Manchmal wird dies in Europa zu wenig wertgeschätzt und es wird nur auf die Arbeits- leistung geachtet. Im Muttersein sehen viele «nur» eine Nebenrolle. Das ist schade! Zudem habe ich Respekt vor Frauen, die ihren Dienst für Jesus seit Jahren ohne Ehepartner tun und dafür persönliche Bedürfnisse zu- rückgesteckt haben, ja vielleicht auch «begraben» mussten. Martha: Ich lernte hier in all den Jahren sehr, sehr viele mutige, tapfe- re und gottesfürchtige Frauen kennen. Was die meisten in ihrem Leben durchmachen mussten, können wir uns gar nicht vorstellen. Ich bin überzeugt, dass Frauen nicht das «schwache Geschlecht» sind, aber sie sind auf Schutz, Liebe und Anerkennung im Leben angewiesen, damit sie blühen können, wo sie hingepflanzt sind. Meiner Meinung nach ist dieser Platz letztendlich für uns Frauen bei Gott allein zu finden. Wir sind geliebte Töchter und Ebenbild Gottes und wir dürfen in die Person hin- einwachsen, die er für uns vorgesehen hat.

Über die Hälfte unserer aktuellen Langzeitmitarbeiten- den sind Frauen – und das ist schon seit einer Weile so. Im Interview erzählen vier von ihnen, wie es ist, als Frau im Einsatz zu sein: • Martha Gafafer, 63, ist seit März 1990 im ProESPOIR in Guinea im Einsatz. • Rahel Ringger, 36, war insgesamt 4.5 Jahre in Kamerun im Einsatz und ist jetzt seit Ende 2019 mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Handwerkerschule CCS in Sri Lanka. • Cornelia Flückiger, 53, ist seit Januar 2019 mit ihrem Mann in Guinea in der Hauptstadt Conakry im Einsatz. Im Alter von etwas mehr als 50 Jahren haben sich die beiden entschieden, nochmals durchzustarten. • Daniela Seitz, 53, ist seit 2002 im ActionVIVRE Nord in Guinea im Einsatz. Wie sehen deine Aufgaben im Einsatzland aus, was machst du? Martha: Ich bin in der Lepraarbeit tätig und nach 30 Jahren Einsatz ziehe ich mich mehr und mehr daraus zurück. Herz- stück und Höhepunkt meines Einsatzes waren die intensiven Jahre der Wiedereingliederung von behinderten, ehemaligen Leprabetroffenen. Jetzt übe ich mich im Abgeben von Verant- wortung und im Ermutigen von Mitarbeitenden. Ich versuche sie darauf hinzuweisen, dass unser Tun und Sein dann Sinn macht, wenn wir immer wieder die innige Beziehung zu Jesus suchen – denn das habe ich selber so erlebt. Rahel: Im Moment bin ich hauptsächlich mit dem Home- schooling unserer drei Kinder beschäftigt (2. Klasse, Kinder- garten, Spielgruppe). Ansonsten erledige ich Administratives für uns als Familie, helfe im CCS und kümmere mich um den Haushalt. Eigentlich hätten wir den Unterricht gerne an eine Lernhelferin oder einen Lernhelfer abgegeben, doch da wir bis zur Ausreise niemanden gefunden hatten, übernahm ich die Aufgabe selber. Cornelia: Meine Hauptaufgabe ist die Leitung des Gästehau- ses von SAM global in Conakry, Guinea. Ich sorge dafür, dass alle ein- und ausreisenden Mitarbeitenden, deren Gäste und auch Mitarbeitende von anderen Organisationen eine saube- re und angenehme Unterkunft haben und alles Nötige, was man hier braucht, erhalten. Dazu gehört, dass ich jeden Tag Mittag- und Abendessen organisiere und mehrheitlich auch selber koche und serviere. Neben dem physischenWohl küm- mere ichmich auch umdas psychischeWohl der Gäste, indem wir viele Gespräche bei Tisch führen, Freuden und Leiden teilen. Daneben bleibt noch Zeit übrig, um mich in unserer Nachbarschaft zu engagieren – ich gehe zu den Frauen und Kindern im Quartier, nehme Anteil an ihrem Leben, berate sie in medizinischen Fragen, verbinde Wunden und spiele mit den Kindern. Manchmal sitze ich einfach nur dort und höre zu.

Martha

Rahel: Als Mutter bin ich automatisch näher an anderen Fa- milien dran. In einem Land wie Sri Lanka, in dem der Familien- verbund und die jeweilige Rolle, welche man darin einnimmt, grosse Bedeutung beigemessen wird, geniesse ich als Mutter (Amma) einen gewissen Status. Insgesamt haben Frauen hier aber weniger zu sagen und müssen mehr kämpfen, um sich Gehör zu verschaffen. Cornelia: Da ich schon 53 Jahre alt bin und das Alter in Afri- ka geehrt wird, sehe ich eigentlich keine Nachteile, als Frau hier zu sein. Ich werde meist sehr geehrt und man nennt mich Mamma oder Tanti. Dass man mich meist Madame Pierre nennt (nachmeinemMann) und nicht bei meinem rich- tigen Namen, daran musste ich mich natürlich schon etwas gewöhnen! Es ist wichtig, dass ich mich gerade muslimischen Männern gegenüber kulturell korrekt verhalte, das heisst, ich schaue ihnen nicht in die Augen. Zudem ist es oft nicht ange- messen, die Hand zu schütteln oder überhaupt einen Mann anzusprechen. Manchmal ist es auch ein Vorteil, wenn man den Ehemann vorschieben kann und nicht selber schwierige Entscheidungen treffen muss. Martha: Ich glaube, ob Frau oder Mann: wenn ich genau weiss, dass ich am Platz bin, den Gott mir zugewiesen hat, vergesse ich die Liste der Vor- oder Nachteile. Daniela: In meinem Einsatzland haben oft die Männer das Sagen. Als Frau – erst recht als ledige Frau – muss man sich Respekt und Ansehen erarbeiten. Älter werden ist ein Vorteil – inzwischen kommen regelmässig Kinder und Erwachsene zu mir, weil sie einen Ratschlag oder andere Hilfe brauchen. Welchen Einfluss hat dein Zivilstand darauf, wie du wahrgenommen wirst? Rahel: Verheiratet zu sein ist ein gewisser Schutz. Oftmals wird man von anzüglichen Bemerkungen und Sprüchen ver- schont. Aber als Verheiratete hat man auch weniger Freiheit. Gewisse Dinge «macht man als Verheiratete nicht mehr» – zum Beispiel im Jugendchor mitsingen, auch wenn man ein

Daniela

Rahel

Davon träume ich: «Mein Traum ist es, Lehrerin zu werden, um den Kindern in Kambodscha zu helfen. Vor allem möchte ich die Kinder auf dem Land unterstützen, denn oft gibt es dort nicht sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten. Das ist mein grösster Wunsch!» Minea, 20, Trainee im Lighthouse Battambang, Kambodscha

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