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Leute zusammenleben. Nach und nach konnte ich über meine Situation spre- chen, meine Sorgen teilen, meine Ängs- te erklären und meine Träume äussern. DER LANGE WEG lange

Warum bist du traurig? Weil ich wegen meines Engagements für Menschenrechte leider nicht mehr in meine Heimat zurückkehren darf. Was fehlt dir hier? Mir fehlt der Geruch von unserem viel- fältigen Essen, die farbigen Kleider und vor allem diese innere Freiheit. Wie ist diese Situation für dich? Es war sehr schwierig, alleine zu sein. Wenn man sich so verloren fühlt, sucht man nach Freunden, braucht Aufmerk- samkeit und möchte gehört werden. Der Mangel ist sehr gross! Konntest du Hilfe finden, in einem Land, wo du niemanden kennst? In den Augen der Menschen sah ich nur Ablehnung. Ich habe mich dann verschlossen und ich suchte irgend- wie in meiner Ruhe eine Lösung. Die ständigen Fragen in meinem Kopf wa- ren: «Wo bin ich?», «Was soll ich ma- chen?», «Wie kann ich meine Familie behüten?», «Wie fahre ich jetzt wei- ter?». Was hat dir geholfen, ein Zuhause zu finden? Als ich verstanden habe, dass nur Gott mir wieder ein Zuhause geben kann, hat dies wieder Ordnung in mein Le- ben gebracht. Wenn die Kulturen, die Hautfarben oder die Sprachen so un- terschiedlich sind, findet man in ei- ner geistlichen Gemeinde eine Einheit. Ausserhalb habe ich die Leute unter- schiedlich und distanziert wahr- genommen; aber innerhalb ei- ner geistlichen Familie ist es anders: Dort herrscht zuerst die Liebe. Bist du «angekom- men»? Teilweise – am An- fang habe ich eher skeptisch eine Gemeinde besucht. Langsam habe ich geprüft, wie die

P.H.* ist vor drei Jahren aus Afri- ka in die Schweiz geflüchtet – sei- ne Frau und seine Kinder musste er zurücklassen. Im Interview er- zählt er, weshalb er geflüchtet ist, und wie «zuhause» er sich in der Schweiz wirklich fühlt. Warum hast du deine Heimat verlas- sen? Ich bin in die Schweiz gekommen, um bei der UNO die Ungerechtigkeit in meiner Heimat anzuprangern. Ich konnte erzählen und beweisen, wie Minderheiten jeden Tag leiden. Nach diesem Vortrag wurde mir von der Re- gierung meines Landes verboten, wie- der in meine Heimat zurückzufliegen. Ich war also in der Schweiz blockiert, weit weg von meiner Frau und mei- nen drei minderjährigen Kindern. Seit- dem bin ich im Labyrinth des Asylver- fahrens. Wenn du an deine Heimat denkst, was geht dir durch den Kopf? Ich komme ganz durchei- nander. Ich vermis- se meine Heimat und gleichzei-

P.H. mit seiner Schweizer Kleingruppe.

Was hat das alles in dir ausgelöst? Im Laufe der Zeit bin ich innerlich be- reit geworden, Gott alles hinzugeben und nur seinen Willen tun zu wollen. Ich weiss noch nicht, was er damit ma- chen wird. Aber eines ist sicher: Es wird sein Wille geschehen! Langsam spüre ich wieder diesen Frieden, kann mit den Leuten umgehen, so wie sie sind, und ihnen nur Segen und Frieden wünschen. Wie blickst du in die Zukunft? Ich fühle mich in der Schweiz noch nicht Zuhause. Aber mit der Verbes- serung meiner Beziehung zu Gott, mit geistlichen Schwestern und Brüdern kommt es immer mehr. Ich weiss, ich bin nicht mehr alleine, ich bin ein ge- liebtes Geschöpf Gottes. Ich weiss, er kümmert sich nicht nur um mich, son- dern auch ummeine Familie. Jetzt weiss ich: Gott hat mich hierhergebracht, da- mit ich wieder in seiner Heimat woh- ne und damit wir unsere Beziehung er- neuern.

tig habe ich Angst und bin traurig, wenn ich daran den- ke.

* Name der Redaktion bekannt

P.H. ist ein Aktivist für die Menschen- rechte in seinem Land. Er ist daran, sein erstes Buch in Deutsch «Das Laby- rinth» zum Thema Integration zu ver- öffentlichen.

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