diesem Austausch profitieren würden. Das hat sich genauso bewahrheitet. Herausgestellt hat sich aber auch, dass sich sowohl die Be - grifflichkeiten als auch das Grundverständnis von Ehrenamt und freiwilligem Engagement in Deutschland und der Türkei deutlich vonein - ander unterscheiden. Sinnbild für diesen anderen Ansatz sind für die Teilnehmenden im Lauf der Veranstaltung die beiden zentralen Worte in beiden Sprachen geworden, die für den bearbeiteten Themen - bereich stehen: das Begriffspaar „Ehrenamt“ und „gönüllülük (Freiwilligenarbeit, wörtlich: Herzenssache)“. Hinter der Hervorhebung dieser beiden Begriffe verbirgt sich die Ein - sicht, dass sowohl die Beschäftigung mit der Terminologie als auch die intensive Auseinan - dersetzung mit Konzepten und mit der prak - tischen ehrenamtlichen/freiwilligen Arbeit an der Basis eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis des jeweils anderen Systems dar - stellt. Dringt man durch die erst einmal fremd anmutenden Schichten der anderen Begriffe, Systeme und Akteure, offenbaren sich in der gelebten Praxis der engagierten Menschen hier wie dort ähnliche Motivation und ähnli - che Tätigkeiten. Diese Publikation In den dieser Publikation zugrunde liegenden drei Veranstaltungen des Fachtags haben wir uns dem komplexen Thema Ehrenamt und freiwilliges Engagement von verschiedenen Seiten angenähert. Im ersten Modul ging es hauptsächlich um die historische Genese, um die Definition von Begriffen und Formaten und um aktuelle jugendpolitische Schwerpunkte. Das zweite Modul konzentrierte sich auf An - sätze der Qualifizierung anhand konkreter Bei - spiele verschiedener Träger. Im dritten Modul ging es um Fragen der Motivation sowie um Möglichkeiten, neue Zielgruppen zu erreichen. Dabei gehörte es zum Konzept, jeden Themen - schwerpunkt inhaltlich jeweils aus beiden Län - dern zu beleuchten. Sowohl Wissenschaft und Forschung als auch Politik und Verwaltung, Fachverbände, Jugendorganisationen waren vertreten. Sowohl die Leitungsebene als auch junge Freiwillige kamen zu Wort und sind auch
hier in Beiträgen vertreten. Um die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Beiträge zu bewah - ren und nicht in eine künstliche Systematik zu pressen, listet diese Veröffentlichung nicht jeweils einen deutschen und einen türkischen Text zum gleichen Thema auf, sondern präsen - tiert die Beiträge in Form eines ineinandergrei - fenden Mosaiks – in diesem Sinne ist dies keine klassische Veranstaltungsdokumentation. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Gemeinsam ist beiden Ländern, dass die An - fänge des Ehrenamtes jeweils weit zurück in der Geschichte liegen, zugleich aber die aktuel - le Politik und Gesellschaft sowohl in Deutsch - land als auch in der Türkei dem freiwilligen Engagement junger Menschen eine große Be - deutung beimessen. In der Türkei entstanden die ersten institutio - nalisierten ehrenamtlichen Aktivitäten im Kon- text religiöser Stiftungen. Das Stiftungswesen war im Osmanischen Reich weit verbreitet und sehr entwickelt. Diese Stiftungen widmeten sich vorwiegend karitativen und Bildungszwe- cken. Bis heute spielen Stiftungen im Bereich Bildung und soziale Arbeit in der Türkei eine wichtige Rolle. Die Wahrnehmung des freiwil - ligen Engagements in der Türkei ist bis heu - te stark geprägt von dem Motiv des Helfens. Dabei gehört es bis heute zum guten Ton, das Engagement nicht an die große Glocke zu hän - gen. Ein türkisches Sprichwort sagt, dass dabei selbst die linke Hand nicht wissen solle, was die rechte tut. In Deutschland ist die historische Entstehung des Ehrenamtes verknüpft mit der wachsen - den Bedeutung des Bürgertums. Zwar ist auch hier die Wohlfahrt eines der zentralen The - men, dies aber im gesellschaftlichen Kontext einer entstehenden bürgerlichen Selbstorga - nisation. Aspekte von Partizipation und Mitge - staltung spielen hier von Anfang an eine Rolle. Spätestens mit der Einführung der geregelten Freiwilligendienste ab den 1990er Jahren sind in Deutschland auch Fragen von Qualifizie - rung, Anerkennung und Zertifizierung fest mit dem Thema Ehrenamt verbunden.
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