IHK-Magazin Ausgabe 4/2024

TITELTHEMA | DIGITALISIERUNG

Pahl betont. „Wir kombinieren Steuerungstechnik, digitale Produkte und KI. Dadurch wachsen die Bereiche interne IT und OT (Operational tech- nology = Betriebstechnologie) zusammen.“ Diese Änderun- gen haben Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung, wie Geschäftsführer Auerham- mer berichtet: „Wir haben die Expertise in der IT, im Elektro- bereich und in der Automati- sierungstechnik. Unsere Mit- arbeiter sollen nun die jeweils anderen Bereiche durchlau- fen, um die neuen Systeme infrastrukturell einbinden zu können.“ Auch bei AZO wird die digitale Transformation als Prozess und nicht als Zustand verstan- den. So sammelt die Depa- lettierungsanlage bei jedem Entleervorgang Daten aus Antrieben und Sensoren. Diese Daten wollen die Entwickler für künftige Vorhaben zurate ziehen. Das Unternehmen kann so aus den bisherigen Projekten lernen und seinen Kunden im Rahmen von Customer-Care- bzw. After-Sa- les-Services die besten Opti- mierungen vorschlagen. Zugleich will AZO mithilfe generativer KI das Knowhow der ausscheidenden Baby- boomer-Generation bewah- ren und Chatbots inklusive Übersetzungsmodelle für nichtdeutschsprachige Fach- kräfte nutzen, wie Daniel Auerhammer erklärt: „Viele andere Unternehmen haben sich damit noch nicht be- schäftigt und halten das für nicht notwendig. Wir rich- ten uns auf die Zukunft aus, um der VUCA-Welt resilient gegenüberzutreten“. VUCA ist ein Akronym und steht für „volatility“ (Volatilität), „uncertainty“ (Unsicherheit), „complexity“ (Komplexität) und „ambiguity“ („Mehrdeu- tigkeit“) (Anm. d. Red.).

INTERVIEW „Keine Frage der Technik, sondern der Awareness“

Jahren dominierte in der Bauwirtschaft BIM

Herr Reichwald, was ist Digitalisierung? Julian Reichwald: Di- gitalisierung bedeutet eigentlich nichts anderes, als ana- loge Informationen in die digitale Welt zu überführen. Das kann schon durch das Einscannen einer Rechnung geschehen.

(Building Informa- tion Modelling), in der Industrie das Thema digitale Zwillinge. Bei beiden Ansätzen

geht es um die 1:1-Abbildung

physischer Objekte im virtuellen Raum. Seit gut zwei Jahren dominiert nun das The- ma künstliche Intelligenz. KI macht aber nur in ausge- wählten Fällen so weitflächig eingesetzt Sinn, wie es im Marketing verkauft wird. Viele Problemstellungen lassen sich auch mit einfacheren und nachvollziehbareren Mitteln lösen. Welche Voraussetzungen soll- ten für die digitale Trans- formation gegeben sein? Reichwald: Das ist erst ein- mal keine Frage der Technik, sondern der Awareness: Der Geschäftsführung muss grundsätzlich bewusst sein, dass die digitale Transformati- on Mehrwerte bringt, um zum Beispiel Prozesse effizienter zu gestalten und Wettbewerbs- vorteile zu bewahren. Dann gilt es zu analysieren, wo im Unternehmen eine digitale Transformation überhaupt Sinn macht. Eine gut durch- dachte Strategie hilft nicht nur, Ressourcen zielgerichtet einzusetzen, sondern auch den eigenen Mitarbeitern Ängste und Sorgen zu nehmen. Und schließlich gibt es noch die technischen Voraussetzungen, die vor allem die IT-Infrastruk- tur und das Datenmanagement betreffen.

Heute versteht man unter Digitalisierung vor allem digitale Transformation. Bei der digitalen Transformation setzt man Digitalisierungs- techniken ein, um Produkte und Dienstleistungen sowie wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Prozesse breitflächig zu verändern. Für welche Branchen ist die digitale Transformation besonders bedeutsam? Reichwald: Das Bundesminis- terium für Wirtschaft und Kli- maschutz veröffentlicht jedes Jahr den Digitalisierungsin- dex, der das folgende Ranking zeigt: Die IKT-Branche hat momentan den höchsten Digitalisierungsgrad. Elektro- technik, Maschinebau und Fahrzeugbau sind eine weitere große Gruppe. Direkt danach folgen unternehmensnahe Dienstleister. Die Schluss- lichter bilden das Baugewerbe sowie die Ver- und Entsor- gungsbetriebe.

Julian Reichwald ist Professor für Wirtschaftsinfor- matik an der Hoch- schule Mannheim.

Welche Trendthemen gab und gibt es?

Digitale Zwillinge 1:1-Abbildung eines physischen Objekts im virtuellen Raum

Reichwald: Seit ungefähr 2010 nahm der Themen- komplex Industrie 4.0 (die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen) Fahrt auf. In den folgenden

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IHK Magazin Rhein-Neckar 04 | 2024

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