Militär & Geschichte

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lon Nr. 10. Sie verfügen über schwere Artillerie und sogar eine Fliegerabtei- lung, deren Hochdecker vom Typ Pfalz-Parasol A1 vor allem in den Do- lomiten als Aufklärer zum Einsatz kommen sollen. Krafft beordert seine Truppen so- gleich in Richtung Südtirol. Zu dieser Zeit kann von einer Elitetruppe im Gebirgskampf noch keine Rede sein, denn ihre ursprünglich beabsichtigte Gebirgsausbildung auf dem Lechfeld südlichvonAugsburgistaufgrundder bestehenden Zeitnot ausgefallen.Die MännerkönnensicherstindenFront- stellungen spezialisieren, in die sie nachundnacheingeschobenwerden. Österreichische Alpinausbilder und bergerfahrene Standschützen trai- nieren sie praktisch direkt im Einsatz. Italien macht einen Fehler Kraffts großer Gegenspieler ist der italienische Marschall Luigi Cadorna, der Chef des italienischen General- stabs. Er weiß eine Million Soldaten hinter sich, seine Marine blockiert obendrein gemeinsam mit den FranzosendieNachschubwege über dieAdria.Aufseiten Öster- reich-Ungarns hat manvorAn- kunft der Deutschen gerade mal20.000Standschützenund etwas Landwehrinfanterie auf- zubieten, ohne Maschinenge- wehre oder gar Artillerie. Die Tiroler Kaiserjäger und die Gebirgstruppen sind indes an der Ostfront in Galizien gebunden. AberdermächtigeCadornabegeht einen entscheidenden Fehler und zögert mit dem Angriffsbefehl. Krafft bemerkt dazu voller Erstaunen: „[Der Feind] versteht sein Geschäft nicht! Mit der Kriegserklärung hätte er auf allen Straßen einmarschieren müs- sen.“ Die erste Isonzoschlacht be- ginnt daher erst am 23. Juni 1915, der erste Hochgebirgseinsatz im August. Das bedeutet vier wertvolle Wochen Zeit für die Österreicher und ihre deutschen Verbündeten, um ihre Truppen aufzustocken und die Front zu stabilisieren! Zwei Hauptfronten in den Alpen Es werden Soldaten im Eiltempo aus dem Osten herangeschafft, Stand- schützenbataillone aus dem Boden gestampft. Sie stellen die erste ein- fache Front im Gebirge und in der felsigen Hochebene, dem Karst vor Triest. Es bilden sich bald zwei Haupt- fronten heraus: die Hochalpen von den Dolomiten über die Karnischen bis zu den Julischen Alpen sowie die

hauptsächlich entlang Österreich- Ungarns, man geht hier von keiner Gefahraus.AlsaberdieDeutschenim Winter 1914/15 in den Vogesen das erste Mal auf französische Alpenjä- ger treffen, erweisen diese sich – mit Skiern ausgestattet – als deutlich überlegen. Ein Warnschuss für die Militärs unter KaiserWilhelm II. So kommt es am 20. November 1914 zur Aufstel- lung des Bayerischen Schneeschuh- Bataillons Nr.1,dem bald dreiweitere folgen sollen. Im Mai 1915 bildet sich danndasDeutscheAlpenkorps(siehe Kasten Seite 14) mit dem Ziel, die Österreicher an der Grenze zu Italien zu unterstützen. Der Krieg erzwingt also die Notwendigkeit, und der im

ortbruch! Verrat! Das kommt den meisten Be- wohnern der k. u. k. Monar-

chie als Erstes über die Lippen, nach- dem Italien ihnen am 23. Mai 1915 den Krieg erklärt hat.Noch ein letztes Mal vereinen sich die Völker des Habsburger-Reichs unter ihrem Kai- ser Franz Joseph I. Dabei ist dieser alles andere als kriegsbegeistert, er fürchtete schon bei Ausbruch des Ers- tenWeltkriegsimJahrzuvor,dassnun das Ende der Donaumonarchie ein- geläutet ist. Hilfe darf er nur noch vom Deut- schen Reich erwarten, dem einzigen Waffenbruder von Format, jetzt, wo das bislang verbündete Italien unver- hofft die Seiten gewechselt hat (siehe

Im Zeichen des Edelweiß: Der Gebirgskrieg wird hauptsächlich zwischen Öster- reichern und Italienern ausge- tragen, aber auch deutsche Kräfte sind involviert. Hier eine Mütze für bayerische Gebirgstruppen des Alpenkorps

Erst Monate nach Kriegsbeginn stellt Deutschland eine eigene Gebirgstruppe auf.

Gebirge erfahrene bayerische Gene- ralleutnant Konrad Krafft von Dell- mensingen ist fortan der „Führer des Alpenkorps“. Zur Enttäuschung der öster- reichischen Kameraden kom- men zu Beginn lediglich 26.000 Soldatenundetwa9.500Pferde. Das Deutsche Alpenkorps ent- puppt sich ihnen als ein Misch- wesen aus Division und Ar- meekorps, aufgegliedert in zwei Infanteriebrigaden mit je zwei Regimentern. Darunter be- finden sich vier Schneeschuh-Batail- lone und Kampfeinheiten wie das Bayerische Infanterie-Leibregiment und das Hannoversche Jäger-Batail-

Kasten unten). Doch ausgerechnet gegen den südlichen Nachbarn muss sich das Habsburger-Reich zunächst allein behaupten, denn Italien geht strategisch geschickt vor und vermei- deteszunächst,auchdemDeutschen ReichdenKriegzuerklären,dassomit im nun beginnenden Gebirgskrieg vorerst nur sehr verhalten in die Frontkämpfe eingreift. Ein Warnschuss für die Militärs Vorbereitet ist Deutschland auf die- sen Konflikt ohnehin nicht, vielmehr hält man dort eine Gebirgstruppe bis zum Ausbruch des Weltkriegs für überflüssig. Die gebirgigen Grenz- regionen des Landes erstrecken sich

HINTERGRUND DieVorgeschichte

Das Savoyische Königreich Italien , seit 1871 auch mit Rom und dem Vatikan vereinigt, schielt in den kommenden Jahrzehnten auf die Habsburger-Gebiete in den südlichen Alpen, in denen italienische Minderheiten leben – ein idealer Vorwand für die anvisierte Einverleibung in den eigenen Staat. 1914 sieht Italien seine Chance gekommen: Obwohl mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn seit 1882 im Dreibund – einem Verteidigungspakt – veran- kert, wirft es den Partnern vor, den Weltkrieg begonnen zu haben. Daher bleibe es neutral. Dann aber fordert es von Österreich das be- gehrte Südtirol sowie Teile von Dalmatien und Friaul. Dem deutschen Kaiser Wilhelm II. und seinem Habsburger-Kollegen ist klar, dass ein Kriegseintritt Italiens auf der Seite des Feindes ihre Situation erheblich verschlechtern würde. Daher kommt Kaiser Joseph I. dem unsicheren

Kantonisten zunächst entgegen und gibt das Trentino, den italienischsprachigen Teil Süd- tirols, sowie die italienischen Städte um Görz und Gradiska preis, doch das genügt dem Land unter seinem König Viktor Emanuel III. nicht mehr. So nimmt Italien am 3. Mai 1915 Geheim- verhandlungen mit der Entente auf, die sogleich mit Versprechungen lockt: Sollte Italien den Dreibund aufkündigen und Österreich binnen vier Wochen angreifen, dann darf es sich die begehrten Gebiete in Tirol, am Fluss Isonzo und Dalmatien einverleiben. Auch seine Kolonien in Afrika soll es erweitern dürfen. Am 23. Mai 1915 erklärt Italien Österreich-Ungarn den Krieg, nicht aber dem Deutschen Reich, das daher zunächst nicht offiziell in den Gebirgs- krieg eingreift. Dies ändert sich erst mit der Kriegserklärung Italiens an Deutschland vom 27. August 1916.

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