Militär & Geschichte

zwei Stunden. Nahe der Seilbahnsta- tion windet sich ein steilerTunnel die Felsen hinauf, einst von den Italie- nern ins Gestein gesprengt. Entlastung für die Isonzofront Am 27. August 1916 erklärt Italien auch dem Deutschen Reich den Krieg, was nun Kaiser Wilhelms Truppen ermöglicht,unmittelbar in Italien ein- zugreifen.Noch immerwagt Cadorna mit seiner 1. Armee keinen Großan- griff über die Dolomiten. Die Öster- reicher schinden zudem Zeit, indem sie Forts besetzt halten, die noch aus der napoleonischen Zeit stammen und den kürzesten Weg nach Kärn- ten versperren. Die Festungen kön- nenzwarmodernenBrisanzgranaten nicht standhalten, und das wissen auch die k.u.k.Offiziere.Daher haben sie dort nur noch Restmannschaften positioniert,aber durch ständigwech- selndeBesatzungentäuschensieden Italienern erfolgreich eine Vollbeset- zungvor. VieleKriegsgeschehnisseereignen sich parallel, daher muss der Erzähl- strang von Zeit zu Zeit zurückgespult werden. Nun gilt es, die bedrängte Isonzofront zu entlasten. Zu diesem Zweckstartetam15.Mai1916dieSüd- tiroloffensive,bei der die k.u.k.Armee versucht, in Richtung auf Padua und Venedig vorzustoßen, in der Hoff- nung, die Italiener östlich des Flusses Piave einkesseln zu können. Der An- griff über die Sieben Gemeinden fin- det allerdings verspätet statt, da der lang anhaltende Schneefall nichts anderes zulässt.

Artillerie die feindliche Gipfelbesat- zung in Deckung zwingt. Sind die An- greifer fast angekommen, verstum- men die Geschütze, die Männer wer- fen Handgranaten in die gegnerische Stellung und springen in den Gipfel- graben. Dann folgt die Hölle: der Nah- kampf mit Sturmmessern, Schlag- ringen, Bajonetten, Handgranaten und Flammenwerfern. Wenn möglich, bringen die Män- ner ihreToten zuTal. Es kommt nicht selten zu der gruseligen Situation, dass die Nachrückenden hinaufmar- schieren und dabei den Weg der Ka- meraden kreuzen, die gerade die Ge- fallenen hinuntertragen. Doch oft ge- nug bleiben dieVerstorbenen einfach liegen, in Fels und Gletschereis kann man schlecht Gräber anlegen. Waghalsige Konstruktionen So sieht es die ganze Hochfront ent- lang aus. Um dem ständigen Be- schuss zu entgehen, vor allem der Artillerie, deren Projektile die um- liegenden Felsen zersplittern lassen und in tödliche Schrapnelle verwan- deln, sprengen und buddeln beide Seiten Stollen in die Felswände. Und um dieVersorgung mit Waffen, Mate- rial und Nahrungsmitteln zwischen den Stellungen aufrechtzuerhalten, bauen sie waghalsige Seilbahnkon- struktionen,wahreMeisterstückeder Ingenieurskunst, und das mit ein- fachsten Mitteln. Die Italiener wie- derum sind Meister im Straßenbau. Das senkt auch die Zahl der Ver- luste an Soldaten, Kriegsgefangenen und Lasttieren.Dennoch,zwei Drittel aller Toten holt sich die Natur: Lawi- nen, Steinschlag, Erfrierungen, Ab- stürze,Temperaturen bis minus drei- ßig Grad.Ein fürTouristen heute noch

HINTERGRUND Die verschiedenenTruppen Italien beginnt 1872 mit der Bildung einer Gebirgs- truppe, den Alpini – dem bis heute ältesten aktiven Verband seiner Art. Die Alpini sind ausgezeichnete Schneeschuhfahrer (= Skifahrer) und verfügen über zerlegbare schwere Geschütze, die sie auf Lasttiere binden können. Erst 16 Jahre später folgt Frankreich mit seinen Alpenjägern (chasseurs alpins) . Die k. u. k. Monarchie beginnt 1906 mit der Aufstellung ihrer Landwehrgebirgstruppe, den k. k. Landesschützen (seit 1917 Kaiserschützen). Wie der Landsturm und die Standschützen sind sie eigentlich nur zur Vertei- digung vorgesehen. Der Landsturm setzt sich aus irregulären Truppen zusammen, deren Kämpfer nicht älter als 42 Jahre sind. Die Standschützen verteidigen meist die Südtiroler Gebirgsstellungen. Die eigentlich als untauglich für die Front befundenen Männer wählen ihre Kommandanten aus ihren eigenen Reihen aus. Die berühmten Kaiserjäger hingegen gehören zur normalen Infanterie. Das Deutsche Alpenkorps wird am 18. Mai 1915 ge- gründet. Es setzt sich zusammen aus dem Bayerischen Infanterie-Leibregiment und drei Jägerregimentern aus Bayern, Preußen, Hannover und Württemberg. Neben Schneeschuh-Bataillonen verfügt es über sechs Fahrradkompanien, Pioniere, Minenwerfer und Nach- richtentruppen. Auch eine Gebirgsmaschinengewehr- Abteilung und Feldflieger gehören dazu. Bis Kriegs- ende setzt die deutsche Oberste Heeresleitung das Alpenkorps dann als Spezialeinheit quasi überall ein.

beeindruckendes Beispiel bietet der Monte Lagazuoi im Raum Belluno. Dieser zweigipfelige, etwa 2.800 Me- ter hohe Berg ist von Stollen, Kaver- nen – künstlich angelegten Stollen und Wehranlagen – und Steigen im wörtlichen Sinn durchlöchert. Die Front verläuft quer durch das Massiv. Heute ist das Gebiet Teil eines Frei- lichtmuseums,undalleinfürdenAuf- stieg durch die früheren k. u. k. Stel- lungen benötigt der Besucher über

Abgeseilt: Nicht mal den Verwundeten bleiben mitunter solche gefähr- lichen Abstiege erspart

Hinterhalt: Diese österreichisch-ungarischen Soldaten bereiten in Südtirol eine Steinlawine vor, die im richtigen Moment den Gegner treffen soll – eine Art der Kriegsführung, die nur im Hochgebirge möglich ist

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