Die aus Westernfilmen bekannte „Gatling-Gun“ ist der Urvater aller Maschinengewehre. Ihr rotierendes Laufbündel hat um 1900 ausgedient, bekommt aber nach dem ZweitenWeltkrieg überraschend eine zweite Chance Der richtige Dreh
B
zielen.Trotzdemverschwindetdieori- ginale, muskelkraftbetriebene Gat- ling um 1900 langsam aus den Ar- senalen, da sie viel schwerer ist als spätere Maschinengewehre,die nach dem Gasdruck- oder Rohrrückstoß- prinzip funktionieren. Die ideale Flugzeugwaffe Doch zum alten Eisen zählt die Gat- ling damit keineswegs. Um 1946 be- ginnen Ingenieure in den USA erneut einesolcheMaschinenkanonezuent- wickeln; das Resultat ist die Vulcan,
hydraulischen System des Flugzeugs gespeist wird, über eineWelle. Die Maschinenkanone verschießt mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 1.050 Metern in der Sekunde Mu- nition vom Kaliber 20 x 102 Millime- ter. Etliche Folgeentwicklungen der M61A1 sind für die gleiche Munition ausgelegt, so die (achtrohrige) Pha- lanx-Nahverteidigungswaffe der U.S. Navy,die sechsrohrige M168 des Flak- panzersM163VADSunddiedreirohri- ge M195 des Kampfhubschraubers AH-1G Cobra. Seit Westernzeiten bewährt Im Infanteriekaliber 7,62 x 51 kann sich immer noch die M134 „Minigun“ (ein Maschinengewehr) bewähren, während am anderen Ende der Ska- la die Furcht einflößende GAU-8/A Avenger des Erdkampfflugzeuges A-10 (Thunderbolt II) steht. Diese siebenläufige Gatling-Kanone ver- schießt Munition im Kaliber 30 x 173 Millimeter mit einer Schussfolge von 3.900SchussproMinute.DieGAU-8/A Avenger ist als Flugzeugbewaffnung ausschließlich bei der U.S. Air Force im Einsatz, als schiffgestützte Flak u. a. auch bei der niederländischen Marine. Die kleinere Vulcan M61A1 hat eine viel größere Verbreitung, bei der Bundeswehr leistet sie als Bord- kanone der F-104-Starfighter und F-4- Phantom lange Jahre treue Dienste. Insgesamtgesehenistesdurchaus erstaunlich, wie der Urvater aller Maschinengewehre, der uns schon in alten Westernfilmen begegnet, in modernerVarianteseinenPlatzinder Waffentechnik behaupten kann.
ei „Gatlings“ sind mehrere (meist sechs) Läufe achsparal- lel auf einer Kreisbahn ange- ordnet, sodass sie als Bündel rotieren können. Läufe und Verschlüsse sind hinten in einer Trommel zusammen- gefasst. Jeder Lauf besitzt einen eige- nen Verschluss und eine eigene me- chanische oder elektrische Zündung. Das Rohrbündel wird durch elek- trische oder hydraulische Energie in Rotation versetzt – bei den ersten Gatlings (ab 1862) noch durch Muskel- kraft mittels einer Kurbel.Hinter dem
Mit dem Funktionsprinzip lassen sich sehr hohe Schussfolgen erzielen.
Laufbündel und der Trommel ist das sich nicht mitdrehende Gehäuse an- geordnet, in dem sich eine elliptische Kurvenbahn befindet. Die Verschlüs- se werden durch diese Kurvenbahn während einer vollen Umdrehung des Laufbündels entriegelt, geöffnet und wieder geschlossen, wobei beim Öffnen und Schließen die Nachlade- funktion einsetzt. Ein kontinuierlicher Prozess An dem entsprechenden Punkt einer Umdrehung wird eine Patrone in den geöffneten Verschluss eines Laufes zugeführt.DerLaufdrehtdannweiter, sein Verschluss wird durch die Kur- venbahn geschlossen. Dabei wird die Patrone in das Patronenlager geführt und gezündet. Bei der weiteren Dre- hung zieht die Mechanik den Ver- schluss wieder zurück, zieht die leere Patronenhülse heraus und wirft sie aus. Bei Fortführen der Drehung ge- langtdanndienächstePatroneinden noch geöffneten Verschluss usw. Die- ser Prozess läuft bei allen Läufen kon- tinuierlich ab. Aus jedem Lauf wird pro Umdrehung ein Schuss abgege- ben. Es schießt immer nur ein Lauf gleichzeitig, und zwar an einer be- stimmten Stelle, meistens auf der 12-Uhr-Position. Es lassen sich mit diesem Funk- tionsprinzip, das seit seiner Erfin- dung im Wesentlichen gleich geblie- ben ist, sehr hohe Schussfolgen er-
die ab 1959 zur Standardbewaffnung der US-Jagdflugzeuge avanciert. Zwi- schen den rotierenden Teilen und dem feststehenden Waffengehäuse hat man Rückstoßdämpfer ange- bracht, eine elektrische Zündung in- stalliert und ein störunanfälliges Mu- nitionszuführsystem montiert. Diese Vulcan M61A1 ist eine gera- dezu ideale Flugzeugwaffe: Auf ein nur kurz imVisier auftauchendes Ziel kann man verhältnismäßig viele Schüsse abgeben,selbst eine nichtge- zündete Patrone wird einfach ausge- worfenundverursachtkeineStörung. Der Luftstrom bewirkt eine effektive Kühlung der Waffe. Die Schussfolge beträgt rund 6.000 Schuss pro Minute – das aber nur in derTheorie, kein mit derWaffe ausgerüstetes Flugzeug hat so viel Munition an Bord. Der Antrieb derWaffegeschiehtinderRegeldurch einen Hydraulikmotor, der aus dem
Hagen Seehase ist Realschullehrer sowie Autor militär- historischer Artikel und Fachbücher.
Auf Ketten: Gatlings lassen sich auch zur Flugab- wehr einsetzen. Im Bild ein M163- VADS-Flakpanzer mit einem modifi- zierten M61-Vulcan- Geschütz (M168) der U.S. Army (24th Infantry Division)
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Militär & Geschichte
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