Militär & Geschichte

Ein kleiner Teil der römischen Ka- vallerie kann nach Syrien entkommen, doch die Hauptmacht hat das schüt- zende Bergland noch nicht erreicht. Surenas bietet nun Crassus überra- schenderweise Verhandlungen an. Als dieser mit seinem Stab bei den Parthern eintrifft, schnappt die Falle zu: Surenas lässt alle Emissäre töten, nicht zuletzt den Befehlshaber Mar- cus Licinius Crassus. Die damit führer- losen übrigen römischen Truppen versuchen zu fliehen, werden jedoch größtenteils von den Parthern nieder- gemacht oder gefangen genommen. 9HUVFKLHEXQJHQGHU0DFKW Neben Crassus und den heiligen Feld- zeichen der Legionen verliert Rom in dieser Schlacht etwa 20.000 Mann an Gefallenen, 10.000 gehen in Gefangen- schaft. Der parthische Feldherr Sure- nas hat somit zwar einen triumphalen Sieg errungen, er kann ihn aber nicht lange auskosten − denn bald darauf lässt ihn sein König aus Furcht vor dessen Machtzuwachs ermorden. Mit diesem Sieg verschiebt sich das Gewicht in Nordmesopotamien zugunsten der Parther, die nun auch das Königreich von Armenien auf ihre Seite ziehen können. Trotzdem bleibt der Euphrat auch weiterhin die Grenze zwischen dem parthischen Großreich und dem römischen Impe- rium, zwischen denen sich in den fol- genden beiden Jahrhunderten immer wieder periodisch Krieg und Frieden abwechseln werden, ohne dass eine Seite einen endgültigen Sieg davon- tragen wird.

waltigen Munitionsvorrat heranführt. An festgelegten Punkten können so die zurückjagenden „leer geschosse- nen“ parthischen Reiter ihre Köcher neu befüllen und sich sofort wieder in die Schlacht stürzen. Crassus befiehlt seinem Sohn Pub- lius, mit den gallischen Reitern, acht Kohorten Infanterie und 500 Bogen- schützen einen Ausfall zu unterneh- men, um die Parther zurückzudrän- gen. Diese weichen zunächst zum Schein zurück, umzingeln dann aber die Römer, und als diese die Falle be- merken, ist es zu spät. Die römische Angriffstruppe wird trotz des ver- zweifelten Mutes vor allem der Gallier von den Panzerreitern und Bogen- schützen praktisch vernichtet, nur etwa 500 Mann geraten in Gefangen- schaft. Zu den Gefallenen gehört auch der Sohn des Crassus, dessen auf eine Lanze gespießter Kopf den Römern triumphierend vorgeführt wird. 5¾FN]XJ5LFKWXQJ&DUUKDH In der Nacht beschließt der erschüt- terte Crassus den Rückzug in das etwa 30 Kilometer entfernte Carrhae. Un- gefähr 4.000 Verwundete muss man zurücklassen, diese werden von den nachdrängenden Parthern ebenso gnadenlos getötet wie alle Nachzügler und Versprengten. Crassus hat mit seinen restlichen Truppen, vielleicht noch um die 20.000 Mann, zwischen- zeitlich die Stadt Carrhae erreicht, er will sich aber dort keiner Belagerung durch den Feind aussetzen. Daher be- schließt er den fortgesetzten Rückzug in das bergige Gelände Armeniens.

Meisterhaft: Die parthischen berittenen Bogenschützen NRQQWHQVRJDUU¾FNZ¦UWVJHZDQGWLQV=LHOWUHɃHQ

TECHNIK Der Doppelreflexbogen Die Parther standen ganz in der Tradition der nomadischen Steppenvölker Zentralasiens. Als solche waren sie hervorragende Reiter und Bogenschützen. Wie Skythen, Hunnen, Awaren und später die Mongolen führten sie den äußerst schusskräftigen Doppelreflexbogen, der aus zusammengefügten Holzteilen, Sehnen und Knochenplatten bestand und dessen Herstellung lange Zeit in Anspruch nahm. Die von diesem Bogen abgeschossenen Pfeile durchschlugen die Schilde und Kettenpanzer der Römer mühelos. Vor allem das rückwärts- gewandte Abschießen der Pfeile auf den Feind in vollem Galopp – der sogenannte parthische Schuss – erforderte jahrelange Übung. Die Verbindung aus Schnelligkeit des Pferdes und der durchschlagskräftigen Wirkung dieser Fernwaffe stellte die Römer (die überwiegend als Infanterie in geschlossener Schlachtordnung kämpften) vor schwerste Probleme und trug entscheidend zu ihrer verheerenden Niederlage in der Schlacht bei Carrhae bei.

Otto Schertler studierte Archäo- logie, Vor- und Frühgeschichte und schreibt haupt- sächlich über archäologische

sowie militär- geschichtliche Themen.

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