Eines der auffälligsten Merkmale an Kampfpanzern ist ihr wuchtiges Ketten- fahrwerk. Aus welchen Einzelteilen besteht es und wie wirken diese zusammen?
E
in Raupen- oder Kettenfahrzeug verwendet ein Kettenfahrwerk, dessen wichtigster Bestandteil eine Gleiskette ist. Dabei handelt es sich um eine Endloskette aus stähler- nen Einzelgliedern oder aus stahlseil- verstärktem Gummi. Gegenüber einem Räder- erzeugt ein Kettenfahrwerk einen geringeren Bodendruck, weil das Gewicht des Fahrzeugs auf eine größere Fläche ver- teilt wird, was die Gefahr des Einsin- kens bei weichem Untergrund mini- miert. Außerdem hat ein Kettenfahr- werk eine größere Traktion; während bei einem Räderfahrwerk auf ver- schlammten Wegen die Reifen längst durchdrehen würden, ziehen die Gleisketten das Fahrzeug immer noch vorwärts. Auf der anderen Seite sind Kettenfahrwerke technisch aufwen- diger, schwieriger zu lenken und er- reichen nicht dieselbe Höchstge- schwindigkeit wie Räderfahrwerke. Außerdem verliert ein Kettenfahrzeug vollständig seine Bewegungsfähigkeit, wenn die Kette abfällt oder reißt. Von der Raupe zum Panzer Anfang des 20. Jahrhunderts entste- hen die ersten wirklich funktionsfä- higen Kettenfahrwerke, sie werden bei Spezialfahrzeugen in der Forst- wirtschaft eingesetzt. Wenig später produziert Benjamin Holt in den USA zahlreiche Kettenfahrzeuge für Forst-, Landwirtschaft und Bauwesen (aus seinem Unternehmen geht später die für ihre Raupenfahrzeuge bekannte Firma Caterpillar hervor). Auf der Ba- sis der Holt-Kettenfahrwerke ent- stehen im Ersten Weltkrieg in Groß- britannien die ersten Panzer. Bis zum modernen Kettenlauf- bzw. Kettenfahrwerk,wieesbeispielsweise beim Kampfpanzer Leopard 2 (und vielen ähnlichen Panzerfahrzeugen) zum Einsatz kommt, ist es zu jener Zeit noch ein langer Weg. Die Haupt- komponenten sind neben der Gleis- kette die Antriebsräder, die Leiträder, die Laufrollen und die Stützrollen. Die Gleiskette ist eine stählerne „Verbindergleiskette“, d. h., die einzel- nen Glieder werden durch „Verbinder“ zusammengehalten. Früher waren das meist Bolzen, die man durch Boh-
rungen der Kettenglieder schieben musste, im Falle des Leopard 2 sind es Endverbinder, die von beiden Seiten aufgeschoben und dann festge- schraubt werden. 82 einzelne Ketten- glieder bilden beim „Leo“ eine Gleis- kette, jedes Kettenglied bringt rund 33 Kilo auf die Waage. Die beiden Antriebsräder liegen beim Leopard 2 hinten. Sie übertragen die Kraft des Heckmotors auf die Kette, in die sie mittels Zahnkränzen ein- greifen. Vorn hingegen befinden sich die hochgesetzten Leiträder. Diese
häufig zu mehreren in sogenannten Rollenwagen (wie beim Sherman oder Panzer IV) bzw. als überlappende Lauf- rollen („Schachtellaufwerke“ wie etwa beim Panther) angebracht, was heute nicht mehr üblich ist. Die Laufrollen sind drehstabgefe- dert. Jede hängt an einem Drehstab (oder Torsionsstab), das ist ein Paket von Stabfedern, das sich unter Belas- tung verdreht. Diese Drehstäbe laufen am Fahrzeugboden in Hülsen über die ganze Breite des Fahrzeugs. Beim Leopard 2 sind die Laufrollen zusätz-
Nachteil: Wenn die Kette reißt, wird das Fahrzeug völlig bewegungsunfähig.
lich mit hydraulischen Stoßdämpfern ausgestattet. Oberhalb der Laufrollen läuft die Kette auf den wesentlich kleineren Stützrollen. Der Leopard 2 besitzt pro Seite vier davon, der Schützenpanzer Marder dagegen drei. Es gibt auch Kettenfahrwerke ohne Stützrollen, in diesem Fall hängt die Kette durch und liegt auf der Oberseite der nun „Lauf- räder“ genannten Laufrollen auf. Be- rühmtes Beispiel dafür ist das Christie- Laufwerk, das von britischen und so- wjetischen Panzern (wie dem T-34) verwendet wurde. Es liegt auf der Hand, dass die bei- den Ketten links und rechts am Fahr- zeug unabhängig voneinander funk- tionieren müssen. Denn nur so lässt sich ein Panzer steuern: durch unter- schiedliche Beschleunigung bzw. un- terschiedlich starkes Abbremsen sei- ner beiden Gleisketten.
wirken wie Umlenkrollen, d. h., die Laufrichtung der Kette kehrt sich an ihnen wieder um. Die Kettenspan- nung kann man durch Verändern der Position der Leiträder einstellen (das geschieht bei stehendem Fahrzeug und ist eine Knochenarbeit für die Be- satzung).WirftderPanzerdieKetteab, muss man sie an einer Stelle trennen undmithilfeeinerWindeo.Ä.neuauf- ziehen. Bei einer stark abgenutzten Kette kann man ein Kettenglied her- ausnehmen und erhält dann mit nur 81 Gliedern die notwendige Spannung. Mit verschiedenen Rollen Das Gewicht des Panzers ruht auf den sogenannten Laufrollen, beim Leo- pard 2 sieben auf jeder Seite. Sie sind gummigepolstert, um die Kette zu schonen. Die heute übliche Einzelauf- hängung der Rollen ließ lange auf sich warten; früher waren die Laufrollen
Hagen Seehase ist Realschullehrer sowie Autor militär- historischer Artikel und Fachbücher.
Arbeiten im Stand: Schwedische Soldaten am Fahr- werk ihres Leopard- Panzers. Um die Kette stärker zu spannen, lassen sich
einzelne Glieder herausnehmen.
45
Militär & Geschichte
Made with FlippingBook flipbook maker