kurz zuvorvon einem Republikflücht- ling geraubten Artillerieschlepper im Tausch gegen ihn freizupressen. DerVorfall an der hessisch-thürin- gischen Grenze markiert einen Höhe- punkt des Kalten Krieges im geteilten Deutschland.WährendRudiArnstadt in der DDR zum Märtyrer stilisiert wird, leitet die Staatsanwaltschaft in Fulda eine Untersuchung desVorfalls ein, die jedoch am 8. Oktober 1962 be- reits eingestellt wird. Die Staatsan- waltschaft glaubt den Versicherun- genPlüschkesundseinerKameraden, die DDR nicht betreten und in Not- wehr gehandelt zu haben.Für Plüsch- ke ist die Lage trotzdem desolat. Der Grenzer wird von seinen Vorgesetz- ten aufs Abstellgleis geschoben und nimmt1970seinenAbschied.Danach gründet er in Hünfeld ein Taxiunter- nehmen. Jahrelang lebt er völlig un- behelligt in unmittelbarer Nähe des Unglücksortes. Trotzdem fühlt sich derTaxifahrer nicht sicher.Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen trägt Plüschke ständig eine Waffe bei sich. Leben mit der Angst Die politischen Entwicklungen an- lässlichderWende1989/1990erfüllen Plüschke mit Sorge. Der Taxiunter- nehmer denkt, man habe ihn „drü- ben“ in Abwesenheit zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Schließlich weiß er nicht, dass die Stasi nicht ihn, sonderndenGrenzoberjägerKochfür den Täter hält. Im August 1990 bittet PlüschkedaherseinenAnwalt,beider Staatsanwaltschaft in Meiningen an- zufragen, ob ihm im Falle der Wieder- vereinigung Strafverfolgung droht. DieAkte Plüschkewird im September angelegt, verschwindet jedoch uner- klärlicherweise bald darauf.
Blick durchs Astloch: Den anfangs einfachen Bretter- oder Drahtzaun lässt die DDR nach und nach zu einer hochtechnisierten und tödlichen Grenzanlage ausbauen
Von der Sperrzone zum EisernenVorhang HINTERGRUND
Am 26. Mai 1952 beschließt der Ministerrat der DDR die Errichtung einer 5-km-Sperrzone und eines 500 Meter breiten Schutzstreifens, der durch Hinweis- und Warnschilder zu kenn- zeichnen ist. Die Sperrzone darf nur mit beson- derer Genehmigung der Behörden, teilweise nur mit bestimmten Ausweisen betreten wer- den. Die Übergänge in diese Zonen (Straßen, Wege, Bahnlinien) werden von der Grenzpolizei
überwacht. Die eigentliche Grenzlinie ist zuerst nur mit einem 1,5 Meter hohen Stachel- drahtzaun gesichert, vor dem ein zehn Meter breiter, stets fein geeggter Kontrollstreifen liegt. Zur Anlage gehören ebenfalls sechs bis acht Meter hohe Beobachtungstürme aus Holz, die an besonderen Aussichtspunkten stehen oder in der Nähe von Dörfern und Straßen- übergängen errichtet werden.
DDR-Grenzer: Am Ort des Zwischen- falls verkündet ab Herbst 1962 eine Tafel „An dieser Stelle wurde der Hauptmann Rudi Arnstadt […] von Söldnern des westdeutschen Militarismus ermordet. Seine Mörder […] werden ihrer gerechten
Strafe nicht entgehen.“
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Militär & Geschichte
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