Militär & Geschichte

Seite der alten Grenze unterwegs ge- wesen, um Fahrgäste abzuholen, die von der Disco nach Hause wollten. Später sollte er aus einem anderen Ort einen weiteren Fahrgast abholen. War dieser sein Mörder? Oder ist der Täter vielleicht jener rätselhafte An- halter, der in jener Nacht auf der Bun- desstraße von Plüschke und seinen Fahrgästen am Straßenrand gesehen, abernichtmitgenommenwordenist? Die Polizei weiß bis heute keine Ant- wort darauf. Ein Racheakt der Stasi? Einzig ein Umstand liefert einen Hin- weis auf ein möglichesTatmotiv: Der Ort, an dem Plüschke starb, befindet sich nur etwa zehn Kilometervon der Stelle entfernt, an dem er 1962 Rudi Arnstadt erschossen hat. Die Kugel, die den Taxifahrer tötete, drang über dem rechtenAuge ein – genauwie bei Arnstadt. Handelt es sich etwa um einen Racheakt der Stasi, wie die Super-Illu kurz nach dem Mord an Plüschke titelt? Die Kriminalpolizei Fulda geht dieser Theorie nach, kann den Verdacht jedoch nicht durch Beweise erhärten. DieErmittlungenverlaufenim Sande. Der Zusammenhang mit dem Todesschuss von 1962 ist nicht nach- zuweisen.SelbsteinVersuchausdem Jahr 2008, den cold case Plüschke mit- tels moderner DNA-Analyse aufzu- klären, scheitert. Für die Staatsan- waltschaft in Fulda ist der Fall damit abgeschlossen. BisheutebleibtderMordanHans Plüschke ein Rätsel, das wahrschein- lich erst gelöst wird, sollte der Täter sich stellen. Alain Felkel

Der Fall Arnstadt kommt trotzdem nicht zur Ruhe. 1996 erstattet der Rechtsanwalt und ehemalige Stasi- Offizier Frank Osterloh im Auftrag VeronikaArnstadtsundeinesVereins von ehemaligen SED-Funktionären sowie Stasi- und Grenztruppen-Vete- ranenAnzeigegegendenehemaligen BGS-Oberjäger Dieter Koch.Als Oster- loh daraufhin Akteneinsicht erhält, wird ihm klar, dass nicht Koch, son- dern Plüschke Arnstadt erschossen hat.Osterloh beantragt bei der Staats- anwaltschaft Berlin sofort die Auf- nahme eines Strafermittlungsverfah- rens, das jedoch im Mai 1998 von der Staatsanwaltschaft Fulda in Erman- gelung neuer Beweise niedergeschla- genwird.Plüschke scheint erleichtert zu sein. Jedenfalls gibt er am 14. Au- gust 1997, dem 35. Jahrestag des töd- lichen Schusswechsels, dem Hessi- schen Rundfunk ein Fernsehinter- view. Darin bekennt Plüschke, dass er im Falle seiner Enttarnung immer

Hans Plüschke gibt sich nach der „Wende“ als der wahre Todesschütze von 1962 zu erkennen. Ruft er damit seinen späteren Mörder auf den Plan?

tet.Sein Leichnam liegt etwa 70 Meter von seinem Auto entfernt auf dem Rücken am Straßenrand. Wie die Spurensicherung ermittelt, hat der Mörder ihn dorthin geschleift. Die Obduktion der Leiche ergibt, dass

Plüschke wird in der Nähe des damaligen Tatortes erschossen – nur ein Zufall?

Angst hatte, dass die Stasi seiner Familie etwas antun könnte.Es ist die letzte Äußerung, die er vor laufender Kamera gibt. DerMord Nur ein halbes Jahr später entdeckt man seine Leiche am 15. März 1998 gegen 4 Uhr morgens auf der Bundes- straße 84 bei Wiesenfeld im Kreis Fulda.Das gruselige Déjà-vu: Ähnlich wie einst Arnstadt, wurde nun auch Plüschke mit einem Kopfschuss getö-

Plüschke wahrscheinlich mit einer Waffe des Kalibers 22 Millimeter er- schossen wurde. Eine Geschosshülse ist jedoch ebenso wenig aufzufinden wie dieTatwaffe selbst. Auch zum Tatmotiv gibt es kaum Hinweise.GeldbörseundPapierewur- den nicht entwendet, ein Raubmord scheidet daher aus. Die Rekonstruk- tion von Plüschkes letzter Arbeits- schicht liefert ebenfalls keine brauch- baren Ermittlungsergebnisse. Der Ta- xiunternehmeristaufderhessischen

Die DDR-Medaille für vorbildlichen Grenzdienst gab es v. a. für die Ver- hinderung von Fluchtversuchen (bei denen zuwei- len auch Grenz- soldaten zu Tode kamen, siehe unten)

Tote an der Grenze * ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

Letzter Gruß: Pioniere nehmen Abschied von einem Soldaten der Grenztruppen der DDR, der 1962 in Berlin von einem Fluchthelfer getötet worden war

Insgesamt kamen zwischen 1949 und 1989 bei Fluchtversuchen circa 1.000 Menschen um (Fluchten über die Ostsee und Ostblockstaaten mit eingerechnet). Davon wurden 140 bei der Flucht aus Ostberlin getötet, weitere 327 Menschen fanden an der innerdeutschen Grenze den Tod. In diese Statistik eingeschlossen sind folgende Opferzahlen: 2 Todesfälle von westdeutschen Zollbeamten, die von DDR-Grenzpolizistenerschossenwurden 24 FällevonFahnenflüchtigenderDDR-Grenztruppen,dieerschossen wurden,Minenauslösten,ertrankenodernachdemScheitern ihresFluchtversuchsSuizidverübten 9 Grenzsoldaten, erschossen von Fahnenflüchtigen 8 erschossene Grenzsoldaten, die für Flüchtlinge gehalten wurden 3 Grenzsoldaten, erschossen von bewaffneten Zivilisten 3 Grenzpolizisten, erschossen von Patrouillen der US-Streitkräfte 1 Grenzsoldat,erschossendurchAngehörigedesBundesgrenzschutzes

* Die Statistik beruht auf einer Dokumentation der Freien Universität Berlin, Stand 1. Januar 2017

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