Standard nicht zu halten: Im Verlauf des Krieges werden nur drei der insgesamt 14 aufgestellten Fallschirmjägerdivisionen für den Sprungeinsatz ausgebildet
Auf alles vorbereitet: Vor dem Krieg wird auch der Einsatz mit Gasmaske geübt, dieser Soldat trägt zudem eine MP18
Ein kleiner Teil der Unterweisungen (Fallschirmarten, Funktionsweise, Verhalten beim Absprung, Sicher- heitsbestimmungen) findet im Unter- richtsraum statt, der größere im Han- gar und auf dem Flugplatz. Bodentur- nen, Gurtzeugübungen und Übungen an verschiedenen Geräten und Attrap- pen, an denen das Verhalten beim Ab- sprung und bei der Landung trainiert werden, stehen täglich auf dem Dienstplan. Dabei tragen die Männer stets die weite Fallschirmschützen- bluse („Knochensack“). Auf dicken Matten, die auf dem Bo- den des Hangars ausgelegt sind, ler- nen die Rekruten die Rolle vorwärts undrückwärts.Sieüben,wiemanüber bis zu sechs Kameraden hechtet und dann abrollt. Um das Verlassen des Flugzeuges zu trainieren, springen die Soldaten im Gurtzeug in ein Netz. Für den korrekten Landefall hechten sie aus zwei Meter Höhe aus einer der Ju 52 nachgebildeten Tür. An einem Pendel, an dem die Männer hochgezo- gen und wie bei einer Schaukel hin und her geschwungen werden, erler- nen sie die richtige Körperhaltung für die Landung. An einem Rumpfteil ei- ner Ju 52, das vor dem Hangar steht, wird ihnen beigebracht, was sie beim Kommando „Fertigmachen“ zu tun haben (Einklinken der Reißleine/rich- tiges Greifen der Türgriffe). Theorie und Praxis Am sogenannten „Windesel“ (eine Ju 52 ohne Flügel), dessen mittleres Propellertriebwerk die Aufgabe hat, Wind zu erzeugen, trainieren die an- gehenden Fallschirmjäger, die mit dem Schirm über den Boden geschleift werden, schnellstmöglich aufzuste- hen und den Schirm zu umlaufen, da- mit er in sich zusammenfällt.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung erlernen die Fall- schirmjäger der Luftwaffe den Kampf am Boden. Sie werden an allen Hand- waffen, Handgranaten und Pionier- sprengmitteln ausgebildet. Sie üben den Bunker- und Grabenkampf und das Sprengen von Drahthindernissen, außerdem bei großen Gefechtsübun- gen das Zusammenwirken mit Jagd- flugzeugen, Sturzkampfbombern so- wie Panzertruppen. Einsatz und Mythos Zusammengefasst sind die Fall- schirmjägerverbände, die Transport- flieger-Kampfgruppen I und II, das Lastensegler-Kommando sowie die Fallschirmschule in der 1938 gebilde- ten 7. Flieger-Division (ab 1943 1. Fall- schirmjäger-Division), deren Aufstel- lung zu Kriegsbeginn noch nicht be- endet ist. Werden die Fallschirmjäger im Po- lenfeldzug noch als „normale“ Infan- teristen am Boden eingesetzt, kom- men sie − beginnend ab April 1940 („Unternehmen Weserübung“ in Dä- nemark und Norwegen) − bei zumeist eindrucksvollen Luftlandeoperatio- nen zum Einsatz, die zum Mythos der Truppengattung beitragen. Einer der spektakulärsten Einsätze ist sicherlich die Einnahme des belgi- schen Sperrforts Eben Emael und der Brücken über den Albertkanal zu Be- ginn des Westfeldzuges (10./11. Mai 1940) sowie die verlustreiche, aber letztendlich erfolgreiche Luftlande- operation auf der Insel Kreta („Unter- nehmen Merkur“) im Mai 1941. Auch wenn es danach noch verein- zelte Sprungeinsätze geben sollte, ist der Einsatz auf Kreta der einzige Großeinsatz der so sorgfältig ausge- bildeten deutschen Fallschirmjäger.
Die Aufbewahrungshallen der Fall- schirme bilden einen eigenen Kom- plex. Hier, wo die Schirme gewartet, getrocknet und gepflegt werden, ste- henzahlreichelangeTische,andenen dieRekrutenvomerstenTaganlernen, ihren Schirm unter den wachsamen Augen der Ausbilder zu packen. Es braucht intensives Training, um die- senVorgang inweniger als einer Stun- de zu erledigen. Vor den Hangars liegt jener Platz, auf dem sich der Erfolg der umfas- senden Ausbildung zeigen soll: der Sprungplatz. Bereits nach zwei Wo- chen unternehmen die Männer in der Regel ihren ersten Sprung, ein Einzel- sprung mit einer Absetzhöhe von 200 bis 250 Meter. Danach folgen Rei- hensprünge aus geringerer Höhe. Der sechste und letzte Sprung ist zumeist ein Reihensprung aus 120 Meter Höhe mit Gefechtseinlage.
Auszeichnung: Nach erfolgreichem Abschluss des Lehrgangs er- halten die Soldaten das Ende 1936 gestiftete „Fallschirm- schützenabzeichen GHU/XIWZDɃHø
Oliver Richter ist Historiker und schreibt über Themen der Militär- und Technik-
geschichte des 18. bis 21. Jahr- hunderts.
Helden der Lüfte: Den Elitestatus der Fallschirmjäger macht sich selbst- redend auch die Propaganda zunutze
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Militär & Geschichte
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