Clausewitz

MILITÄR-JUNTA IN ARGENTINIEN 1976-1983

DER SCHEIN TRÜGT: Während der Fußball-WM 1978 (Argenti- nien gewinnt) zeigt sich das südamerikanische Land von seiner besten Seite – hier sind Spieler der deutschen Nationalmann- schaft in Córdoba zu sehen. Doch während die Welt „König Fußball“ feiert, wird im Hintergrund weiter gefoltert und getötet

Offiziers- und Unternehmerfamilien zur Adoption freigegeben. Offiziell sind bis heute 128 dieser „Adoptionen“ bekannt. Die „Madres de Plaza de Mayo“ (Mütter des Plat- zes der Mairevolution) gehen von insgesamt etwa 500 Fällen aus. Bei ihnen handelt es sich um eine der wichtigsten Widerstandsgrup- pen, die sich in der Juntazeit formiert und die seit dem 30. April 1977 jeden Donnerstag einen stummen Protestmarsch auf dem oben genannten Platz in Buenos Aires durchführt. Erste Risse im System Ihre erste Anführerin Azucena Villaflor hat einen ihrer Söhne und ihre Schwiegertochter an das Regime verloren und erfolglos über das Innenministerium nach ihnen suchen lassen. Dabei stößt sie auf weitere Schicksals- genossinnen und gründet ihre Bewegung. Als die „Madres“ am 10. Dezember in der Zei- tung eine Liste der verschwundenen Kinder abdrucken lassen, wird auch Azucena verhaf- tet. Zehn Tage später findet man ihren Leich- nam an der Küste. Azucena wird Opfer eines Todesfluges. Dennoch duldet das Regime die anhaltenden Protestmärsche der Mütter, da sie gewaltfrei ablaufen und man Angst vor einer

ORT DES GRAUENS: In Argentiniens zweit- größter Stadt Córdoba existiert ein Museum, das sich mit der Militär- diktatur beschäftigt. Die Ausstellung ist in einem Gebäude untergebracht, in dem die berüchtigte Spezialeinheit D2 Ver- dächtige festgehalten und gefoltert hat. Das Foto zeigt ein Verhörzimmer als Teil der Ausstellung Abb.: AA World Travel Library/ Bridgeman Images

Radikalisierung hat, wenn die Staatsmacht zu hart durchgreift. Dieser Kurs ist durchaus nicht unumstrit- ten. Präsident Videlas hat wenig Interesse, den schmutzigen Krieg zu einem Bürgerkrieg auszuweiten. Zwar hat er selbst öffentlich ver- kündet, dass die Bekämpfung der Opposition wohl 50.000 Leben kosten müsse und auch zum Tod von Unschuldigen führen würde, dennoch zählt er bald zu den sogenannten „Blandos“ (Weichen), die an einer raschen

inneren Stabilisierung und wirtschaftlichen Erholung interessiert sind. Im Gegensatz dazu streben die „Duros“ (Harten) einen tief- greifenden gesellschaftlichen Wandel an und sind wenig an der von Videla gewünschten Wiederherstellung demokratischer Verhält- nisse interessiert. Zu den Hardlinern zählen einflussreiche Juntamitglieder und Provinz- regierungschefs wie der Oberbefehlshaber der Marine, Admiral Emilio Massersa, der, unterstützt von dem ehemaligen italienischen

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