ANTIETAM 1862: Das Gemälde zeigt den verhängnisvollen Sturm des IX. Korps auf die Brücke, die später Burnsides Namen tragen wird
nene Freiheit nutzt er, um ein Gewehr zu entwickeln, das er in aller Bescheidenheit nach sich selbst benennt: den Burnside-Karabiner. Das Verteidigungsministerium ist von der Waffe überzeugt und bietet ihm einen Liefer- vertrag über 100.000 US-Dollar an (rund 3,6 Millionen Dollar nach heutiger Kaufkraft). Doch dann schlägt er- neut das Schicksal zu: Ein Feuer zerstört seine Werkhal- len. Burnside ist in der Folge gezwungen, seine wertvol- len Waffenpatente zu verkaufen, findet aber immerhin eine gute Anstellung bei einer Eisenbahngesellschaft. Aufstieg zum Brigadegeneral Vermutlich wäre er dort geblieben, wenn im April 1861 nicht der Amerikanische Bürgerkrieg ausgebrochen wä- re. Zwar gehört Burnside nicht mehr zur regulären Ar- mee, doch bekleidet er innerhalb der Miliz von Rhode Island den Rang eines Oberst. Als US-Präsident Abra- ham Lincoln mit Kriegsbeginn die Freiwilligenarmee ins Leben ruft, stellt Burnside aus den regionalen Miliztrup- pen das 1. Rhode Island Infanterie-Regiment auf, das er selbst kommandiert. Ironie der Geschichte: Zwei Kom- panien des Regiments werden ausgerechnet mit dem Burnside-Karabiner bewaffnet, die nun sein ehemaliger Konkurrent Bristol Arms herstellt. Sein Regiment hat sich kaum in Marsch gesetzt, als ihn der Dienstherr darüber informiert, dass er fortan nicht nur das Regiment, sondern eine ganze Brigade kommandieren soll. Dementsprechend befördert man ihn im August 1861 zum Brigadegeneral der Freiwilli- genarmee. Um zu verstehen, wie atemberaubend dieser Aufstieg ist, muss man sich vor Augen halten, dass er die reguläre Berufsarmee 1853 als Oberleutnant verlas- sen hat. Das US-Heer ist kriegsbedingt in viel zu kurzer Zeit viel zu stark angewachsen. Erfahrene Offiziere sind Mangelware und Burnside zählt allein aufgrund seines Westpoint-Abschlusses zu den besonders Qualifizierten. Seine Brigade schlug sich wenige Wochen vor seiner Beförderung zum Brigadegeneral in der ersten großen Schlacht am Bull Run im Juli 1861 gut, die Verluste sind relativ niedrig. Insofern mag es überraschen, dass man ihn von der Front abzieht mit dem Auftrag, eine neue
Division aufzustellen und auszubilden. Doch das hat ei- nen ganz bestimmten Grund: Die Führung plant eine große amphibische Operation in North Carolina mit dem Ziel, die konföderierten Häfen abzuriegeln. Und exakt für diese Aufgabe soll Burnside seine Männer ausbilden. Mit stolzen 12.000 Mann und einer behelfsmäßigen Flotte bricht Burnside im Januar 1862 auf. Das Ergebnis übertrifft alle Erwartungen: Die US-Marine schlägt die konföderierte Flotte bei Roanoke in die Flucht, sodass Burnsides Mannen anlanden können. Sie waten durch knietiefe Sümpfe und stürmen mit großem Elan die Schützengräben der Rebellen. Burnsides Verluste betra- gen 264 Mann, dafür aber nimmt er allein 2.675 Konföde- rierte gefangen. Bis April 1862 gelingt es der Union, na- hezu jeden Hafen an der Küste North Carolinas einzu- nehmen oder unpassierbar zu machen. Es ist der bislang größte Erfolg der Nordstaaten in diesem Krieg. Als An- erkennung befördert man Burnside zum Generalmajor. Der parallel anlaufende Halbinsel-Feldzug in Virgi- nia hingegen verläuft äußert zäh und erfolglos. Bereits im Juli zieht sich die Potomac-Armee wie ein geprügelter Hund zurück. Lincoln führt das Debakel vor allem auf den Oberbefehlshaber McClellan zurück, der viel zu zö-
MAHNMAL: Die soli- de konstruierte Burnside’s Bridge steht heute noch. Vor der Schlacht am Antietam hieß sie Rohrbach Bridge
GRÖSSTER SIEG: Der erfolgreiche Sturm auf Roanoke Island 1862 bringt Burnside höchstes Lob ein
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Clausewitz 4/2022
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