Clausewitz

Unrühmliches Ende

BLUTIGE ERDE: Der Angriff auf die konföderierten Stel- lungen bei Freder- icksburg geht als eine der größten Niederlagen in die

Geschichte des US-Militärs ein

fest, dass die Stadt unverteidigt ist. Seine Offiziere be- stürmen Burnside nun, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Vorhut mit allen möglichen Booten und Flößen hinüberzuschippern, solange die Konföderierten noch nicht heranmarschiert sind. Zwecklos. Stur hält Burnside an seinem ursprünglichen Plan fest, die gesamte Armee mittels Pontonbrücken den Fluss überqueren zu lassen. Es dauert jedoch über eine Woche, ehe die Pontons an Ort und Stelle sind, was nicht zuletzt an Burnsides Talent liegt, seine Befehle möglichst kryptisch zu formulieren. Und nun ist es zu spät. Längst haben sich die Konföde- rierten am gegenüberliegenden Ufer postiert. Lee glaubt allerdings nicht ernsthaft daran, dass die Nordstaatler so verrückt sind und ihn hier, an der denk- bar ungünstigsten Stelle, angreifen werden. Zu Lees gro- ßer Überraschung macht Burnside aber genau dies. Tödliches Fiasko Am 13. Dezember 1862 stapft die blaue Armee aus dem Nebel heraus auf die konföderierten Stellungen zu. Die Rebellen haben freies Schussfeld, insbesondere die Ar- tillerie reißt große Lücken in die Reihen der Angreifer, die in dem deckungslosen Gelände scharenweise fallen. Lees Männer hingegen haben sich hinter einer Steinmau- er verschanzt und schießen Brigade um Brigade zusam- men. Am Ende des Tages sind 13.000 Unions-Soldaten tot oder verwundet, während der Süden 5.000 Mann an Verlusten zu beklagen hat. Es ist nicht nur eine Nieder- lage, es ist ein Fiasko. „Ich wünschte, ich hätte das Glück und meine Gegner würden mich in einer solchen Positi- on angreifen“, schreibt ein Südstaatengeneral, der am westlichen Kriegsschauplatz eingesetzt ist. Burnside zieht rasch die Konsequenzen und bietet Lincoln seinen Rücktritt an, den dieser auch akzeptiert. Fortan führt Burnside wieder das IX. Korps, das zu- nächst die Aufgabe erhält, das Hinterland gegen konfö- derierte Freischärler zu sichern. Eines Tages erwischen seine Männer konföderierte Spione und führen diese dem General vor. Burnside fällt aus allen Wolken, als er sieht, dass sich darunter auch seine Exverlobte Charlotte befin- det. Er ist jedoch gnädig und lässt sie später laufen.

Im Frühjahr 1864 beteiligt sich sein Korps am Virginia- Feldzug. Der Verband agiert allerdings ziemlich erfolglos, da Burnside seine Männer nur häppchenweise angreifen lässt, was den chronisch unterbesetzten Konföderierten sehr entgegen kommt. Burnside steht mit seiner Erfolg- losigkeit jedoch nicht allein im Feld. Vielmehr beißt sich die gesamte Potomac-Armee an den Schützengräben der Konföderierten die stumpfer werdenden Zähne aus. So auch bei Petersburg im Juli 1864. Um den blutigen Stel- lungskrieg abzukürzen, schlagen ehemalige Minenarbei- ter vor, den Graben des Gegners an einer bestimmten Stelle zu untertunneln. Eine gewaltige Sprengladung soll anschließend ein großes Loch in die Stellung reißen. Burnside stimmt zu und beschließt, seine afroamerika- nische Division für den anschließenden Sturm auf die Bresche anzusetzen. Während die Minenarbeiter den Tunnel graben, bildet Burnside die Afroamerikaner gründlich für diese spezielle Attacke aus. Doch nur we- nige Stunden vor der Sprengung funkt ihm sein Vorge- setzter George Meade dazwischen: Burnside soll auf kei- nen Fall die Afroamerikaner für diese gefährliche Auf- gabe einsetzen. Notgedrungen schickt Burnside nun eine Division nach vorne, die für diese Aufgabe in keiner Weise geschult ist, und so endet der Angriff in einem Fi- asko. Anstatt den Krater an den Rändern zu umgehen, stürmen die Soldaten in diesen hinein, sodass die Kon- föderierten sie gnadenlos zusammenschießen können. Der Sündenbock ist schnell gefunden: Burnside ver- liert sein Kommando und erhält es nie wieder. Eine Un- tersuchungskommission rehabilitiert ihn jedoch später und weist ausdrücklich daraufhin, dass es Meades ver- hängnisvolle Einmischung war, die zu dem Fehlschlag geführt hat. Möchte man Burnside ein Gesamtzeugnis ausstellen, fällt dieses ambivalent aus. Seine große Stärke bestand darin, Truppen beinahe aus dem Nichts aufzustellen, aus- zubilden und die Soldaten zu motivieren. Dafür spricht auch die Tatsache, dass er bei seinen Männern ungeheuer beliebt war. Nur zum Sieg führen konnte er sie nicht.

FRONTLEKTÜRE: Während sich die Unionssoldaten im Juni 1864 mühsam durch die „Wilder- ness“ fressen, studiert Burnside die Zeitung

Stefan Krüger, Jahrgang 1982, Historiker aus Dasing.

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Clausewitz 4/2022

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