Clausewitz

LETTOW-VORBECK

BAD IN DER MENGE: Die Ostafrika-Schutz- truppe ist auch nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg im Deutschen Reich äu- ßerst populär; Berlin 1919 Foto: picture-alliance/ akg-images

NAMENGEBER: Askari-Relief am

Eingang der Lettow- Vorbeck-Kaserne in Hamburg zur 50. Wiederkehr der Aufstellung der Schutztruppen (Deutsch-Ostafrika) im Jahr 1939 Foto: picture-alliance/ZB| Berliner Verlag/Archiv

Grenze zur britischen Kolonie Kenia gelingt es Lettow-Vorbeck erneut, einem zahlenmä- ßig überlegenen Gegner standzuhalten. Al- lerdings ist der Abwehrerfolg mit hohen ei- genen Verlusten erkauft. Lettow-Vorbeck lässt nun alle Ressourcen mobilisieren und alle benötigten Güter der Schutztruppe vor Ort herstellen, da die Routen nach Deutschland längst durch eine britische Seeblockade gekappt sind. Zudem wirbt die Schutztruppe nun weitere Askari an, die sich in Scharen freiwillig melden und gar nicht alle bewaffnet werden können. Auf diese Weise erreicht die Schutztruppe im März 1916 mit 3.000 europäischen und 12.000 Askari-Soldaten ihren personellen Zenit. Be- gleitet werden sie von mehreren Zehntau- send Trägern, „Boys“ genannt, die unter ent- würdigenden Bedingungen ihre Arbeit ver- richten müssen. Auch an der rassischen Trennung der Kontingente hält Lettow-Vor- beck fest: Askari haben keine Aussicht, Offi- zier zu werden und erhalten zudem schlech- tere Verpflegung als europäische Soldaten. „Verbrannte Erde“ Im März 1916 beginnen die Ententemächte mit ihrer abgesprochenen Großoffensive ge- gen Deutsch-Ostafrika. Aus Kenia im Nor- den rücken britische und südafrikanische, aus dem Kongo im Westen belgische, aus dem Südwesten britisch-rhodesische und aus dem Süden portugiesische Truppen vor. Zwar gelingt es, den portugiesischen Vor- marsch aufzuhalten, doch fehlen an den an- deren Fronten schlichtweg Kräfte, um den Gegner zu stoppen. Um der Vernichtung zu entgehen, zieht Lettow-Vorbeck seine Trup- pen zurück und profitiert dabei von der ho- hen Beweglichkeit seiner Askari-Verbände und von der Eingespieltheit seiner Träger- kolonnen.

Im Herbst 1916 sammeln sich die Reste der Schutztruppe im Südosten der Kolonie, wo sie infolge der Regenzeit und der über- dehnten Nachschubwege der Entente eine Atempause bekommen. Fraglich ist jedoch, wie es weitergehen soll. Während viele Mit- streiter Lettow-Vorbeck zur Kapitulation be- wegen wollen, denkt der inzwischen zum Oberst beförderte Kommandeur nicht an ei- ne Aufgabe. Stattdessen greift er nun auf Taktiken des Kleinkriegs zurück, die einst die Nama gegen ihre deutschen Kolonialher- ren anwendeten. Überraschende Überfälle auf gegnerische Nachschubkolonnen wech- seln sich mit einer Politik der „verbrannten Erde“ ab, die dem Feind das Leben erschwe- ren soll. Mit dieser Art der Kriegführung zer- stören Lettow-Vorbeck und seine Truppen allerdings auch die Lebensgrundlage von Zigtausenden Afrikanern. Doch das Schick- sal der einheimischen Bevölkerung spielt in den Überlegungen des deutschen Offiziers offenbar keine Rolle. Während alle anderen deutschen Kolo- nien bereits kapituliert haben, hält Deutsch- Ostafrika Stand. Längst ist Lettow-Vorbeck Seit 1885 ist Deutsch-Ostafrika, das sich über die heutigen Staaten Tansania, Burun- di und Ruanda erstreckt, deutsche Kolonie . Reichskanzler Otto von Bismarck muss sich dabei dem Drängen des Kolonialpolitikers Carl Peters beugen, der für die Errichtung eines „ Schutzgebietes “ für den deutschen Handel wirbt. Doppelt so groß wie das Deut- sche Reich und mit einer üppigen Vegetati- on, zählt die Kolonie etwa acht Millionen Einwohner. 1888 bauen die Kolonialherren eine Schutztruppe auf, die in den folgenden Deutsch-Ostafrika HINTERGRUND

mit dem höchsten Orden, dem Pour le Méri- te, ausgezeichnet, als die Entente im Juli 1917 ihre Offensive wieder aufnimmt. Bei Mahiwa kommt es im Oktober zur größten Schlacht auf dem afrikanischen Kontinent. Einmal mehr gelingt es Lettow-Vorbeck, seine unter- legenen Truppen rechtzeitig zurückzuziehen. Stets führt er sie dabei von vorn und er- scheint so als äußerst populärer Feldherr, der zusammen mit seinen Soldaten leidet. Mit seinem anhaltenden Widerstand hofft er, Kräfte des Feindes zu binden, die dieser nicht an die Westfront in Europa entsenden kann. Doch seine Kalkulationen erweisen sich als Chimäre, da die Entente die Truppen in Ost- afrika eigens ausheben lässt, um der Gefahr Herr zu werden. Gesamtstrategisch spielt Lettow-Vorbecks Agieren daher keine Rolle. Als die militärische Lage Ende 1917 aus- sichtslos erscheint und viele Begleiter erneut zum Aufgeben drängen, handelt Lettow-Vor- Jahrzehnten mehrfach Aufstände und Erhe- bungen gegen die deutsche Herrschaft nie- derschlägt. Die im Jahr 1913 etwa 5.300 deutschen Kolonisten leben vor allem von der Plantagenwirtschaft und bauen vorwie- gend Kautschuk, Hanf, Baumwolle und Kaf- fee an. Mit dem Versailler Vertrag von1919 fällt Deutsch-Ostafrika wie sämtliche deut- sche Kolonien an die Mächte der Entente. Das Land untersteht fortan der Oberhoheit Großbritanniens in Form eines „Völkerbund- mandats“.

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