Clausewitz

UNTERSCHÄTZT: Der „Rote Prinz“

: “ - r

während einer Reiter- attacke. Trotz seiner progressiven Ideen und militärischen Erfolge steht er heute im Schatten anderer Schlachtenlenker des 19. Jahrhunderts Abb.: picture-alliance/Heritage- Images|The Print Collector n n

M itte Juni 1866 marschiert die 2. preu- ßische Armee unter dem Befehl von Friedrich Karl von Preußen in Böh- men ein, um im Krieg zwischen Österreich und Preußen die Entscheidung zu erzwingen. Am 3. Juli 1866 kommt es in der Nähe des kleinen Ortes Königgrätz zur wegweisenden Schlacht. Als Friedrich Karls Armee das österreichisch- sächsische Heer in den frühen Morgenstunden angreift, ist sie dem Gegner zahlenmäßig unter- legen, da die 1. preußische Armee unter dem Befehl des preußischen Kronprinzen Friedrich (dem späteren „99-Tage-Kaiser“ Friedrich III.) noch nicht auf dem Schlachtfeld eingetroffen ist. Für etliche Stunden sieht es so aus, als müsse das siegesgewohnte Preußen eine mili- tärische Niederlage einstecken. Friedrich Karl wendet sich bereits an den Chef des General- stabes, Helmuth von Moltke, und fragt, ob er seine Armee zurücknehmen solle. „Hier handelt es sich um Preußens ganze Zukunft, hier wird nicht zurückgegangen“, soll Moltke gegenüber König Wilhelm I. ausgerufen haben. Tatsächlich wendet sich wenig später das Blatt, als die Armee des Kronprinzen gerade noch rechtzeitig erscheint und dem österreichischen Aufgebot in die Flanke fällt. Aus einer drohenden Niederlage wird so ein vollständiger preußischer Sieg, der den „Deutschen Bruderkrieg“ innerhalb weniger Wochen entscheidet. Friedrich Karls Rolle in der Schlacht wird von einigen Zeitgenossen in der Nachlese kritisch bewertet. Einige Ein- geweihte werfen dem Prinzen später vor, die Schlacht zu früh begonnen zu haben, um den Ruhm allein ernten zu können. Zwischen Friedrich Karl und seinem prinzlichen Cou- sin Friedrich herrsche, so wird vermutet, eine ausgesprochene Rivalität.

Letztlich bleibt der frühzeitige Angriff für Preußens Armee jedoch ohne nachteilige Folgen. Gemeinsam mit den anderen sieg- reichen Generälen rückt Friedrich Karl gar in den Olymp der preußischen Militärgeschichte

auf. Doch wie kam es dazu? Spartanische Strenge

Rückblick ins erste Drittel des 19. Jahrhun- derts: Prinz Friedrich Karl Nikolaus von Preu- ßen wird am 20. März 1828 im Schloss von Berlin als Sohn des preußischen Prinzen Carl von Preußen und der Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach geboren. Sein Vater ist ein jüngerer Bruder des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. und des späteren Kai- sers Wilhelm I., was Friedrich Karl zu dessen Neffen und den späteren Kaiser Friedrich III. zu Friedrich Karls Cousin macht. Aufgewach- sen in der höfischen Umgebung Berlins und Potsdams, durchlebt der Hohenzollernprinz eine äußerst strenge Erziehung. Mit lediglich minimalen Aussichten auf den preußischen Thron wird Friedrich Karl von Kindesbeinen an auf den Soldatenberuf vorbereitet. Ein eigener militärischer Lehrer erzieht den jungen Knaben mit spartanischer Strenge und wenig Einfühlsamkeit. Heros von Borcke, ein Freund des Prinzen, schreibt spä- ter über dessen Kindheit: „Seine Jugendjahre wurden durch die schwierigen Verhältnisse am Hofe seiner Eltern in wenig erfreulicher Weise beeinflusst, der warme Sonnenschein wahrer Elternliebe sowie des Kindes zu Vater und Mutter hatte wenig Platz gefunden.“ Zeit seines Lebens haftet Friedrich Karl daher ein raues, schroffes und befangenes Wesen an, das viele Untergebene als wenig sympathisch und distanziert bewerten.

FELDHERR MIT FORTUNE: Friedrich Karl erwirbt sich im Deutsch-Fran- zösischen Krieg von 1870/71 große militärische Verdienste um das sieg- reiche Preußen; Gemälde (1870) von Emil Hünten (1827–1902) Abb.: picture-alliance/akg-images

89

Clausewitz 5/2025

Made with FlippingBook flipbook maker