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BIOÖKONOMIE Der Wirtschaft neue Kleider Die Ressourcen der Erde sind begrenzt, neue Lösungen sind gefragt. Unternehmen der Region setzen dabei verstärkt auf Bioökonomie.
„Wir wollten uns nicht mit schlechten Kompromissen zufriedengeben“, er- innert sich Produktmanager Wolfram Krattinger. So entstand die Idee, aus Kartoffelschalen – einem lokal ver- fügbaren Abfallprodukt der Lebens- mittelindustrie – eine vollständig kompostierbare und geruchsneutrale Bio-Kunststofffolie auf Stärkebasis herzustellen. Ein Problem lag aller- dings im Preis des neuen Produktes, der anfangs doppelt so hoch wie jener einer herkömmlichen Polyethylen- folie war. „Für uns war aber klar, dass der Endverbraucher bereit ist, für mehr Nachhaltigkeit einige Cent mehr zu zahlen. Und so war es auch“, berichtet Krattinger. Als sich die Biofolie in der Wäscherei- sparte etabliert hatte, ging es Schlag auf Schlag: hawo erreichten Anfragen aus allen möglichen Bereichen wie Krankenhäusern, Industriebetrieben oder dem Ver- sandhandel. Das neue Pro-
Aus Kartoffelschalen werden Bio- Kunststofffolien: Hawo-Produktmanager Wolfram Krattinger testet die neue Lösung in der Textilreinigung.
A us landwirtschaftlichen Produk- ten wie Holz, Stroh, Gras oder Kakaobohnen werden Zellstoff, Biokraftstoffe und Biogas gewonnen. Das sind Beispiele für Bioökonomie. „Bioökonomie bedeutet, Produkte auf der Basis erneuerbarer, biogener Roh- stoffe herzustellen, möglichst lange zu nutzen und am Ende nicht als Abfall zu entsorgen, sondern als Ausgangs- stoff für neue Produkte zu gebrauchen oder den natürlichen Stoffkreisläufen ohne Schadstoffe wieder zuzuführen“, erklärt IHK-Technologietransfermana- ger Thilo Schenk. Dass dies bereits keine Zukunfts- musik mehr ist, beweisen zahlreiche bioökonomische Anwendungen in der Region, wie beispielsweise bei der hawo GmbH in Obrigheim. Das Unternehmen entwickelt und produziert seit 1975 Folienschweiß- geräte. Ein wichtiger Bereich sind
Maschinen für die Verpackung von Kleidung und Wäsche, zum Beispiel in Reinigungen. Jahrelang waren nur aus Polyethylen gefertigte Folien erhältlich. Das hawo-Team suchte nach einer nachhaltigeren Lösung, die nicht nur kompostierbar, sondern bei einer energetischen Verwertung auch klimaneutral sein sollte. Doch die am Markt verfügbaren Biofolien überzeugten nicht: Sie wurden oft auf der Basis von Mais, Soja oder Zucker- rohr hergestellt – Lebensmittel, für deren Anbau häufig südame- rikanischer Regenwald weichen muss. Darüber hinaus sind diese Folien aufgrund ihres starken Eigengeruchs für Wäschereien ungeeignet.
Starkes Ackergewächs: Die Kartoffel lie - fert nicht nur Kohlehydrate, die Schalen können auch als Rohstoff für Produkte dienen, die nicht verzehrt werden.
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IHK Magazin Rhein-Neckar 06 | 2023
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