EDITORIAL
hochfliegenden merkantilistischen Pläne be- graben musste. Zwar setzte der Nachfolger des Großen Kurfürsten, Friedrich III., der spätere König Friedrich I. in Preußen, die Kolonialpo- litik fort, aber nicht mehr mit dem Elan seines Vaters. König Friedrich Wilhelm I., der Solda- tenkönig, hatte schließlich ganz andere Ziele und verkaufte die afrikanischen Besitzungen, so dass das maritime brandenburg-preußische Engagement einschlief. Fatal in damaliger Sicht- weise war, dass damit das Ausscheiden Preu- ßens aus der Reihe der Kolonialmächte besie- gelt war, noch ehe das Engagement richtig Fahrt aufgenommen hatte. Aber etwas überlebte, das sich fest im kol- lektiven maritimen Gedächtnis verankerte: Nur mit einer starken Flotte lässt sich erfolg- reich und zukunftsgewandt Welthandel trei- ben. Wer keine Marine besitzt, ist dauerhaft auf ein karges Landleben zurückgeworfen und läuft dann Gefahr, von anderen Mächten zer- rieben zu werden. Eine spannende Lektüre und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wünscht
der Anfang einer ersten deutschen Marine fällt offiziell auf den 14. Juni 1848, als das Frankfur- ter Parlament beschloss, die ebenfalls in Frank- furt ansässige Bundesversammlung zu veranlas- sen, sechs Millionen Taler für den Aufbau einer Flotte zur Verfügung zu stellen. Damit ist der Beginn symbolträchtig auf ei- nen bestimmten Tag fixiert, wohl wissend, dass die historischen Vorläufer der Marine ihr erst den Weg geebnet haben. Unter diesen Vorläu- fern, zu denen auch die Germanen und die Hanse zählen, sticht vor allem die Kurbranden- burgische Marine heraus, die im Wettbewerb mit anderen europäischen Staaten am Dreiecks- handel zwischen Europa, Afrika und Asien vorübergehend einen lebhaften Anteil hatte. Nur mit einer Flotte kann man erfolgreich und zukunftsgewandtWelt- handel treiben.Wer keine Marine unterhält, läuft Gefahr, von anderen Mächten zerrieben zu werden. Das gilt gestern ebenso wie heute. Getreu seiner Devise „Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Estats“ woll- te Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640–1688), der Große Kurfürst, sein durch den Dreißigjäh- rigen Krieg verheertes und bettelarmes Bran- denburg wirtschaftlich gesunden und stärken. Und die Anfänge ließen sich gut an: Aufbau einer Flotte zunächst mietweise, dann aus eige- nen Mitteln, Expeditionen zur Erkundung der afrikanischen Westküste und schließlich der Gewinn von Kolonialbesitz wiesen in die rich- tige Richtung. Als unter dem Kanonendonner der Fregatten Churprinz und Morian am 1. Januar 1683 der brandenburgische rote Adler über der Feste Großfriedrichsburg an der Gold- küste am Kap der Drei Spitzen (heute Ghana) wehte, schien die Mission geglückt. Die dorti- gen Handelsplätze erfuhren Erweiterung, riefen aber Neider auf den Plan, die den schwungvol- len Verkehr schädigten: Niederländer, Englän- der, Franzosen und Piraten unterschiedlichster Herkunft machten der Brandenburger Seehand- lung das Leben schwer, die schließlich ihre
Dr. Guntram Schulze-Wegener , Fregattenkapitän der Reserve, Herausgeber und Verantwortlicher Redakteur
Ankunft der Fregatten Churprinz von Brandenburg und Morian unter dem Kommando von Major Otto Friedrich von der Groeben (Porträt) an der Goldküste am 27. Dezember 1682 Foto: Interfoto/Sammlung Rauch
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