DRESDEN ,1)$+57 Der Kleine Kreuzer, Typschiff der Dresden -Klasse, zu der nur noch SMS Emden zählte, war 1907 vom Stapel gelaufen Foto: picture-alliance/ WZ-Bilddienst
und der Admiral ergriff sie nicht; ließ abdrehen, flüchtete praktisch, obwohl sie den Gegner beim Kohlen überrascht hatten und der wehr- und bewegungslos vor ihnen lag. Bis der genügend Dampf auf den Kesseln hatte, konnten Stunden vergehen. Jetzt mit allen zur Verfügung stehenden Waffen über das kaum kampfbereite, im Hafen liegende Geschwader herzufallen, das wäre das Gebot der Stunde. Wäre es gewesen, berichtigte er sich selbst, denn die Nürn- berg drehte schon ab, und der Schornsteinqualm der Großen Kreuzer kam auch nicht näher. Die erste Runde ging also schon an den Gegner. Ja, Graf Spee hatte abdrehen lassen, hoffte auf die winzi- ge Chance, dem übermächtigen Gegner doch noch zu ent- kommen. Er wusste auch, was Schiffe mit Dreibeinmasten bedeuteten. Um die schnellen Dreadnoughts mit Erfolg zu bekämpfen, waren seine Kreuzer einfach zu schwach, waren schlichtweg unterarmiert. Und ob er mit seinen arg strapa- zierten Maschinen dem Gegner würde davonlaufen können, das war auch noch die Frage. Er musste versuchen, so viele Meilen wie möglich zwischen sich und die feindlichen Schiffen zu bringen, noch bevor diese den Hafen verlassen konnten. Denn die waren noch dabei, Dampf aufzumachen, das bestätigten die dicken Rauchwolken, die aus den Schorn- steinen quollen. Und bis die Großkampfschiffe genügend Dampf auf den Kesseln hatten, um an eine Verfolgung der Deutschen zu denken, konnten schon mal zwei Stunden vergehen. Aber solange dauerte es nicht mehr. Kurz nach 10 Uhr machten die beiden Schlachtkreuzer die Leinen los. Sie hat- ten Dampf für 20 Knoten. Das reichte erstmal, um die Ver- folgung aufzunehmen. Langsam stieg der Dampfdruck, und nach Zünden der Ölbrenner jagten sie mit 26,5 Knoten den deutschen Kreuzern hinterher. Und holten auf, Meile für Meile. Als sie bis auf 6.000 Yards heran waren, eröffneten sie das Feuer auf die am Schluss des Verbandes laufende Leipzig mit deckend liegenden Salven. Für den Kleinen Kreu- zer genügte ein Treffer dieses Kalibers, und das dachte wohl auch Graf Spee. „Signal an Leipzig : Entlassen – Versuchen, zu entkommen.“ Es wäre für sie ein sinnloser Opfergang geworden, denn gegen die verfolgenden Panzerkreuzer Kent und Carnarvon
mit ihren weitreichenden 15-cm-Geschützen hatte die klei- ne Leipzig nicht den Hauch einer Chance. So wollte Graf Spee wenigstens versuchen, das Feuer der beiden Dick- schiffe auf sich zu ziehen, bis die Leipzig außer Sicht war. Aber eine solche Reaktion hatte der alte Fuchs Sturdee vor- ausgesehen und schon im Vorfeld festgelegt, welcher seiner Kreuzer wen des Gegners bei einer Aufsplitterung des Ver- bandes jagen soll. Jetzt stand der deutsche Geschwaderchef mit seinen beiden Großen Kreuzern allein gegen zwei, in allen Belangen überlegene Schlachtkreuzer. Fishers Rache für Coronel nahm Gestalt an.
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a gehen sie hin – und wir sehen sie niemals wieder.“ Kapitän zur See Lüdecke im gepan- zerten Gefechts-Kommandostand der Dres- den war tief bewegt. Er ahnte die Absicht des Geschwaderchefs, der um 13:25 Uhr mit
Scharnhorst und Gneisenau auf 146 Hektometer in den Kurs der Backbord achteraus auflaufenden Schlachtkreuzer hin- eindrehte. Jetzt konnten seine beiden Großen Kreuzer Breit- seiten feuern, wo sie bis jetzt nur ihren achteren Doppelturm einsetzen konnten. Bei dieser Entfernung langten sie mit ihren 21-cm-Geschützen noch hin, wenn sie auch gegen die starke Rumpf-Panzerung der Dreadnoughts nicht viel aus- richten konnten. Aber gegen einen unglücklichen Zufalls- treffer ist der stärkste Panzer nicht gefeit. Das merkte auch Admiral Sturdee, als die deutsche Artil- lerie seine Schiffe schnell eingabelte und Gneisenau mit der dritten Salve einen Treffer auf seinem Flaggschiff Invincible erzielte. Darauf ließ der Admiral zwei Strich vom Gegner abfallen. Bei seinem weittragenden Großkaliber konnte er sich das leisten und den Gefechtsabstand nach Belieben wählen. Entkommen konnten ihm die Deutschen ohnehin nicht mehr. Aber mit seinem Manöver hatte Graf Spee erreicht, dass die beiden Dickschiffe von seinen Kleinen Kreuzern ablie- ßen und sich auf ihn stürzten. Und auch das konnte Sturdee sich dank seiner Voraussicht leisten. Als die deutschen Kreuzer mit südlichem Kurs abdrehten, hatten die von ihm im voraus bestimmten Panzerkreuzer Admiral Stoddarts sofort die Verfolgung aufgenommen.
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SCHIFF Classic 6 | 2025
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