Schiff Classic

ten über das massive Schanzkleid hinweg und rauschten schäumend längsdeck. „Ward mol wedder n’verdammich harter Törn“, brumm- te einer der Seeleute beim Frühstück an der Back und schob sich die Hände demonstrativ tiefer in die ausgebeul- ten Taschen. „Jo, ward dat wohl“, pflichtete ihm sein Nebenmann bei. „Wintertags nach Grönland schippern, dat is wie jeden Dag een Isbüdel inne Büx hebben.“ Der musste es ja wissen, es war nicht seine erste Reise ins Eismeer. Aber auch den übrigen Seeleuten war klar, was für eine Plackerei die Fischerei im hohen Norden während der Wintermonate bedeutete – dass sie neben der harten Arbeit mit Netzen, Scherbrettern, Grundrollen und Fischen in dieser Jahreszeit noch mehr Gefahren als üblich erwarteten; Gefahren, die sie und ihr Schiff Tag für Tag und Stunde um Stunde in den eisigen Fanggründen umlauerten wie der ewige Kampf mit den wilden Stürmen, die die See in einen Hexenkessel verwandelten mit wahren Wellengebirgen, die sie und ihr Schiff zu verschlingen drohten, oder die un- durchsichtigen Nebelschwaden, die sich wie ein wattiger Vorhang auf das Meer senkten und jede Sicht verhinderten. Auch die Sicht auf die tückischen Eisberge, deren Haupt- masse unter Wasser schwamm. Die Hochseefischer ver- fluchten diesen harten Job im eisengrauen, stürmischen Nordmeer, aber sie kamen nicht davon los und waren beim nächsten Törn wieder dabei. Wie jedes Jahr. „Auf 2-7-0 gehen, Richtung Rosemary Bank!“ „Zwo-sieben-null, aye Käpt’n.“ Mit der Passage zwischen den Orkneys und den Shet- lands dampfte die Johannes Krüss in den offenen Nord- atlantik hinein, der sie auch gebührend empfing und seinem schlechten Ruf alle Ehre machte. Mit den vorherr- schend westlichen Winden wurden die Seen stärker, macht- voller und wuschen oft höher als das Deck an den Flanken des Trawlers vorbei, stiegen immer wieder mit rauschenden Bärten empor und tobten gischtend über das Schanzkleid an Deck – „Reinschiff “ nach Grönland-Art. Die Männer wussten, was sie erwartete, und die wenigen, die es noch nicht wussten, würden es bald kennenlernen: härteste Arbeit in Kälte, in Nässe und in Schnee, Wasser innerhalb und außerhalb der Kleidung; und dazu un- menschliche Plackerei mit dem Fanggeschirr, das gerne im unpassendsten Moment brach oder riss. Ein verteufelt harter Job! reitag, 30. Januar 1959. Die Johannes Krüss näherte sich langsam Kap Farvel, der südlichsten Spitze Grönlands. Der immer noch mit Stärke zehn blasende Sturm mit den hochgepeitschten, gegen sie anrollenden Wellen- bergen sowie die zunehmenden Eisfelder ließen ein schnel- les Vorwärtskommen einfach nicht zu. Das Fanggeschirr für die kommenden Tage unter Grönland war so weit vor- bereitet und lang klar zum Aussetzen am Steuerbord- Schanzkleid, die wachfreien Leute schliefen in ihren Kojen auf Vorrat. Das mussten sie auch, denn wenn erst das Schreiblot die Fischschwärme angezeigt hatte und das Netz mit dem ersten Hol an Bord gehievt wurde, wurde jeder F

TÖDLICHES SCHICKSAL: Die Hans Hedtoft sank Ende Januar 1959, kurz nach ihrer Indienst- stellung, vor der Küste Grönlands. Das Schiffswrack wurdenie gefunden Foto: SZ-Photo/dpa

Schlaf illusorisch. Aber noch war es nicht so weit, das verhinderte die Eisgefahr; und um 13:45 Uhr meldete der Kapitän über Norddeich Radio der Reederei: „Windstärke zehn. Liegen vor Fangplatz gestoppt im Eisfeld. Fangplatz wegen Eisvermehrung und Sturm nicht erreichbar. Lageentwicklung ungewiss. Erbitte Bringorder.“ Wenig später ergänzte er, dass er 16 Eisberge in Sicht habe und in größter Gefahr schwebe. Die Reederei reagier- te und beorderte die Johannes Krüss zum Fanggebiet un- ter Labrador. Im Jahr zuvor war in diesem Seegebiet noch kein Eis gesichtet worden, und dann könnte Sierck auch in St. Johns auf Neufundland nachbunkern, denn der Verbrauch an Heizöl belief sich pro Tag immerhin auf sieben Tonnen. Der Sturm hatte etwas nachgelassen, und um 15 Uhr trug ihn der Steuermann mit Stärke neun bis zehn ins Jour- nal ein. Das waren Windgeschwindigkeiten zwischen 80 und 92 km/h; die Beaufort-Skala nannte das schweren Sturm, gegen den das Schiff jetzt andampfte, aber ein guter Trawler wie die Johannes Krüss ritt auch solche urweltlichen Wogengebilde mit weichen Bewegungen ab. Der Kapitän blickte auf die Uhr – Zeit zum Abendessen. Die Brücke konnte er mit ruhigem Gewissen seinem Ersten Steuer- mann Paukstadt überlassen. „Ich geh runter zum Abendbrot, Stüermann. Wenn was Besonderes sein sollte, wahrschauen Sie mich!“ „Aye, Käpt’n.“ Der Skipper steuerte seinen Platz am Messetisch an und betrachtete wohlgefällig die reichhaltige Mahlzeit, die der Kochsmaat eilfertig auf einem großen Tablett ablud, das sich dann in einer Rollbewegung des Schiffes selbstständig auf ihn zubewegte, bis es von den hochgeklappten Schlin- gerleisten gestoppt wurde. Die Portionen an Bord waren schon von jeher recht üppig bemessen, aber dieser Smut schien eine besonders hohe Meinung vom Magen seines Skippers zu haben, und der fühlte sich verpflegungs- technisch in besten Händen. Während er das „Abendbrot“ genüsslich in sich hinein- schaufelte, hockte oben in einem Raum hinter der Brücke der Funker Rudolf Nejedlo mit umgehängtem Kopfhörer hinter seinen Sende- und Empfangsgeräten und lauschte

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SCHIFF Classic 5 | 2022

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