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SMS Nürnberg sank völlig zerschossen und brennend um 19:30 Uhr im Feuer der Kent . Um 21:23 Uhr folgte ihr die von den 15-cm-Granaten der Glasgow und Kent verwüstete Leipzig , nachdem sie sich bis zur buchstäblich letzten Granate gegen die Übermacht gewehrt hatte. Damit hatte Sir Doveton Sturdee die Order seines Ersten Seelords fast buchstabengetreu ausgeführt. Fast, denn ein Schiff fehlte auf der Versenkungsliste: der Kleine Kreuzer Dresden . Den hatten sie nicht gefasst, obwohl der doch um 13 Uhr noch als viertes Schiff in der Kiellinie des deutschen Geschwaders gefahren war, eingegabelt von den Granataufschlägen der Schlachtkreuzer. Und nun war der Kreuzer weg, war einfach verschwunden. Unruhig wan- derte Vizeadmiral Sturdee auf der Brücke seines Flaggschif- fes auf und ab. Er wusste: Wenn er die Dresden entkommen ließ, würde ihm der nachtragende Fisher das nie verzeihen, würde der ihm die Hölle heiß machen. Er schickte über seine Funkstation ein Rundtelegramm an alle Schiffe seines Geschwaders: „Wo ist die Dresden ? Alle Schiffe in diesem Gebiet sollen uns sofort Nachricht über die Dresden geben!“ a, die Dresden war verschwunden, hatte sich abgesetzt, und das hatte seinen guten Grund. Als nämlich der mit seinem Schiff nach Süden ablaufende Kapitän zur See Lüdecke sah, in welche Bedrängnis die am Schluss der deutschen Kiellinie laufende Leipzig geriet, die nicht nur von Kent und Glasgow , sondern jetzt auch von der Cornwall beschossen wurde, beschloss er, sich einzumischen. „Drei gegen einen, das ist unfair“, brummte er und ließ mit Südostkurs auf die Glasgow als den schnellsten von Stoddarts Kreuzern herandrehen. „Ich verstehe gar nicht, weshalb sich der Kreuzer überhaupt mit unserer Leipzig auf- hält“, kommentierte er das absurde Verhalten des britischen Kommandanten. „Die liegt doch schon im Feuer von Kent und Cornwall . Sehen Sie nur,“ – er deutete durch den Seh- schlitz des Gefechtsstandes – „jetzt liegt sie in einem Wald von Aufschlägen, und da sind auch dicke Kaliber der Dreadnoughts bei!“ Und die orgelten jetzt auch auf die Dresden zu, die an die Britenkreuzer heranstaffelte. Angesichts der sich nähernden, masthohen Aufschläge zog es Lüdecke vor, den Anweisun- J
gen des Admirals zu folgen und wieder auf südlichen Kurs abzudrehen. Bei dem dichten Schornsteinqualm von zwölf hohe Fahrt laufenden Schiffen, der zusammen mit dem fet- tigen Qualm der Geschoss-Salven träge über das Gefechts- feld trieb und die Zielanweisung massiv behinderte, hatten die Briten das Abdrehen offenbar nicht erkannt. Der Dresden -Kommandant hätte keinen besseren Zeitpunkt für sein Verschwinden wählen können und war selbst ganz erstaunt, als Sturdees Kreuzer weiter Spees Schiffen hinter- herhetzten. „Gegner funkt, Herr Kaptän: Wo ist die Dresden ?“ Da hatte er die Bestätigung: Von den Briten hatte tatsäch- lich niemand sein Verschwinden bemerkt. Für Lüdecke einerseits erfreulich, andererseits aber in höchstem Maße unverständlich und auch mit der starken Rauchentwicklung nicht zu entschuldigen. Für Sturdee hingegen eine bittere Pille. Er hatte den klaren Befehl Fishers, Graf Spees Geschwa- der aufzuspüren und zu vernichten, nicht ausgeführt, hatte die Dresden entkommen lassen. Das würde ihm Fisher ewig nachtragen. Für ihn hatte Sturdee ganz einfach versagt. Derweil stob der deutsche Kreuzer mit Höchstfahrt davon und steuerte gegen 16:30 Uhr eine aufziehende Regen- bö an, in der das Schiff endgültig verschwand. Immer noch schwirrten die Funktelegramme des britischen Flaggschiffes durch den Äther „Wo ist die Dresden ?“ Aber die blieb unauf- findbar, und als gegen halb zehn Uhr abends die brennende Leipzig als letztes Schiff des Speeschen Geschwaders sank, war der deutsche Kreuzer schon auf dem Weg nach Kap Hoorn. Das berüchtigte Kap passierte die fieberhaft gesuchte Dresden am Nachmittag des 9. Dezember, um in den Cock- burn-Kanal einzulaufen und in der Sholl Bay an der Süd- küste der Clarence-Insel zu ankern. Lüdeckes Absicht war, seinen Kreuzer zunächst in dem Inselgewirr Feuerlands und Patagoniens vor den immer noch suchenden Kreuzern Stur- dees regelrecht zu verstecken. Und er brauchte Brennstoff für seine gefräßigen Kessel und Turbinen, durch die stun- denlange Hetzjagd hatte er nur noch 160 Tonnen Kohle in den Bunkern. Das reichte vorn und hinten nicht. Also muss- ten die Seeleute mit Äxten und Sägen hinaus ins Grüne und Holz als Brennmaterial schlagen. m 12. Dezember verließ Lüdecke die Sholl Bay und dampfte zurück nach Punta Arenas, wo ihm der Chef der chilenischen Marinestation Magellan- straße eine Aufenthaltserlaubnis für 51 Stunden genehmigte. Die nutzte Lüdecke aber nicht aus, sondern lief bereits nach 32 Stunden wieder aus. Der briti- sche Konsul hatte zweifellos die Ankunft der Dresden weiter- gemeldet, und so lange wollte der deutsche Kommandant nicht warten, bis britische Kreuzer vor der Hafeneinfahrt standen. Außerdem war es für die Besatzungen der im Hafen liegenden deutschen Dampfer Ehrensache, ihre Kameraden von der Dresden beim Kohlen tatkräftig zu unterstützen. Und so konnte der Kreuzer am späten Abend des 13. Dezem- ber mit 750 Tonnen umgeladener Briketts wieder auslaufen. Zum Glück, denn schon am nächsten Tag liefen die briti- schen Kreuzer Glasgow und Bristol den Hafen an. „Mal wieder mächtig Schwein gehabt“, war Lüdeckes Kommentar, als er davon erfuhr. Aber das würde nicht ewig A
9(5625*81* Nach der Seeschlacht von Coronel lief die Dresden zum Kohle- bunkern in den chilenischen Hafen Valparaiso ein Foto: picture-alliance/ SZ-Photo/Scherl
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