GEDENKEN: Das dänische Königspaar Frederick undIngrid (erste Reihe) beieinem Gottesdienst fürdiebei dem Unglück umsLeben gekommenen Passagiere Foto: picture- alliance/ Scanpix Denmark/ Vagn Hansen
„Aber nicht gegen Sturm und laufende See“, bremste Sierck den Eifer seines Steuermanns. „Wenn wir da volle Pulle gegenandampfen, kommen wir auch nicht mehr heil nach Haus zu Muttern. Nein, nein, Stüermann, wir bleiben bei reduzierter Fahrt. Hundert Umdrehungen, nicht mehr!“ Bei aller Bereitschaft und dem Willen zu helfen musste er auch an die Sicherheit seines Schiffes denken. Das hatte Vorrang. Selbst 100 Umdrehungen waren bei diesen Wet- terbedingungen und dazu noch im Eisfeld schon ein Risiko, aber ein kalkulierbares, das er bewusst in Kauf nahm in der Hoffnung, noch Leben retten zu können. Er wich jetzt keinen Fußbreit mehr von der Brücke und wurde ständig vom Funker über den aktuellen Stand der Dinge unterrichtet. Die Hans Hedtoft , erfuhr er, war ein neues dänisches Fracht-/Passagierschiff von 2.875 BRT und befand sich auf seiner ersten Reise auf der Rückfahrt von Grönland nach Dänemark. Es war mit den neuesten technischen Hilfsmitteln ausgerüstet sowie mit verstärk- tem Bug für die Fahrt im Eis. An Bord befanden sich 38 Besatzungsmitglieder und 54 Passagiere, darunter 15 Frauen und sechs Kinder. Über Norddeich Radio unter- richtete Kapitän Sierck die Reederei: „Order Labrador erhalten. Sind seit 20 Uhr als alleini- ger Dampfer im Seenoteinsatz auf Position 59.30 Nord 43.00 West. Dänischer Passagierdampfer Hans Hedtoft mit 130 Personen im Sinken. Suchen bis Tagesanbruch nach Überlebenden. Dampfen dann Labrador.“ „Hilf Himmel, dass wir noch rechtzeitig kommen“, stöhn- te der Skipper inbrünstig, und die Männer an Bord dachten und fühlten ebenso. Ihr Wille zu helfen, auch ungeachtet der Gefahren für das eigene Schiff, entsprach echter See- fahrertradition und prägte den Geist der Hochseefischer. Um 19:15 Uhr hatte Nejedlo noch an Christiansund Radio gefunkt: „Sind auf dem Weg zu Hans Hedtoft , wohl noch ein bis zwei Stunden. Schnee, Schneeböen, hoher Seegang und Eis behindern Fahrt. Fahrt circa zehn Seemeilen.“ Nebender Johannes Krüss , die nach den Funkmeldun- gen dem Havaristen tatsächlich am nächsten stand, beteilig-
unentwegt dem Knistern und Jaulen, das aus dem Äther an seine Ohren dang. Gähnend suchte er die Frequenzen ab, hoffte auf interessante Meldungen, die seinem Funker- dasein einen Sinn geben würden. So eine Funkwache konnte ermüdend sein, wenn weiter nichts geschah. Doch dann straffte er sich, schnellte aus seiner Ruhestellung hoch und griff nach dem Bleistift. In fliegender Hast notierte er die Punkte und Striche: „FT von Fischdampfer Stadt Herten auf Fischdampfer- frequenz 3.282 kHz – meldet SOS auf 500 kHz von Hans Hedtoft /OXKA position 59.5 north 43.00 west collision with iceberg stop.“ Um 17:20 Uhr funkte Nejedlo die Hans Hedtoft anund bestätigte den Notruf mit R SOS, riss den Zettel vom Block und stürzte auf die Brücke: „SOS-Ruf, Stuermann – sofort zum Skipper!“ der Nähe. Kurs festlegen! Funker: Über Fischdampferfre- quenz an alle Trawler in diesem Seegebiet unsere Position durchgeben! Geben Sie an Fischereischutzboot Poseidon : Dampfen Unfallstelle. Benachrichtigt Hans Hedtoft und Prins Christiansund Radio [Funkstation auf Grönland, Rufzeichen OZN].“ Mit langen Schritten, die Bewegungen des Schiffes immer wieder ausgleichend, eilte der Steuermann in den Kartenraum, beugte sich über die ausgebreitete Seekarte und griff mit dem Kartenzirkel die Entfernungen ab. Der Kapitän hatte recht, sie standen mit ihrem Trawler ganz in der Nähe. „Der Däne muss den Eisberg direkt vor der Küste erwischt haben, Skipper, knapp 20 Meilen vom Kap ent- fernt. Wir stehen 25 Meilen östlich davon, könnten den Kurs beibehalten und wären dann bei forcierter Fahrt in zwei Stunden vor Ort.“ inuten später stand Kapitän Sierck auf der Brücke und hielt dem Steuermann die Meldung hin: „Ramming mit Eisberg vom Dänen Hans Hedtoft . Wenn die angege- bene Position stimmt, stehen wir ganz in M
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