Schiff Classic

PHÄNOMENE & KURIOSITÄTEN

bekommen. Wer sich einen eigenen Ein- druck machen möchte, hat in Dierhagen Gelegenheit dazu. Dort strandete in der Nacht zum 14. November 1930 der finni- sche Dreimastschoner Janne . Bis heute ist der Schiffsumriss anhand der Spanten- köpfe im knietiefen Wasser deutlich erkennbar. Der Dörpverein Ostseebad Dierhagen erzählt die Geschichte der Havarie anschaulich auf Strandtafeln. Das 1896 gebaute Schiff befand sich demnach auf der Fahrt von Rendsburg nach Raumo und fuhr sich durch einen Navigationsfehler am Strand fest. Der Stralsunder DGzRS-Dampfer eilte zwar Es gibt Schiffswracks, deren Konstruktion kaum mehr erkennbar ist. Nicht einmal die Lage von Bug und Heck kann dann mit Sicherheit bestimmt werden. zur Hilfe, konnte das Schiff aber nicht aus seiner misslichen Lage befreien. Also musste die Mannschaft das Schiff verlas- sen und es aufgeben. Obwohl durch die Havarie niemand zu Schaden kam, war dennoch ein Opfer zu beklagen. Als die schwangere Frau des Kapitäns per Tele- gramm von dem Unglück erfuhr, erlitt sie vor Schreck eine Fehlgeburt, an der sie schließlich verstarb. Wanderdünen am Darß Die englische Brigg Water Nymph ist 1875

Taucher Glück und konnten nach jahre- langer Versandung ein erneutes Monito- ring durchführen. Da zeigte sich der fast 27 Meter lange Segler mit lückenlosem Spantenumriss, vollständig erhaltenen Bordwänden, Wegerungen, dem Bugste- ven und der Ruderanlage – in gerade ein- mal drei Metern Wassertiefe. ú*ROɂDOOZUDFNø Ganz anders verhält es sich mit einem Wrack vor Rügen. Hier wurde bis vor wenigen Jahren ein Wrack im strand- nahen Bereich der Tromper Wiek, einer weitläufigen Bucht unterhalb von Kap Arkona, untersucht. Das etwa 25 mal sie- ben Meter große Bodenfragment bestand aus dicken Eichenspanten und war über und über mit Holznägeln durchsetzt. In einem der Bohrlöcher wurde bei den Untersuchungen ein festgeklemmter Golf- ball entdeckt, daher wurde das Schiff schlicht „Golfballwrack“ genannt. Trotz seiner Masse an Holz hat die Brandung in dem vier Meter tiefen Wasser ganze Arbeit geleistet. Viele Details der Schiffskonstruktion sind mittlerweile vergangen. Nicht einmal die Lage von Bug und Heck konnte mit Sicherheit bestimmt werden. Ein For- schungsteam versucht, dem Schiffstyp auf die Spur zu kommen. Es folgt eine umfas- sende Recherche zur Schiffsbaukunde und Vergleiche mit anderen Funden. Die schiffsbaulichen Details decken sich in vielerlei Hinsicht mit den Konstruktions- Die massigen, eng stehenden Spanten las- sen auf ein Transportschiff schließen, das große Lasten bewegt haben muss. Durch ihre nahezu gleiche Länge ergibt sich ein typischer rechteckiger Grundriss. Auch der flache, brei- te Boden mit kurz abgerundeter Kimm und die ausschließliche Verwendung von Holz als Baumaterial des Rumpfes ist bei der Kuff überliefert. Abschließend wird eine Holzprobe dendrochronologisch analysiert. Dabei lässt sich anhand der Jahrringe das Alter bestimmen. Für das „Golfballwrack“ kann ein Untergangsdatum um die Mitte des 19. Jahrhunderts angenommen werden. Zu dieser Zeit waren Plattbodenschiffe in dieser Region durchaus verbreitet. Doch alles ist vergänglich. Im Januar 2019 berichten Medien von einem Holzwrack, das während eines Sturms an das Ufer der Insel Rügen geworfen wurde. Das „Golfballwrack“ ist endgültig Geschichte. merkmalen einer Kuff. $QQ¦KHUXQJVZHUWH

VORBILDLICHE DENKMALPFLEGE: Am Strand von Dierhagen kann jeder Besucher die Strandungsgeschichte verfolgen Foto: Elmar Klemm

vor Ahrenshoop gestrandet. Anfang der 2000er-Jahre war der Befund Gegenstand einer größer angelegten archäologischen Untersuchung. An der Water Nymph werden die typischen Merkmale von Strandungs- wracks sehr deutlich. Das Schiff soll, den Archäologen nach, nahezu komplett erhalten sein. Es ist eben nur tief im Sand eingesun- ken. Das hat den positiven Effekt, dass die hölzernen Strukturen auch lange Zeiträume überdauern können. Denn durch den Sedi- ment-Abschluss werden Sauerstoffzufuhr, Brandungsschäden und auch der Zugang für die gefräßige Schiffsbohrmuschel Teredo navalis deutlich reduziert. So kommt es, dass man in einigen Jahren gerade einmal ein paar Spantköpfe aus dem hellen Sand ragen sieht. Manchmal liegt das Wrack sogar vollstän- dig verborgen. Vor wenigen Jahren hatten

BUCHTIPP Notflagge vor Hiddensee Bernd Goltings schildert in seinem großformatigen Band die Küstengeschichte Vorpommerns. Mit bemerkenswerter Detailtiefe beschreibt er das karge Leben der Inselbewohner von Hiddensee und dem westlichen Rügen und illustriert seine anekdotenhaften Geschichten mit sehenswertem historischem Bildmaterial. 2022 Darß Verlag, Prerow o.J., 366 S. ISBN-978-3-9824522-1-0

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