ZEITGESCHICHTE MEUTEREI DER JAGDFLIEGER
dem Fronteinsatz genommen worden, um sich auf Höheres vorzubereiten. In den Ver- wendungen, die Lützow dann durchlief, brauchte er nicht lange für die Erkenntnis, daß die Jagdwaffe rücksichtslos verheizt wurde und der Krieg nicht mehr zu gewin- nen war. Lützow sprach offen aus, was ande- re nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen wagten und galt damit bei Göring als weich- licher Defätist. So ging es für ihn die Karrie- releiter wieder hinunter bis zu seiner jetzigen Funktion als Kommandeur einiger Jagdflie- gerschulen. Ein neuer Geist in der Jagdwaffe Auch Adolf Galland, der einst verherrlichte General der Jagdflieger, ist Ende 1944 bei Göring und seiner Entourage längst in Ungnade gefallen. Systematisch plaziert der Reichsmarschall ehemalige Kampfflieger wie General Dietrich Peltz und Oberst Hajo Herrmann in der Jagdwaffe, um den ver- meintlich schlappen Jägern Beine zu machen. Es weht ein neuer, von oben angefachter Geist. Man will jetzt unverhohlen »…ein vom nationalsozialistischen Gedankengut erfülltes, in Willen, Kampfgeist und Haltung einheitliches Führerkorps« und proklamiert: »Die nationalsozialistische Erziehung und Ausrichtung der Truppe ist heute die wich- Obwohl die Luftwaffe bei Unternehmen »Bodenplatte« viele alliierte Flugzeuge zerstörten – wie hier in Belgien – war es ein Pyrhhussieg und fachte die Unzufriedenheit der Jagdflieger weiter an Foto pa/SZ Photo
Diese Bf 109 G-10 gehörte zum JG 300 – Walter Dahls Einheit. Nach Kriegsende fiel sie den Alliierten in Praha-Kbely in die Hände Foto Sammlung Hans-Heiri Stapfer
tigste Aufgabe jedes Einheits- und Verbands- führers.« Galland selbst beteiligt sich am rhetorischen Gedröhne, wohl in der falschen Annahme, mit dem Kniefall vor der Ideo- logie verhindern zu können, daß der neue Geist ihn wegfegt. So befiehlt er in seiner Dienstanweisung für den Leiter seiner Ver- bandsführerschule, daß jener die ihm anver- trauten Offiziere »… im fanatischen Glauben an den Sieg« auszurichten habe. »Ziel des Lehrgangs ist es, der Jagdwaffe Geschwader- kommodores und Gruppenkommandeure zu geben, die Meister der besten Angriffs- taktik, Träger des Angriffs- und Vernich-
tungswillens, stahlharte, rücksichtslose, überlegte und mitreißende Führer in der Luft sind … Das Endziel muß sein, daß die Füh- rer und damit die gesamte Jagdwaffe in der Treue zum Führer, mit unerschütterlichem Glauben an den Sieg, moralisch gefestigt, mit fanatischem Kampfes- und Siegesmut im Bewußsein der eigenen Stärke für den End- kampf bereitsteht.« Herrmann soll übernehmen Es hilft ihm nicht mehr. Die wesentlichen Entscheidungen werden bereits über seinen Kopf und die Köpfe seines Stabes hinweg
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