Flugzeug Classic

Brücke von Remagen

ZEITGESCHICHTE

bremste ganz behutsam, damit der Start für die Verwundeten erträglich war. Als das Ge- spann sicher flog, bemerkte er, dass sich nur noch eine Umdrehung Stahlseil auf der Trommel befand. Das Ende des Seils war nicht befestigt; das Gewicht des Lastenseg- lers hing also zunächst fast völlig in der La- mellenbremse! Hätte sich die Winde nur noch etwas weiter bewegt, hätte sich das Schleppseil gelöst. Während Berry Richtung Frankreich flog, führte 1st Lieutenant John F. Clippard vom 302nd Troop Carrier Squa- dron als Flugzeugführer einer weiteren C-47 mit angehängter CG-4A das gleiche Manö- ver durch. Die Stinson L-1A, s/n 41-18918, holte ebenfalls Verwundete ab. Major Cloud setzte beim Anflug auf das Feldlazarett noch einen drauf. Der mitfliegen- de Colonel Ansbacker wünschte eine Lan- dung möglichst nahe am großen OP-Zelt und Major Cloud setzte die Waco knapp 60 Meter vom Haupteingang des Zeltes entfernt auf. Am Ende der Rollstrecke öffnete man die Bugklappe, die über den Eingang des Feld- lazaretts reichte! 1st Lieutenant Berry, der über dem Lazarett Kreise flog, kommentierte das nach dem Zweiten Weltkrieg folgender- maßen: »Wenn es geregnet hätte, wären diese Patienten nicht einmal nass geworden.« Sinnvolle Mühe? In Anbetracht von nur einer Handvoll ausge- flogener schwerst und schwer verwundeter Soldaten mag der Aufwand dieser Einsätze fragwürdig erscheinen. Er war bei Rhein- breitbach aber wichtig, um die Moral der Soldaten im Kampfgebiet zu stützen. Man sah, dass die US-Luftwaffe die eigenen Ver- wundete ausflog; ein wichtiges Signal in den mörderischen Duellen jener Tage. Außerdem fungierte der »Snatch«-Einsatz als Generalprobe für die Operation Varsity, die am 24. März 1945 bei Wesel losbrach. Es war die größte zusammenhängende Luft- landeoperation im Zweiten Weltkrieg. Mit »Varsity« sollten die Alliierten im rechts- rheinischen Raum Brücken über die Issel si- chern und Wehrmachtsverbände – insbe- sondere Artillerie – im Diersfordter Wald niederkämpfen, damit diese ihren Vormarsch nicht behindern konnten. 1590 Transport- beziehungsweise Schleppflugzeuge und 1346 Lastensegler der britischen 6. Luftlande- division und der 17. US-Luftlandedivision hat man dafür im XVIII. Airborne Corps zu- sammengefasst. Ob die Landeflächen bei Wesel für »Snatch«-Einsätze geeignet waren, hatten die Alliierten bereits im vorhinein ge- nauestens untersucht und das Ausfliegen Verwundeter vorbereitet. Das Unternehmen war am 25. März erfolgreich beendet, sodass man auf medizinische Evakuierungsflüge verzichten konnte.

Als Begleitschutz für den Lastensegler und das Schleppflugzeug flog eine P-38 mit

Die Stinson L-1A (S/N 41-18918) verunfallte am 19.7.1942 in Wickenburg, Arizona, wurde repariert und dann als Rot-Kreuz-Flugzeug genutzt. Hier landet sie in Rheinbreitbach, um Verwundete auszufliegen

arzt der 1. U.S. Army, Colonel Ansbacker, in der Kanzel des Lastenseglers Platz. An zwei rot-weiß markierten, zirka 3,60 Meter hohen und sechs Meter auseinanderstehenden Stan- gen befestigte man das Schleppseil. Eine in Flugrichtung auf das Schleppseil zulaufende gelbe Markierungsfahne zeigte der noch im- mer kreisenden C-47, dass die Vorbereitungen zur Lastaufnahme abgeschlossen waren. Die C-47 überflog das Areal in südlicher Richtung über die zerstörte Remagener Rheinbrücke hinweg, drehte um 90 Grad

Albert D. Haug, Chefarzt der 816. Medical Air Evacuation Squadron, an Bord. Ein Stabsoffi- zier des 9. Troop Carrier Command flog mit ei- ner Lockheed P-38 Lightning Jagdschutz. Im Zielgebiet angekommen, klinkte der Lastenseg- ler aus, umkreiste die Landezone ein paar Mal und setzte dann zu einer Punktlandung an. Nach 50 Metern Rollstrecke stand die CG-4A, man klappte die Bugsektion nach oben und lud die dringend benötigten Hilfsgüter aus. Über den Mühlenweg näherten sich Ambu- lanzwagen der U.S. Army. Major Cloud lehnte

Zum Teufel mit den Krauts! …Es gibt keine Kraut-Lastensegler, die das für uns tun.

nach Westen, flog eine Strecke, drehte um 90 Grad nach Norden, flog und drehte er- neut zweimal um 90 Grad, dann war man wieder über der Wiese. Das Manöver führte 1st Lieutenant Berry in unterschiedlichen Höhen so lange durch, bis er im Tiefflug er- folgreich das Schleppseil auffing. Sein Crew Chief Al Furr ließ viel Stahlseil auslaufen,

es ab, schwer verwundet in Gefangenschaft geratene deutschen Soldaten auszufliegen: »Zum Teufel mit den Krauts! Das tue ich nicht. Es macht mir nichts aus, für amerikanische Kinder hierher zu kommen, aber es gibt keine Kraut-Lastensegler, die dasselbe für uns tun.« Nachdem die Verwundeten eingeladen waren, nahmen Major Cloud und ein Chef-

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