Flugzeug Classic

Die He 219 A-7, W.Nr. 310215 (?), steht hier als AM 43 im Sommer 1945 beim Central Fighter Establishment auf dem Flugplatz Ford. Sie gehörte zuvor wohl als G9+E zum NJG 1 Foto RAF

»Der Ausfall eines Motors während des Abhebens musste insbesondere bei einem Nachtstart eine äußerst kitzlige Angelegen- heit gewesen sein, da das Flugzeug bei Geschwindigkeiten unter 220 km/h nur schwer geradeaus zu halten war«, schreibt Eric Brown weiter. Positiv erwähnt er dann wieder das außer- ordentlich wirksame Enteisungssystem und

mühsam aufrechterhalten werden, und dem- zufolge waren Kurven bei voll ausgefahrenen Klappen nicht empfehlenswert. Bei turbu- lentem Wetter verhielt sich die He 219 auf dem Endanflug in Bezug auf die Seitensta- bilität ziemlich schlecht.« Eric Browns Fazit: Die Heinkel war ins- gesamt ein gutes Nachtjagd-Flugzeug, aber mit zu geringer Motorleistung, sodass es bei

Eric Browns Arbeitsplatz: das Cockpit einer Heinkel He 219 A. Hier allerdings die Abbildung vom Pilotensitz der He 219 A-011 aus der Lehrbildreihe für die Ausbildung. Aufgrund seiner Deutsch- kenntnisse waren für Brown auch die Handbücher kein Problem

Um die Mosquito zu bekämpfen – wofür die He 219 vorgesehen war –, reichte die Leistung nicht

die Kabinenheizung. Die Kurssteuerung war leicht zu bedienen und zuverlässig. Sein Fazit: »Die He 219 war ohne Frage ein aus- gezeichnetes Allwetterflugzeug.« Die Lande- phase hinterließ wiederum keinen so guten Eindruck: »Die Seitenstabilität konnte mit Hilfe der federgelagerten Querruder nur

einem Triebwerksausfall in der Startphase gefährlich wurde und ein Durchstarten nicht mehr möglich war. Um die Mosquito zu bekämpfen – wofür sie eigentlich vorgesehen war –, reichte die Leistung nicht aus. Für jeden viermotorige Bomber war sie jedoch ganz sicher ein unangenehmer Gegner.

Foto Sammlung Cohausz

UV-Beleuchtung in der Kabine und die gepanzerten Schleudersitze. In seinem Notizbuch beschreibt Brown ausführlich den Anlassvorgang mit den zwei DB-603-Mo- toren. »Die Heinkel ließ sich während des Rollens sehr leicht steuern, jedoch musste man mit den Bremsen, die übrigens sehr wirkungsvoll waren, bei Querwinden sorg- sam umgehen«, fährt er fort. Skeptisch äußert er sich jedoch zu den deutschen Berichten von einem angeblichen Kraftüberschuss der He 219 beim Start und dass ein Pilot mit einem ausgefallenen Motor und noch ausgefahrenem Fahrwerk und Landeklappen durchgestartet wäre. »Wenn an diesem Bericht etwas Wahres dran sein sollte, dann muss das Flugzeug mit Starthil- feraketen ausgerüstet gewesen sein und eine sehr lange Startbahn zur Verfügung gehabt haben!« Zuverlässiges Allwetterflugzeug In seinen Augen war die Heinkel, insbeson- dere in der Version He 219 A-2, entschieden mit zu geringer Motorleistung ausgestattet.

Eric Melrose »Winkle« Brown (1919-2016)

Über seinen Vater, der Jagdpilot im Ersten Welt- krieg war, kam Brown früh zur Fliegerei. Durch einen langen Aufenthalt in Deutschland bekam er schon früh einen guten Eindruck von der dortigen Luftfahrttechnik und lernte auch Prominenz wie Ernst Udet oder Hanna Reitsch kennen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs meldete er sich zu den britischen Marinefliegern. 1944 wurde er Chef-Testpilot bei der Erprobungs- stelle in Farnborough und konnte dann auch 55 verschiedene Flugzeugtypen der Luftwaffe fliegen. Dabei halfen ihm auch seine ausgezeich- neten deutschen Sprachkenntnisse und durch seine freundliche Art fand er schnell Zugang zu den ehemaligen Kriegsgegnern. Die Erfahrungen und Erinnerungen daran hat er in seinem Buch Wings of the Luftwaffe festgehalten.

Lieutnant Commander Eric Melrose Brown als Testpilot in Farnborough Foto IWM A31015

37

FLUGZEUG CLASSIC 9| 2025

Made with FlippingBook flipbook maker