Flugzeug Classic

OLDTIMER CAPRONI CA.310

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zufolge stieß er nahe Mandal auf eine Messerschmitt, die er sabotierte.« Die Deut- schen nahmen die Motoren von Nummer 505, bevor örtliche Norweger Kufen und ein Segel an den Rumpf anbrachten und es auf dem gefrorenen Vangsmjøsa segelten. Die Fragmente dieses Flugzeugs wurden restau- riert und stehen nun vor mir, als wären sie fabrikneu. Ein Vierteljahrhundert Arbeit Während wir langsam die Messerschmitt Bf 109 des Museums von der Caproni weg- schieben, damit ich bessere Fotos schießen kann, frage ich Svihus, wie viele Stunden sie

ch hoffe, Sie entdecken neue historische Perspektiven«, sagt Kjell Dahle. »Die ›Klippfischgeschichte‹ ist bekanntlich immer wieder erzählt worden.« Als wir in der Ausstellungshalle 15 Kilometer südwest- lich von Stavanger stehen und das Flugzeug mit seinem filigranen Tarnmuster in Grün, Gelb und Braun bewundern, fällt es leicht, Sympathie für Dahle zu empfinden, der ein wichtiger Bestandteil des freiwilligen Teams des Museums ist. Er hat sich einfach in das Flugzeug verliebt, das er unzählige Stunden restauriert hat. Den Spitznamen »Klippfisch-Bomber« erhielt die Caproni Ca.310 quasi in dem Moment, als Norwegen 1938 sie für seine Heeresflieger bestellte. Der Grund dafür war, dass die Flugzeuge mit den Einnahmen aus den Klippfisch-Exporten nach Italien bezahlt werden sollten. »Die Caproni war das erste zweimotorige Flugzeug, das erste mit ein- ziehbarem Fahrwerk, das erste mit Funkge- rät und das erste mit Pitchsteuerung im Heeresflieger«, erklärt Dahle, »und auch der erste Monoplane.« Die Caproni Ca.310 Libeccio – deren Name »südwestlicher Wind« bedeutet, ein weitaus prächtigerer Name als »Klippfisch-Bomber« – war 1938 bahnbrechend. Dennoch hatten die vier Caproni, die bei der Bomben-Fliegerstaffel in Sola stationiert waren, nicht ausreichend Zeit, um während des deutschen Blitz- angriffs am 9. April 1940 einen Unterschied zu machen. Neu und störanfällig Obwohl ich meinen Rücken und meine Knie nicht für steifer halte als die der meisten anderen, ist es doch ziemlich umständlich, sowohl durch die Tür über dem linken Flügel in die Caproni zu steigen als auch, sich im Inneren des Rumpfes zu bewegen. Wie hätte es wohl funktioniert, wenn einer der drei Besatzungsmitglieder schnell hätte aussteigen müssen? Bereits auf dem Heimflug aus der Caproni-Fabrik in Mailand im Oktober 1938 begegnete die Besatzung mehr fortschrittlicherer Technologie, als sie es bis dato gewohnt war; neue Technologie, die auch launischer war. Motorprobleme, Hydrauliklecks, ausfallende Radios, Risse in den Auspuffrohren und falsche Feueralarme müssen ihre Nerven ernsthaft auf die Probe gestellt haben. Trotz der Probleme wuchs die Caproni den Piloten ans Herz, die im Ver- gleich zu den langsameren Doppeldeckern, welche die Heeresflieger zuvor betrieben hat- ten, einen Sprung in die Moderne darstellte. Viele Kinderkrankheiten mussten aller- dings zuvor geheilt werden, bis die Bomben-

Fliegerstaffel Ende Herbst 1939 doch noch verlauten ließ, dass die Caproni nun gut lief. Im Beschaffungsprozess war auch die britische Avro Anson in Betracht gezogen worden. Rasmus Svihus, ein sachkundiger Rentner und Hauptführer während meines Besuchs im Museum, kommentiert trocken, dass man bei der Entscheidung die »Ge- schwindigkeit über die Qualität« gestellt habe. Es war nicht viel Tempo, welche die beiden Siebenzylinder-Piaggio-Motoren der Caproni gaben. Jeder davon hatte nur 460 PS, was eine Höchstgeschwindigkeit von 365 km/h ermöglichte. Zur gleichen Zeit ent- wickelten die Deutschen die Junkers Ju 88,

Den Namen ›Klippfisch-Bomber‹ erhielt die Ca.310, als Norwegen sie für seine Heeresflieger bestellte

an der Restaurierung des Bombers gearbei- tet haben. »Es ist schwer zu sagen«, antwor- tet er prompt, »wir zählen Jahre mehr als Stunden und es sind 25 Jahre seit dem Be- ginn vergangen. Auf unsere Messerschmitt wurden 27 000 Stunden verwendet.« Ich frage mich, wie hoch der Anteil an Originalteilen wohl ist. »Das meiste vom Stahlrumpf, die Maschinengewehr-Kuppel, ein Navigationslicht, die Stoppuhr, der Kom- pass, der Variometer, Reste der Nasenstruk- tur, Reifen, Felgen und der Kompressor. Ein Positionslicht haben wir von einem privaten Besitzer in Sola bekommen. Den Kompass haben wir in Kroatien gekauft und Original-

die V12-Motoren mit bis zu 1000 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von über 500 km/h hatte. Saboteur auf der Flucht Die Bomben-Fliegerstaffel in Sola war genau- so unvorbereitet auf die Invasion am 9. April 1940 wie der Rest Norwegens. Nur eine der vier Caproni, Nummer 505, konnte starten. Am 17. April landete sie auf dem Vangsmjøsa- See, wo die Besatzung sie verließ. »Der Mann, der der technische Chef von Caproni war, versteckte sich während des deutschen An- griffs hinter einer Steinmauer und floh dann über Sirdal«, sagt Rasmus Svihus. »Berichten

Das italienische Tarnmuster, in dem auch die Flugzeugen lackiert waren, die Norwegen kaufte, ist äußerst charakteristisch

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