Flugzeug Classic

Ju 88 G-6, die 1945 bei der IV. Gruppe des NJG 6 flog. Der Nacht- jäger war mit zwei 20-mm-MG 151/20 auf dem Rumpfrücken ausgerüstet Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Überall lagen große Steine und zerfetzte Trümmerteile des Bombers herum. Ein An- blick, den Werner Meiser bis heute nicht aus seinem Kopf bekommt, war der Anblick von abgerissenen Körperteilen der Besatzung in- mitten des Trümmerfelds. Vor dem Dorf, in der Nähe einer Bahnstrecke, fanden die Au- erstedter einen weiteren toten Soldaten. Offensichtlich war er ein Besatzungsmitglied des explodierten Flugzeugs, dem es noch ge- lungen war, vor dem Aufschlag abzusprin-

und schoss weitere Gegner ab. Seinen letzten Luftsieg gab er um 23:37 Uhr bei Baiersbronn in Süddeutschland an. Insgesamt 18 Luftsiege verkündete die Luftwaffe in dieser Nacht. Dagegen registrierte die No 5 Bomber Group der RAF über Feindgebiet den Verlust von nur acht Bombern. Eine weitere Lancas- ter der 207 Squadron stürzte beim Anflug auf England ab, wobei die gesamte Besatzung ums Leben kam. Aber auch das NJG 6 hatte Männer verloren. Die IV. Gruppe meldete eine Ju 88 G-6, die nördlich von Kitzingen ab- stürzte. Eine weitere Ju 88 G-6 der 5. Staffel ging bei einer Bauchlandung in Flammen auf, die vierköpfige Besatzung starb. Auch eine Bf 110 G-4 der 8. Staffel legte bei der Rückkehr eine Bauchlandung hin. Ein Bild des Grauens Als Werner Meister am nächsten Tag mit anderen Kindern des Dorfes neugierig die Absturzstelle aufsuchte, bot sich ein Bild des Grauens. Der explodierte Bomber hatte einen riesigen Krater in den Hang gerissen.

licher Soldat, hatten die Bewohner die Grab- stelle viele Jahrzehnte lang gepflegt. »Ein Unbekannter amerikanischer Soldat« steht zwar auf dem Grabstein, aber dass es kein Amerikaner sein kann, war den Auersted- tern schon länger bewusst. In der Dorfchro-

Überall lagen große Steine und zerfetzte Trümmerteile des Bombers herum.

gen. Doch dafür war es schon zu spät, sodass sich der Fallschirm, der neben dem Toten lag, nicht mehr öffnete. Den toten Soldaten bestatteten die Auer- stedter auf ihrem Dorffriedhof. In eine Kiste mit ins Grab legten sie die an der Absturz- stelle aufgefundenen Körperteile der ande- ren Besatzungsmitglieder. Obwohl ein feind-

nik ist zu lesen, dass es sich bei ihm vermut- lich um ein Besatzungsmitglied der Avro Lancaster mit der Werknummer RF153 han- delt, die bei Braunsbedra, nahe Lützkendorf, in der Luft explodierte. Spur wieder aufgenommen 75 Jahre später stellte Vermisstenforscher René Schütz, wie weiter oben bereit erwähnt, wieder einen Zusammenhang mit dem bei Auerstedt abgestürzten Flugzeug her. Bei der Untersuchung der Absturzstelle fand er Wrackteile, die er anhand der aufgeprägten Buchstaben und Nummern eindeutig zu einer bei Armstrong Withworth Aircraft gebauten Avro Lancaster Mk. I zuordnen konnte. In den 1990er-Jahren war bei einer il- legalen Bergung an der Absturzstelle ein Rolls-Royce Merlin zutage getreten, der seit- her im Schlossmuseum in Auerstedt ausge- stellt ist. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um ein britisches Flugzeug handeln musste und der Tote wahrscheinlich kein Amerikaner ist. Weiter fand er heraus, dass man die Besatzung der in der Dorfchronik erwähnten RF153 bereits 1947 vom Gemein- defriedhof Braunsbedra exhumiert und auf den britischen Soldatenfriedhof in Berlin überführt hatte. Nur ein einziges Flugzeug des Angriffs vom 14. März 1945 galt mitsamt seiner Besat- zung weiterhin als vermisst: die Avro Lancas- ter Mk. I, NG177 der No 50 Squadron der RAF. Es lag also nahe, dass es sich bei dem To- ten von Auerstedt eben um ein Besatzungs-

Hauptmann Martin Becker (rechts), Gruppenkommandeur der IV./NJG 6, schoss die meisten der am 14. März 1945 bei dem Angriff auf Lützkendorf verloren gegangenen Avro Lancaster ab, vermutlich auch die bis heute vermisste NG 177. Becker überlebte den Krieg und starb 2006 mit 89 Jahren

FLUGZEUG CLASSIC 7/2022

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