EUROPA/ZENTRALASIEN
ZENTRALASIEN UND SÜDKAUKASUS Raus aus Russlands Schatten
sie den Konsum in ihrer Heimat, auch wenn sich 2023 eine Normalisierung bei den Geldtransfers abzeichnet. Starker Handel unterstützt den Aufschwung Zudem lässt sich beobachten, wie die verarbeitende Industrie schrittweise ausgebaut wird. Neben Kasachstan wollen regionale und internationale Unternehmen vor allem Usbekistan als Werkbank nutzen und von dort aus den immer stärker zusammenwach- senden Markt Zentralasiens bedienen. Aufgrund ihrer Lage zwischen Europa und Asien sind Zentralasien und der Südkaukasus als Handelsdrehscheiben prädestiniert und werden ihrem Poten- zial zunehmend gerecht. Exporte wie Importe florieren aktuell, nur die Roh- stoffausfuhren leiden unter sinkenden Preisen. Was die Länder gemeinsam haben: Sie schließen keinen Handels- partner aus. Was sie unterscheidet: Wohin sich ihre Handelsströme ver- lagern. So haben sich 2022 die Exporte Kasachstans und Aserbaidschans in die Europäische Union gegenüber den Vorjahren wertmäßig etwa verdoppelt, was auf die gestiegenen Rohstofflie- ferungen zurückzuführen ist. Bemer- kenswert ist, dass auch Usbekistan seine Ausfuhren in das westliche Staa- tenbündnis 2022 um 150 Prozent stei- gern konnte, wie die Zahlen vom IWF belegen. Dabei profitiert das Land von besonderen Zollpräferenzen der EU (APS+), die 2021 die Ausfuhrzölle für 6.300 Tarifpositionen ausgesetzt hat. Kirgisistan und Armenien hingegen haben ihre Exporte nach Russland um ein Mehrfaches gesteigert. Einerseits kompensieren Russlands südliche Nachbarn weggebrochene westliche Lieferungen, etwa bei Agrarerzeug- nissen, Nahrungsmitteln, Metallen, Textilien sowie Haushaltselektronik. Anderseits spielen wohl Re-Exporte zuvor importierter westlicher Waren wie Autos und Konsumgüter eine Rolle, so die EBRD in ihrer Herbstpro- gnose. GTAI/IHK
Auf-Streber im Stadtzentrum: Usbekistans Hauptstadt Taschkent boomt – ebenso wie der Handel mit der EU.
Eine Reihe von Ländern an Euro- pas Peripherie besticht mit hohen Wachstumsraten – trotz oder gerade wegen der globalen Krisen. Laut internationalen Beobachtern deutet alles darauf hin, dass die Länder in Zentralasien und im Südkaukasus ihren soliden Wachstumskurs 2023 und 2024 fortsetzen. Dabei wirkte es Anfang 2022 noch so, als würden die wirtschaftlichen Turbulenzen in Folge des Ukrainekriegs auch diese Region in eine Rezession abdriften lassen. Doch die Länder profitieren auf unterschiedliche Weise davon, dass Russland vom Westen boy- kottiert wird. Die geostrategische Zeitenwende ist eine Chance, um aus Moskaus Schatten herauszu- treten und sich verstärkt in das globale Wirtschaftsgeschehen ein- zuklinken.
Zahlreiche Sondereffekte beflügeln Wachstum Öl- und Gasexporteure wie Ka- sachstan und Aserbaidschan werden verstärkt nach Rohstoffen gefragt, nachdem russische Energielieferun- gen in Europa nicht mehr gewünscht sind. Profiteure der sprudelnden Devisen sind unter anderem das Bau- und Dienstleistungsgewerbe. So leben in den Kaukasusrepubliken Georgien und Armenien mittlerweile zehntau- sende Exilrussen, die zum Teil Unter- nehmen gründen und die Nachfrage nach Dienstleistungen sowie das Finanzwesen ankurbeln. Lücken im russischen Arbeitsmarkt füllen mehr als zuvor Gastarbeiter aus zentralasia- tischen Ländern wie Usbekistan und Tadschikistan. Mit den Rekord-Rück- überweisungen von 2022 befeuern
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IHK Global Business 12/2023
ihk.de/rhein-neckar
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