IHK-Magazin Ausgabe 1/2025

TITELTHEMA | AUS- UND WEITERBILDUNG

TS STEEL TRADE Erst mal eine Ausbildung Timo Stibitz hatte nie Lust auf Theorie und Studium. Also hat er eine Ausbildung gemacht. Und bildet heute selbst aus – als Unternehmer.

fast genauso viele Absagen bekommen. Dann kam die Einladung von einem Mann- heimer Stahlunternehmen. Timo Stibitz geht zum Bewer- bungsgespräch und erhält kurz darauf eine Zusage für einen Ausbildungsplatz. Die Frage, ob er das Angebot annimmt oder nicht, stellte sich nicht. Es war das einzige Angebot, und Timo Stibitz wollte eines ganz sicher nicht: weiter zur Schule gehen. „Ich war kein besonders guter Schüler“, sagt er. Kein Bock. Abitur sei darum nie das Ziel gewesen. In der neunten Klas- se macht Stibitz ein Berufs- praktikum in der SAP-Arena. Doch er weiß: Es gibt nur zwei Ausbildungsplätze für den Eventmanager, das wird wahr- scheinlich nichts. Aber das Kaufmännische liegt ihm, und so bewirbt er sich nach dem Realschulabschluss für eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Dass es am Ende ein Stahlunterneh- men wird, nennt Timo Stibitz Zufall. „Es hätte auch Holz oder ein ganz anderes Produkt sein können.“ Heute verdient Timo Stibitz sein Geld mit dem Handel von Stahl. Vor sechs Jahren hat er – mit gerade 28 Jahren – sein eigenes Unternehmen gegrün- det, die TS Steel Trade GmbH. Der Betrieb trägt seine Initia- len im Namen. Timo Stibitz hat eine Nische gefunden: Er kauft und verkauft Stahl, den keiner mehr will. 2A-Stahl nennt sich das. Das können unter ande- rem Bleche, Drähte oder Rohre

sein, die Fehler aufweisen oder angerostet sind, die aber anderweitig verwendet werden können. Das mittlerweile zur Unternehmensgruppe „TS Group“ mit weiteren Betrieben gewachsene Unternehmen beschäftigt 60 Mitarbeiter, darunter Timo Stibitz Ehefrau Nina; die beiden haben sich in der Berufsschule in Mannheim kennen gelernt. Nina Stibitz kümmert sich vor allem um das Marketing in der TS Group. Aber zurück zum Beginn der Ausbildung. Diese wird für Timo Stibitz zum Wendepunkt. Denn zum ersten Mal ist das theoretische Wissen dazu da, dass es in der Praxis angewen- det wird. „Ich dachte bei der Berufsschule, oh je, jetzt geht das Ganze weiter wie in der Schule.“ Doch Stibitz lernt, wie man eine Bilanz liest, kommt zurück an seinen Arbeitsplatz und kann die Bilanz lesen. In seinem Ausbildungsbetrieb durchläuft er alle Abteilungen und wird gleich eingebunden. Eine Erfahrung, die Stibitz als Azubi schnell macht, ist: „Es ist wichtig, dass ich da bin, ich werde gebraucht“. Die drei Jahre Ausbildung vergehen wie im Flug, und für Timo Stibitz ist klar: Er will weiter lernen und sein kauf- männisches Wissen vertiefen. Sechs Jahre lang besucht er die Abendschule, er macht erst den Betriebswirt und erwirbt damit die Fachhochschulreife. Anschließend folgen – wieder berufsbegleitend – der Bache- lor und der Master. Das Thema der Masterarbeit lautet:

Führungs- und Nachwuchskraft: Timo Stibitz, Geschäftsführer TS Steel Trade GmbH (links), und Feres El-Gendi, der im Unternehmen zum Kaufmann für Groß- und Außenhandelsmanagement ausgebildet wird.

W eißes oder blaues Hemd? Geht eine Jeans? Muss ein Sakko sein? Als Timo Stibitz die Ein- ladung zu einem Bewerbungs- gespräch bekommt, ist er auf- geregt. „Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich anziehe“, sagt der heute 34-Jährige. Damals war er 16 Jahre alt, hatte wohl um die hundert Bewerbungen geschrieben und

Ich dachte bei der Berufs- schule, oh je, jetzt geht das Ganze weiter wie in der Schule.

Timo Stibitz

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IHK Magazin Rhein-Neckar 01 | 2025

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