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MERIEM LEBDIRI „Eine Überlebende häuslicher Gewalt“ Meriem Lebdiri vertreibt ihre Mode unter dem Slogan „Luxery with a Purpose“. Ein Gespräch mit der Mannheimerin über den Luxus Freiheit
Lebdiri: Zuhören. Nicht urteilen,
Zeichen setzen, beispielsweise indem sie Sensibilisierungs- Workshops mit Hilfsorgani- sationen anbieten. Oder sie können anonyme Hilfsangebo- te bereitstellen. Sie kooperieren seit Ende 2024 mit verschiedenen Frauenhäusern der Region. Wie kam es dazu? Lebdiri: Heute blicke ich dankbar zurück auf alles, was ich mir in den vergangenen Jahren erarbeiten konnte. Im Dezember durfte ich meine Entwürfe auf der Istanbul Fashion Show vor einem sehr großen Publikum zeigen. Ich finde, es ist an der Zeit, etwas zurückzugeben. Deswegen habe ich unter anderem dem Frauenhaus in Mannheim in der Vorweihnachtszeit einige meiner Taschen übergeben. Weshalb Taschen? Lebdiri: Zugegeben, eine Lu- xustasche war das Letzte, das ich als frisch alleinerziehende Mutter, die heilen musste, ge- brauchen konnte. Doch meine Taschen sind nicht einfach Taschen. Sie stammen aus der Design-Kollektion einer Überlebenden häuslicher Ge- walt. Sie stehen als Symbol dafür, was Frauen erreichen können, wenn sie mutig ihren Weg gehen. Und sie sollen ihre neuen Besitzerinnen daran erinnern, dass auch sie es schaffen können, ein Leben in Freiheit zu führen. Nicht nur zu überleben, sondern wirklich zu leben. Ru
Frau Lebdiri, im Jahr 2023 wurden laut der Bundesre- gierung 256.276 Men - schen in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt, darunter wa- ren 71 Prozent Frauen. Überraschen Sie diese Zahlen? Meriem Lebdiri: Nein. Und ich spreche hier lei- der aus eigener Erfahrung. Vor über zehn Jahren traf ich die mutige Entscheidung aus einer gewaltvollen Ehe auszu- brechen. Damals stand ich mit zwei kleinen Töchtern allein da. Mitten in der Elternzeit und ohne Job; lediglich mit meinem Abschlusszeugnis für das Modedesign-Studium in der Tasche. Wie ging es für Sie weiter? Lebdiri: Ich hatte alles heim- lich vorbereitet und war ent- schlossen, zu dem einen Ort zu gelangen, der mir und meinen Töchtern Sicherheit bieten würde: einem Frauenhaus in Bayern. Als ich schließlich den Mut fand, meiner Familie von meiner Situation zu erzählen, führte mich der erste Schritt meiner Reise zu meinen El- tern, auf den Dachboden mit zwei Matratzen. 2012 habe ich dann mit meiner Schwester Selma das Modelabel „Mizaan“ gegründet. „Mizaan“ gibt es seit 2022 nicht mehr, aber ich bin unserem Ansatz treu geblieben, Mode für starke Frauen zu entwerfen. Wie sollte man aus Ihrer Sicht reagieren, wenn man bei einer anderen Person Anzeichen für häusliche Gewalt bemerkt?
keine Ratschläge geben, sondern Verständnis zeigen. Seine Unterstützung
anbieten, um professionelle Hilfe zu erhalten, beispielsweise über das Hilfe- telefon „Gewalt gegen Frauen“ mit der Nummer
116 016. Und man muss ge- duldig sein. Denn jeder Schritt braucht Mut. Entscheidend ist, dass man dann an der Seite der Betroffenen ist. Sie haben Ihre Geschichte im November auf dem Karriere- portal LinkedIn öffentlich ge - macht. Weshalb haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden? Lebdiri: Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, darüber zu sprechen, wenn einem Gewalt angetan wird. Scham und Isolation ma- chen es fast unmöglich, sich jemandem anzuvertrauen. Die Kontrolle durch Täter ist erdrückend. Und häusliche Gewalt macht keinen Halt vor dem Berufs- und Erfolgssta- tus. Alle können zum Opfer werden: Kolleginnen, Mit- arbeiterinnen oder vielleicht sogar die eigene Chefin. Und, auch das ist die bittere Wahr- heit, Männer können ebenso Gewalt ausgesetzt sein wie Frauen. Können Führungskräfte Vor - bilder im Umgang mit Thema häusliche Gewalt sein? Lebdiri: Definitiv. Sie können
Designerin Meriem Lebdiri ist „Head of Europe” der „Council of Modest Fashion”-Initiative für mehr Diversität in der Modebranche.
116 016 Nummer des Hilfe- Telefons „Gewalt gegen Frauen“
meriemlebdiri.com
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