Gesellschaftliche Teilhabe durch Chancengleichheit?
Çağatay Başar
Der Fachkräfteaustausch in Japan hat uns spannende Einblicke in dieHandlungsmöglichkeitenund Efekte der sozialen Arbeit ermöglicht, wenn für jeden jungen Menschen die gleichen Voraussetzungen gelten. Ein Hauptaugenmerk wurde von meiner Seite auf die Realisierung einer gerechten Teilhabe von Jugendlichen gelegt. DieCoronazeithatunsinDeutschlandaufdiedenkbarungünstigsteArta ufgezeigt,wiejungeMenschen in der Schule überfordert und abgehängt werden können, wenn keine digitale Teilhabe für alle Lernenden gewährleistet ist. In Schulen, welche in sozio-ökonomisch schwachen Gebieten auf eine Schülerschaft blicken, die oft aus einkommensschwachen Familien stammen, waren sehr häufg Ausdrücke wie „ digitale Teilhabe “ nicht mehr als leere Worthülsen. Die Lehrerschaft war meist überfordertmitderplötzlichenUmstellungaufd igitalenUnterrichtundfürs ehrvieleSchüler*innenwar eingeregelterUnterrichtschlichtwegnichtmöglich.DieslagsehroftinderTatsachebegründet,dasses an digitalen Endgeräten mangelte. Je niedrigerdieEinkommensschicht,derdieElternzugehörigwaren, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass in den Familien der jungen Menschen, die in solchen Haushalten aufwuchsen, kein Endgerät in Form eines PCs oder Tablets zur Verfügung stand. Und im Alltag dieser sowieso schon auf psychologischer Ebene belastenden Zeit kam dann das Gefühl des „abgehängt seins“ in der Schule hinzu. Wir als Straßensozialarbeiter*innen mussten häufgdieRollealsLehrendeübernehmen,dieaufPCsso weitgehendgeschultwaren,dasssiedieAnforderungenderSchulenerfüllenu ndbeidenHausaufgaben helfen konnten. So wurden in e inigen Schulen die Hausaufgaben per PDF an die Schüler*innen verschickt, welche diese ausdrucken, ausfüllen, einscannen undwiederzurückschickenmussten.Wenn mansichüberlegt,wiehochschwelligdieseFormvonHausaufgabenfürv ieleSchüler*innengewesenist, mag es nicht verwundern, dass viele irgendwann einfach die Motivation verloren haben, sich zu bemühen.WiesolltemandieseHausaufgabenmachen,wennmanüberkeinenPCverfügt?Überkeinen Drucker, Scanner, geschweige denn die IT-Skills, die es benötigt, um Hausaufgaben dieser Form zu bewerkstelligen? Aber an diesem Beispiel merkt man auch, dass die Lehrkräfte teilweise heillos überfordert waren und sich nicht in die Situationen und Lebensrealitäten von Jugendlichen hineinversetzenkonnten.EswurdezuvielalsGrundvoraussetzungangenommen,undobdanndieeine oder der andere auf der Strecke blieb, dem schien manoftkeinegroßeBedeutungbeizumessen.Man konnte also in den zwei Jahren, in welchen die Coronapandemie für regelmäßige Schulschließungen sorgte und indenenvorallemdieBildungschancenderjungenMenschenoftvonderGerechtigkeitder digitalen Teilhabe abhing, beobachten, dass es zu einer tiefergehenden, digitalen Kluft k am von Menschen mit Familien aus höheren Einkommensschichten und Menschen, die aus prekären Verhältnissen stammen. Schlichtweg aus dem Grund,weilmansichComputernichtleistenkonnteund an Schulen aus „Brennpunkt-Vierteln“dieinformationstechnischeBildungalldieJahreversäumtwurde. Nun stellte sich natürlich für uns als Fachkräfte die Frage: Wie hat wohl Japan diese Jahre der
Seite27
Made with FlippingBook - Online catalogs