NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER

Strenge Jagdgesetze schützten den Regenwald in der Vergangenheit. Heute sind die Schimpansen und die Touristen, die sie anziehen, seine mächtigsten Wächter.

In den Wald hinein Der Budongo-Wald, eine 45-minütige Auto- fahrt von den Fällen entfernt, ist nach wie vor durch illegale Abholzung und Übergriffe bedroht. Eine Reihe strenger Jagdgesetze, verabschiedet von König Bunyoro, schützten den tropischen Regenwald in der Vergangen- heit. Jetzt ist der Tourismus mit Schimpan- sen sein mächtigster Wächter. Ich treffe mich um sieben Uhr morgens mit Amos Wekesa, dem Besitzer der Budongo Eco Lodge, um einen ganzen Tag lang zu erleben, wie sich die Affen dem Menschen anpassen. Amos’ einfache Lodge und Hütten aus Holz, die einst von Jane Goodall als Spielfeld genutzt wurden, befinden sich am Anfangs- punkt mehrerer Wanderwege. Wir stürzen uns in einen märchenhaften Wald: Uralte Mahagonibäume bilden eine Kolonnade aus korinthischen Säulen und stützen einen Tempel aus Ästen. Aufsitzerpflanzen balan- cieren auf Bäumen, während Würgefeigen ihre Beute greifen und einen langsamen Akt der Opferung vollziehen. Auf dem weichen, schwammigen Boden sprießen aus ver- wesenden Stämmen Schwaden von weißen Pilzen. Neben einem Bach hebt Amos eine weggeworfene Samenkapsel auf. „Schim- pansen nutzen sie als Trinkbecher“, erklärt er. Sie müssen in der Nähe sein. Wie aufs Stichwort hören wir ein Donnern, gefolgt von Grunzern der Freude. Jacko, ein 43-jähriger Schimpanse, hockt zufrieden da wie ein Buddha und mampft die reifen Früchte eines Feigenbaums. „Pass auf“, warnt mich Amos, bevor ich nur knapp einem Geschoss aus gekautem Fruchtfleisch entgehe. Seit den 1960ern ist das Verhalten der Schimpansengemeinschaft aus Kaniyo Pabi- di untersucht worden. Jetzt ist ihre Zukunft durch den Erlös der Touristen gesichert, die die an Menschen gewohnte Gruppe besu- chen. Amos und sein Touristikunternehmen Great Lakes Safaris haben dazu beigetragen, umgerechnet fast 280 000 Euro pro Jahr zu generieren, bevor die Pandemie zuschlug – diese Gelder wurden dazu verwendet, ein Team von Rangern zu beschäftigen. Genauso beeindruckend ist die Geschichte von Amos selbst, die er mir beim Abendessen in der Lodge erzählt. Als Kind einer mittello- sen Familie an der Grenze Kenias schmuggel-

te er ab seinem sechsten Lebensjahr Waren. Ein Bildungszuschuss der Heilsarmee war sein Sprungbrett aus der Armut, dazu kamen Entschlossenheit und Ausdauer. Obwohl er als Straßenkehrer und Fremdenführer nur wenig verdiente, schaffte er es, Geld beiseite zu legen. Vor 20 Jahren dann gründete er Great Lakes Safaris. Amos hat ein extrem einnehmendes Wesen: ein Unternehmer, dessen Herz für Naturschutz schlägt. Als die Regierung Ugandas in Erwägung zog, Murchison Falls einzudämmen, drohte Amos damit, nackt zu protestieren. Sein Facebook- Account zur Aufklärung junger Menschen hat mehr als 75 000 Follower. „Wir sind nicht die letzte Generation“, sagt er, während er durch eine Flut an Kommentaren scrollt, auf die Influencer neidisch werden könnten. „Wir können nicht so leben, als wären wir die letzten Menschen, die gehen.“ Amos gehören drei Lodges in Uganda, ein- schließlich der frisch renovierten Elephant Plains Lodge im nördlichen Teil des Queen Elizabeth National Park (QENP). Ich brauche sechs Stunden, um den Park zu erreichen, der an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo (DRK) liegt. Durch die unter- schiedlichen Klimazonen des Landes zu fahren, ist ein Erlebnis, das durch waghalsi- ge Autofahrer und Attraktionen neben der Straße noch spannender wird. Schwaden von grünem Wald münden in Wiesen, und Siedlungen erheben sich aus Feldern aus orangefarbenem Staub. Bodaboda genannte Motorradtaxis transportieren Lasten von Ba- nanensäcken bis zu einer Couchgarnitur. Ein ambitionierter Fahrer hat sich ein Longhorn- Rind auf den Rücken geschnallt. „Das ist so typisch Uganda“, lacht Robert, mein Führer und Fahrer und schüttelt den Kopf. Am nächsten Morgen bin ich zu früher Stunde mit dem Naturschützer und Tierarzt Ludwig Siefert vom Uganda Carnivore Pro- gram verabredet, um Löwen zu beobachten. Das Projekt wurde ursprünglich gegründet, weil man befürchtete, ein Ausbruch von Staupe würde Löwen im Park töten. Als klar wurde, dass Gift der Grund für die Todes- fälle war, richtete das Projekt seinen Fokus auf Gemeinschaftsmaßnahmen. Touristen können sich Ludwig und seinem Team gegen eine Gebühr von etwa 100 Euro, die

LINKE SEITE (V. O.): Eine Schimpansen- Wanderung der Budongo Eco Lodge bietet einen Einblick in die Lebensweise der Tiere. Ludwig und sein Team vom Uganda Carnivore Program suchen im QENP nach Löwen, die Transponder tragen.

51

UGANDA

Made with FlippingBook flipbook maker