NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER

WEITE WELT

S ieben verschiedene Früchte sind bereits im Mixer, darunter Mango, Papaya und Ananas – so köstlich wie vertraut. Dann gibt María die Spezialzutaten ihres Vita- mincocktails hinzu: je einen ordentlichen Schuss Bier und Milch sowie ein Ei. „Nur die besten Zutaten!“, sagt die Markt- frau stolz. Mit dem ersten Nippen an der zähen, orangebraunen Flüssigkeit schlucke ich meine Bedenken bezüglich Salmonellen hinunter. Es schmeckt interessant, eigentlich sogar ganz gut. Trotzdem kaufe ich an einem der Nachbarstände noch frische, verzehrreife Mangos und eine Avocado für später. „Diese Früchte wachsen alle nur wenige Stunden entfernt im Dschungel“, sagt Reiseführer Edwar Pacheco Rosa in einer der Gassen des Mercado San Pedro in Cusco. Edwar stammt aus einer Quechua- Familie und arbeitet seit vielen Jahren für den Erleb- nisreiseveranstalter G Adventures. Unser Rundgang durch die Markthallen, die zum Teil von Gustav Eiffel konstruiert wurden, dem Architekten von Eiffelturm und Freiheitsstatue, ist derAuftakt unserer Stadt- führung. Es ist auch ein Einstieg in die peruanische Kultur, der alle Sinne anspricht. Neben den verschie- denen Gerüchen fallen als Erstes die knalligen Far- ben auf. Kleidung, Mützen und die um die Schultern gebundenen Tragetücher leuchten rot, blau und pink. „Man erkennt die Herkunft der Frauen an Form und Farbe ihrer Hüte“, sagt Edwar, während wir – ich mit meinem Vitamincocktail in der Hand – an kunstvoll aufgetürmtem Obst und Gemüse sowie Säcken voll weißer, roter und lila Maiskolben vorbei- schlendern. Eindrucksvoll ist auch die Auswahl an

Kartoffeln. Über 4000 Sorten gibt es in Peru. Der stärkehaltigen Knolle werden wir auf unserer Reise noch öfter begegnen. An einem Stand mit Reis, Nudeln und Co. bleibt Edwar stehen. „Quinoa war einst das günstigste Ge- treide in Peru, heute können es sich die Armen nicht mehr leisten, weil viele Bauern es lieber exportieren, anstatt im Land zu verkaufen.“ Er zeigt auf einen Sta- pel in Plastik verpacktes beiges Pulver. „Das hier ist auch ein Superfood, eine energie- und mineralstoff- reiche Mischung aus sieben Mehlarten, darunter zum Beispiel Maca und Kiwicha. Die Hochlandbewohner wissen die Kraft der Natur zu nutzen. In abgelegenen Dörfern, wo es keine Ärzte oder Krankenhäuser gibt, machen sie aus Pflanzen Medizin.“ Cocablätter und Lama-Föten Das bekannteste Mittel aus der „Hochland-Apotheke“ sind Cocablätter, die zerkaut oder als Tee Energie schenken, Müdigkeit, Hunger und Höhenkrankheit vertreiben sollen. Neben dem medizinischen Einsatz finden sie auch rituelle Verwendung. Sie werden der Pachamama – Mutter Erde – geopfert und kommen bei Schamanenzeremonien zum Einsatz. Auch für solche Rituale gibt es alles Nötige im Mercado San Pedro: Räucherwerk, Masken, kleine Instrumente sowie getrocknete Lama- und Alpaka-Föten. Lamas und Alpakas, beide aus der Familie der Kameliden, spielen traditionell eine wichtige spirituelle und wirtschaftliche Rolle im Leben der indigenen Bevölkerung Perus. „Sie liefern Fleisch und Wolle, dienen als Lasten- und Opfertiere – bis heute“, erfahre ich von Edwar, als wir durch die engen Gassen der Altstadt Cuscos zu einem Paradebeispiel

Im Uhrzeigersinn (v. o. l.): Der Mercado San Pedro in Cusco. Francisca Qqerar Mayta, Gründe- rin einer Frauen-Web- Kooperative. Festlicher Einzug zur nachmittägli- chen Feier im Communi- ty Restaurant Parwa. Vorige Doppelseite: Die Ruinenstadt Machu Picchu vor dem Berg Huayna Picchu oder auch Wayna Pikchu (Quechua für „junger Gipfel“).

78 NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER 3/2025

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